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«Korruption darf kein Tabuthema sein»

Hilfsgelder sollen der Bevölkerung zugute kommen - und nicht korrupten Beamten. Reuters

Korruption bekämpfen statt wegschauen: Dies raten Fachleute den Hilfswerken. Ein neuer Ratgeber könnte ihnen dabei behilflich sein, das heikle Thema anzugehen.

Korruptionsfälle erregen Aufsehen: Das Hilfswerk Caritas geriet beim Wiederaufbau nach dem Tsunami in die Schlagzeilen, weil zwei indonesische Unternehmen rund 150’000 Franken für die Bestechung von Behörden reserviert hatten.

Dem Hilfswerk HEKS machte vor einem Jahr eine Veruntreuung zu schaffen. Ein Projektkoordinator in Niger hatte fast eine Million Franken unterschlagen.

Dies sind Einzelfälle. Tatsache aber ist, dass Hilfswerke häufig in einem korrupten Umfeld arbeiten: Bestechung, Schmiergeldzahlungen und Vetternwirtschaft gehören in vielen Ländern zum Alltag. Hinzu kommt, dass Hilfsgelder solche Strukturen unter Umständen fördern können.

«Das Thema war lange tabu», sagt Anne Schwöbel von der auf die Bekämpfung von Korruption spezialisierten Organisation Transparency International Schweiz.

«Nun merken die Hilfswerke und Nichtregierungs-Organisationen, dass sie etwas tun müssen.» Zum einen verhindere Korruption eine effiziente Entwicklungszusammenarbeit, zum anderen untergrabe sie die Glaubwürdigkeit.

Was die Organisationen tun können, war Thema eines NGO-Treffens, das kürzlich in Bern stattgefunden hat. Transparency International Schweiz und die Entwicklungsorganisation «Brot für alle» präsentierten einen gemeinsam entwickelten Anti-Korruptions-Ratgeber.

Dieser enthält unter anderem die Empfehlung, Meldestellen für «Whistleblower» einzurichten. Wenn Mitarbeitende jemanden der Korruption verdächtigten, benötigten sie ein leicht zugängliches Meldesystem, erklärt Schwöbel.

Was, wenn Schmiergelder Leben retten?

Damit es gar nicht erst soweit kommt, sollen Hilfswerke die Spielregeln klar festlegen und dabei auch den Graubereich berücksichtigen. In einem Verhaltenskodex würde dann zum Beispiel stehen, welche Geschenke die Mitarbeitenden annehmen dürfen und welche nicht.

Dass es in der Praxis zu Dilemma-Situationen kommen kann, verschweigt der Ratgeber indes nicht. Er empfiehlt, dies zu thematisieren.

«Wenn ein Hilfswerk seinen Mitarbeitenden verbietet, Schmiergelder zu bezahlen, um bürokratische Abläufe zu beschleunigen, muss es darüber nachdenken, ob Ausnahmen zulässig sind», sagt François Mercier von «Brot für alle».

«Erlaubt die Organisation solches, wenn Leben davon abhängt? Wenn zum Beispiel ein Lebensmitteltransport am Zoll blockiert ist?»

Antworten auf solche Fragen müssen die Hilfswerke selbst finden. Der Ratgeber enthält aber auch Empfehlungen, die einfach umzusetzen sind: eine seriöse Buchführung, Controlling-Strukturen, die gezielte Schulung von Mitarbeitenden.

Besonderes Augenmerk sollen die Hilfswerke auf die lokalen Projektpartner richten. Die Experten raten dazu, die Partner bereits bei der Entwicklung des Anti-Korruptionsprogramms einzubeziehen.

Keine Angst vor negativen Schlagzeilen

All dies ist mit Verwaltungsaufwand verbunden – und steht damit tendenziell im Widerspruch zum Wunsch der Spender, jeden Franken in die Hilfe zu investieren. Für die Experten steht jedoch ausser Frage, dass sich der Aufwand lohnt.

Die meisten Hilfswerke stünden noch am Anfang, sagt François Mercier. Jene, die bereits Massnahmen getroffen hätten, berichteten jedoch von positiven Erfahrungen. Unter den «Fortschrittlichen» ist laut Mercier Caritas. Das Hilfswerk habe mit umfassenden Massnahmen auf die Erfahrungen in Indonesien reagiert.

Ist ein Hilfswerk trotz allem in einen Korruptionsfall verwickelt, raten die Experten zu einer aktiven Kommunikation. Statt zu warten, bis die Medien den Fall aufdecken, soll die betroffene Organisation die Fakten von sich aus auf den Tisch legen.

Dass ihr daraus kein Nachteil entstehe, zeige der Fall HEKS. Die Information über die Veruntreuung in Niger habe zu keinem Spendenrückgang geführt. «Transparenz schafft Vertrauen», sagt Anne Schwöbel. «Man soll auch über Misserfolge berichten.»

Charlotte Walser, swissinfo.ch und InfoSüd

Jemanden bestechen oder sich bestechen lassen wird in der Schweiz mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft.

Mit Gefängnis oder Busse wird auch bestraft, wer einem Amtsträger einen Vorteil anbietet oder gewährt.

Im Jahr 2000 hat die Schweiz die OECD-Konvention gegen Korruption im internationalen Geschäftsverkehr ratifiziert.

Dadurch wurden aktive und passive Bestechung von ausländischen Amtsträgern sowie Bestechung im Privatsektor strafbar.

Im Jahr 2003 unterzeichnete die Schweiz zudem die UNO-Konvention gegen Korruption.

Als Mitglied der OECD unterstützt die Schweiz auch die Pariser Deklaration zur Wirksamkeit von Entwicklungszusammenarbeit von 2005, welche die Korruptionsbekämpfung verstärken und Strategien der Geberstaaten harmonisieren will.

Schliesslich ratifizierte die Schweiz 2006 die Strafrechtskonvention des Europarates über Korruption.

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