Direkte Demokratie als Schutz gegen extreme Polarisierung
Die politische Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger habe in der Schweiz mitgeholfen, eine extreme Polarisierung der Gesellschaft zu verhindern. Dies sagte der Schweizer Innenminister Alain Berset in einem Zeitungsinterview.
Zwar habe es auch in der Schweiz heftige Auseinandersetzungen gegeben, räumte Berset ein, als er auf das Ja des Stimmvolkes zur Initiative «gegen Masseneinwanderung» sowie zu jener für ein Minarettverbot angesprochen wurde. «Zu einer Spaltung hat das aber nie geführt, weil wir wissen, wie man Debatten führt und wie man sie beendet.» Gegen eine Spaltung helfe auch, dass die Schweizer Stimmbürger alle drei Monate über wichtige Themen abstimmten, wobei nicht immer dieselbe Mehrheit über dieselbe Minderheit gewinne.
Dennoch sprach Berset dem Souverän ins Gewissen. «Eine Initiative ist keine Umfrage, um seine Unzufriedenheit auszudrücken, sondern ein politischer Entscheid.»
Gefragt, ob die Schweiz Vorbild für Europa sein solle, antwortete der Bundesrat: «Mehr direkte Demokratie würde der EU guttun, das ist keine neue Erkenntnis. Das haben auch die Gründerväter der EU so gesehen.» Nur stecke direkte Demokratie nicht in den Genen der europäischen Länder, was sich aber ändern könne.
«In der Schweiz wurden direktdemokratische Instrumente nach grossen innenpolitischen Krisen eingeführt: Das Verfassungsreferendum 1848 nach einem Bürgerkrieg, die Initiative 1891 nach dem Kulturkampf, das Proporzwahlrecht 1919 nach dem Generalstreik», rief Berset in Erinnerung.
(Übertragung aus dem Englischen: Renat Kuenzi)
Beliebte Artikel
Mehr
Bundespolitik
Resultate der Abstimmung vom 24. November 2024 in der Schweiz
Welchen Einfluss hatten die jüngsten politischen oder wirtschaftlichen Ereignisse auf Ihr Vertrauen in die Schweizer Regierung?
Die Schweiz, die im Ausland normalerweise für das hohe Vertrauen in ihre Behörden bekannt ist, befindet sich in einer Vertrauenskrise. Wie erklären Sie dies?
Soll der Verkauf von Rohmilch verboten werden oder sollen Konsumentinnen und Konsumenten selbst entscheiden?
In der Schweiz verbietet das Lebensmittelgesetz den Verkauf von Rohmilch zum direkten Verzehr. Ein Schlupfloch erlaubt dies jedoch in 400 Rohmilchautomaten.
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
#Brexit – der demokratische Notruf für Europa
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Mit ihrem historischen Entscheid haben die gut 33 Millionen Teilnehmenden der Abstimmungen aber nicht nur eine Antwort gegeben, sondern auch viele neue Fragen gestellt: zu Grossbritannien, zur Demokratie und zu Europa. Grossbritannien: die Brexit-Abstimmung hält der Gesellschaft der einstigen Weltmacht einen deutlichen Spiegel vor. Das Resultat macht nämlich zwei grosse Bruchlinien deutlich: eine soziale und…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
«Es freut mich sehr, dass die phantastische Idee der Volksgesetzgebung nun auch auf der anderen Seite der Erde fusst fasst». Dies die Antwort des Chefredaktors einer sozialdemokratischen Schweizer Zeitung auf die Zuschrift eines Auswanderers. Es ist das Jahr 1894. In Amerika sorgt eine kleine Schrift des New Yorker Journalisten John W. Sullivan zur Einführung von…
Vom chancenlosen Misstrauenshebel zum Politik-Schreck
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Vor 125 Jahren, am 5. Juli 1891, genehmigten die stimmberechtigten Männer die Revision des dritten Abschnittes der schweizerischen Bundesverfassung. Dieser enthielt als zentrale Neuerung die Volksinitiative auf Bundesebene. Mit ihr konnten 50’000 Stimmberechtigte eine Verfassungsänderung vorschlagen, über die dann sämtliche Stimmberechtigten zu befinden hatten. Nach der späten Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen wurde…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Für Millionen von Britinnen und Briten war es ein böses Erwachen: «We’re out», kommentierte die britische Zeitung «Daily Mirror» am 24. Juni das harte Verdikt des Brexit-Plebiszits. Bei einer für Grossbritannien rekordhohen Stimmbeteiligung von über 72% der gut 46 Millionen Stimmberechtigten hatten sich am Tag zuvor 52% für einen Austritt aus der Europäischen Union ausgesprochen.…
«Der beste Weg zur Eindämmung der Krise der Demokratien»
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die repräsentativen Demokratien machen schwierige Zeiten durch. Vertrauenskrise, Krise der Autorität, aber auch Krise des liberalen, vorsehenden Staates, wie er in der unmittelbaren Nachkriegszeit entstand. Hervorgehend aus einer veritablen Kulturrevolution, welche die westlichen Demokratien seit den 1970er-Jahren wegfegte, blüht seither der Individualismus auf. Er wächst auf den Ruinen des politischen Lebens, dessen Säulen, die Parteien,…
Demokratie oder wenn das Volk doch nicht der Chef ist
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Zwei Parlamentarier mit Herzblut, zwei Rechtsgelehrte ohne professorale Zurückhaltung, ein souveräner Gesprächsführer – und das Juwel als fruchtbarer Anstoss: Die Podiumsdiskussion «125 Jahre Eidgenössische Volksinitiative – eine Erfolgsgeschichte?» von Dienstagabend am Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) bot demokratische Debattierlust und -kultur erster Güte. «So lausig wie das Parlament hat kein Initiativkomitee gearbeitet.» «Das Parlament hat…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Wenn schon keine grosse Feier, so soll das Jubiläum doch wenigstens zum Nachdenken anregen: Welches ist eigentlich die Rolle des Volkes (und seiner Initiative) im Zusammenspiel der demokratischen Kräfte? Und damit in direktem Zusammenhang: Wie soll die Initiative sinnvollerweise ausgestaltet sein? Art. 139 Abs. 2 Bundesverfassung (BV) sieht heute für die Volksinitiative zwei Formen vor: den ausgearbeiteten…
Ihr Abonnement konnte nicht gespeichert werden. Bitte versuchen Sie es erneut.
Fast fertig... Wir müssen Ihre E-Mail-Adresse bestätigen. Um den Anmeldeprozess zu beenden, klicken Sie bitte den Link in der E-Mail an, die wir Ihnen geschickt haben.
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch