Generationen-Clash: So ticken Junge und Alte in der Schweiz
Fünf Generationen leben zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Schweiz zusammen: Die so genannten Maturists oder Traditionalisten, Babyboomer, X, Y und Z. Wir haben zehn interessante Generationen-Unterschiede in der Schweiz gesammelt: Wie ticken Junge im Unterschied zu Älteren?
Ein schickes Auto gehört zu den Träumen aller jungen Menschen, oder etwa nicht? Früher war das vielleicht auch in der Schweiz der Fall. Aber heute gehört ein Auto nicht mehr zu den wichtigsten Lebenszielen junger Schweizer und Schweizerinnen. Immer weniger machen überhaupt den FührerausweisExterner Link.
Das liegt wohl nicht einzig an Generationenunterschieden, sondern hat handfeste Ursachen: Es ist in der Schweiz extrem teuer und aufwändig geworden, eine Fahrerlaubnis zu bekommen. Gleichzeitig wurde der öffentliche Verkehr mit Nachtbussen am WochenendeExterner Link ausgebaut, während Parkplätze vor allem in Städten immer teurer werden. Der Besitz eines Autos ist in der Schweiz damit einfach nicht mehr so attraktiv wie früher – oder wie in anderen Ländern.
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Ein sehr teurer Führerausweis
Car-Sharing, Uber, Airbnb, gemeinschaftliches Wohnen… Teilen statt Besitzen (Sharing EconomyExterner Link) scheint vor allem bei den Generationen Y und Z hip zu sein. Doch die Neue Zürcher Zeitung schrieb in einem KommentarExterner Link, die Millennials verzichteten nicht etwa aus ökologischen und sozialen Überlegungen auf Konsum und Statussymbole – sie seien einfach knapp bei Kasse. Bei der Generation Z ist dies vermutlich nicht anders.
Geldknappheit bei Jungen mag in der Schweiz weniger ein Problem sein als in anderen westlichen Ländern. Der Trend zeigt sich daher auch in abgeschwächter Form: Während in den USA gemäss Jugendbarometer 2018 der Credit SuisseExterner Link 61% der befragten Jugendlichen (16- bis 25-Jährige) einen Sharing-Dienst nutzen, tun es in der Schweiz 43%.
Volksabstimmungen in der Schweiz liefern gute Beispiele für unterschiedliche Wertehaltungen der Generationen. Häufig uneins sind sich Junge und AlteExterner Link vor allem bei Abstimmungen zu Armee und Ausländerpolitik sowie bei sozialpolitischen Themen.
Zum Beispiel hätten die 18- bis 29-Jährigen die Masseneinwanderungsinitiative laut Vox-Analyse mit fast 60 Prozent verworfen; sie wollten also keine Beschränkung der Zuwanderung. Die Jungen sehen in der Personenfreizügigkeit mit der EU möglicherweise mehr berufliche Chancen und Möglichkeiten, während diese für Personen kurz vor der Rente eher eine Bedrohung durch die Konkurrenz europäischer Arbeitnehmer bedeutet.
Die über 60-Jährigen hätten hingegen einer Vorlage zugestimmt, welche steuerliche Nachteile für Ehepaare abschaffen wollte – gleichzeitig aber die Ehe als einen Bund zwischen einem Mann und einer Frau definierte. Vor allem letzteres kam für die Jungen nicht in Frage. Die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexualität ist in den letzten Jahren gestiegenExterner Link – vor allem unter jungen, urbanen DeutschschweizernExterner Link.
Ab den 1960er-Jahren wurde das Eigenheim in der Schweiz sehr beliebt. Es waren vor allem die Generationen der Maturists und BabyboomerExterner Link, die Einfamilienhäuser bauten oder kauften. Ab den 1980er- und 1990-Jahren wurde zudem das Stockwerkeigentum beliebtExterner Link. Dennoch blieb die Eigentumsquote im internationalen Vergleich in der Schweiz niedrig – die Schweizer und Schweizerinnen sind ein Volk von Mietern.
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So wohnen Schweizer und Schweizerinnen
Die Jungen heute hingegen wohnen gemäss der Studie «Schweizer Immobilienmarkt 2017Externer Link» der Credit Suisse häufig in Single-Appartements zur Miete.
Längerfristig träumen allerdings auch Junge vom Eigenheim: In einer Befragung der Schweizer Generation Y hatte für 70% der StudienteilnehmerExterner Link Wohneigentum eine hohe Priorität.
Erstaunlicherweise haben die ganz Jungen einen noch grösseren Wunsch nach Sesshaftigkeit: Gemäss Jugendbarometer 2018 der Credit SuisseExterner Link wünschen sich 84% der Generation Z ein Eigenheim (zum Vergleich: USA 90%, Brasilien 94%, Singapur 92%). Ob sie es sich bei den steigenden ImmobilienpreisenExterner Link bei gleichzeitig stagnierenden LöhnenExterner Link werden leisten können, steht auf einem anderen Blatt.
Junge sind die grösseren Food-WasterExterner Link. Ältere wissen besser, wie sie etwas noch verwerten können.
Das Food-Wasting der Jungen erstaunt. Denn die Generationen Z und Y gelten eigentlich als ökologisch (siehe nächster Punkt).
Auch in der Schweiz gehen Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Strasse. Die Generation Z rüttelt mit ihrem SchülerstreikExterner Link europaweit medienwirksam die Politik auf. Man spricht von «Gretas Generation«, nach der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg. Auch bei der Generation Y zählen in westlichen LändernExterner Link der Klimawandel und die globale Erwärmung zu den grössten Sorgen.
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Gretas Generation
Das zeigt sich auch bei Abstimmungen: Die Jungen hätten den sofortigen Atomausstieg beschlossen sowie die Initiative für eine grüne Wirtschaft angenommen. Sie wurden von den Älteren überstimmt. Doch zur Verteidigung der älteren Generationen sei erwähnt, dass eine Gruppe von Seniorinnen den Schweizer Staat verklagt hat, weil dieser zu wenig gegen die Klimaerwärmung unternehme.
Gemäss einer Generationenstudie in der Schweiz der Universität KonstanzExterner Link ist die Baby Boomer Generation deutlich zufriedener mit ihrer Arbeit als die Generationen X und Y. Die Generation Y ist weniger loyal zum UnternehmenExterner Link als ältere Generationen und sie denkt auch häufiger über eine Kündigung nach. Der Generation Y ist eine gute Work-Life Balance deutlich wichtiger als den anderen beiden Generationen.
Dennoch hat die Generation Y gemäss Studie die grösste Leistungsbereitschaft, dicht gefolgt von der Generation X. Die Baby Boomer Generation zeigt deutlich weniger Arbeitswillen, was allerdings mit der nahenden Pensionierung zusammenhängen könnte. Andere ForschungsarbeitenExterner Link beschreiben die Babyboomer als sehr innovative und lernwillige Generation, die ihren Ruhestand aktiv gestaltet.
Die Jungen haben im Unterschied zu den Älteren wenig Vertrauen in die staatliche Altersvorsorge. Viele sind zudem der Meinung, dass jetzige Rentner bevorzugt werden. Jeder fünfte der Generation YExterner Link ist sogar der Meinung, dass die Altersvorsorge privatisiert werden sollte.
Junge Schweizer und Schweizerinnen sorgen sich sogar mehr um ihre Rente als Junge in anderen LändernExterner Link. Und das zu Recht. Das Schweizer Vorsorgesystem ist zwar sehr grosszügig – deswegen aber auch wenig nachhaltigExterner Link.
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Schweiz altert – Rentensystem ist gefordert
Etwa 93 ProzentExterner Link der noch kinderlosen Frauen und Männer im Alter von 20–29 Jahren wünschen sich Kinder. Das ist mehr, als ältere Generationen tatsächlich Kinder haben: Rund sieben von zehn Frauen (70%) und knapp zwei Drittel der Männer (64%) im Alter von 25 bis 80 Jahren sind Eltern von einem oder mehreren Kindern.
Doch der Kinderwunsch hat sich über die Generationen kaum verändert: In den 1990er-Jahren wollten nur 6,1% der befragten Frauen und 8,9% der MännerExterner Link zwischen 20 und 29 Jahren keine Kinder. Beim Thema Kinderwunsch klaffen also nicht die Generationen auseinander, sondern vielmehr Wunsch und Realität.
Heutige Junge bleiben länger bei den ElternExterner Link wohnen als frühere Generationen. Das hat nicht nur mit längeren Ausbildungszeiten und finanzieller Not zu tun, sondern gemäss einer Umfrage von ComparisExterner Link auch mit Bequemlichkeit: Der erwachsene Nachwuchs schätzt den Wäsche-, Putz- und Kochservice der Eltern. Zudem hat die junge Generation mit ihren Eltern kaum KonflikteExterner Link, es gibt also keinen Grund, auszuziehen.
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