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Wir fragten 12 Auslandschweizer, wie sie aus der Ferne über die Schweiz denken

swissinfo.ch

Schweizerinnen und Schweizer leben über die ganze Welt verstreut. Dank Instagram haben wir einige von ihnen aufgespürt. Wie verändert die Distanz ihre Sicht auf die Schweiz?

Auf InstagramExterner Link markieren Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ihre Bilder mit #WeAreSwissAbroadExterner Link. Dadurch entdecken wir spannende Menschen, die uns ihre Auswanderer-Geschichten erzählen. So sind bis heute mehr als dreissig Porträts entstanden. Sie alle beantworteten diese eine Frage:

«Wie denken Sie aus der Ferne über die Schweiz?»

Nach einer ersten Sammlung der Antworten folgt nun Teil zwei mit Reaktionen von Auswanderern auf den Philippinen, in Neuseeland, in Thailand, in Japan, in der Türkei, in Österreich, in Indonesion, in Portugal, in Kanada und in Grossbritannien.

Doris Hofer, Istanbul / Türkei

  • 2004 der Liebe wegen in die Türkei ausgewandert
  • Hat zwei Kinder
  • Wurde mit Sport- und Ernährungstipps zum Insta-Star

«Wenn Du türkisch redest, fliegen Dir die Herzen zu. Das ist manchmal ganz praktisch und kommt mir vor allem bei TV-Auftritten zugute. Ich habe in der Türkei auch nie Kommentare von Haters kassiert, in der Schweiz hingegen schon. Entweder habe ich das meinem Akzent zu verdanken, oder die Menschen sind hier weniger frustriert.

Ich bin stolz auf mein Land. Wir haben vor allem politisch gesehen eine wichtige Vorbildrolle: Wenn jemand anders denkt, dann darf er seine Meinung auch äussern und vertreten, wenn sie Hand und Fuss hat. Ich liebe das öffentliche Verkehrs- und Entsorgungs-System der Schweiz.»

+ Doris Hofer: Mit Sport- und Ernährungstipps zum Insta-Star

Robert Woodrich, Bangkok / Thailand

  • In Kanada geboren
  • Die Schweizer Staatsbürgerschaft stammt von der Grossmutter mütterlicherseits
  • Ist Mitglied der Schweizerisch-Thailändischen Handelskammer

«Als Teenager begann ich, mich für Politik zu interessieren, und die direkte Demokratie der Schweiz kam meinem ausgeprägten Sinn für Fairness sehr entgegen.

Mein Bild der Schweiz von aussen betrachtet ist vermutlich eher romantisch. In einer Zeit, in der europäische Länder von einer Krise in die nächste schlittern, scheint die Schweiz immer noch eine Art politische Oase zu sein.»

+ Robert Woodrich: «Die Schweiz ist immer noch eine Art politische Oase»

Mann mit Katze auf der Schulter
Robert Woodrich

Eva Witschi, London / Grossbritannien

  • Hat die Schweiz im Juli 2016 zusammen mit ihrem langjährigen Partner verlassen
  • Liess sich zuerst in Birmingham nieder
  • Machte einen Master in «Future Media» und arbeitet als Media Activation Executive in einer internationalen Medienagentur

«Die Schweiz ist ein Palast im Herzen Europas, meine Heimat, ein «Safe Haven», in den ich sehr wahrscheinlich in ein paar Jahren zurückkehren werde, weil ich auch will, dass meine Kinder in einem Palast aufwachsen können.

Ich glaube nicht, dass die Leute in der Schweiz realisieren, dass sie in einem Palast wohnen. Wenn man etwas Distanz erhält, wird einem bewusst, wie kostbar es ist, so behütet aufgewachsen zu sein; wie wenig man für die Uni bezahlen muss und wie kurz die Velofahrten und Gehstrecken sind.»

+ Eva Witschi: Unbezahlbare berufliche Erfahrungen in London

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Emanuel Wenk, Wildon / Österreich

  • Zog 2001 als frischgebackener Vater zum Kind nach Österreich
  • Nach vielen Jahren in der Gastronomie hatte er ein Burnout
  • Heute führt er einen «Gnadenhof» für «ausgesonderte» Nutztiere

«Zwar ist inzwischen mein Sohn auf dem besten Weg, seine eigenen Wege zu gehen, aber den Tieren auf dem Pferdegnandenhof gegenüber habe ich eine so grosse Verantwortung, dass ich nicht an eine Rückkehr in die Schweiz denke.

Ich hatte das Glück, dass ich in einem Land aufwachsen durfte, das so bunt und vielfältig ist wie eine Alpwiese mit Gräsern und Blumen. Materiell vermisse ich nichts in aus der Schweiz. Menschlich vermisse ich einiges: Handschlag-Qualität, Sachlichkeit und Offenheit gegenüber neuen Ideen.»

+ Emanuel Wenk: Ein grosses Herz für Tiere

Madeleine Weiss, Yogyakarta / Indonesien

  • Ist 2015 mit ihrem indonesischen Mann und ihren zwei kleinen Kindern ausgewandert
  • Nach zwei Jahren Rückkehr in die Schweiz geplant
  • Heute unzählige Aufgaben und kleine Verdienstmöglichkeiten

«Käse ist hier Mangelware – manchmal träume ich tagsüber oder auch nachts von den meterlangen Gestellen im Migros oder bei Coop, wo sich x-Sorten von Käse aneinanderreihen… und mir entgegenlächeln. 😉

Was ich an der Schweiz auch besonders gut mag, sind die sauberen Flüsse und Seen, in die man im Sommer springen kann. Irgendwo im Nirgendwo oder aber auch mitten in der Stadt. Was gäbe ich dafür, dass man in den Flüssen der Stadt Yogyakarta baden könnte. Doch das ist aufgrund des Abfalls, der täglich darin entsorgt wird, leider schlicht undenkbar.»


Machen Sie auch mit! (Nach diesem Hinweis finden Sie weitere Porträts und Zitate)

Bilder von Auslandschweizern
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Séverine von Kaenel, Baleal / Portugal

  • 2016 packte sie ihr Leben in einen verrosteten VW-Bus und fuhr nach Portugal
  • Die ersten zwei Monate lebte sie in ihrem Bus und danach in einer WG
  • Heute arbeitet sie als selbständige Masseurin

«Ich habe schon immer positiv über meine Heimat gedacht. Es gibt Dinge, die mich stören, aber die sind nicht für alle gleich relevant. Was ich an der Schweiz extrem schätze: den Frieden – ich habe mich immer sicher und aufgehoben gefühlt –, unseren Bildungstand, unsere Politik (obwohl ich nicht daran interessiert bin), unsere Geschichte, die Offenheit für Kultur und Religionen. Zudem denke ich, dass wir mehrheitlich ein extrem tolerantes Volk sind, und darauf bin ich stolz.

Was mich stört ist der Druck, dem man ausgesetzt ist. Arbeiten, arbeiten, Geld verdienen, Karriere, gut dastehen, usw… Die soziale Einstufung hat nach wie vor zu viel Gewicht, sie schubladisiert die Leute, schränkt sie ein und unterdrückt das wesentliche Potenzial der Leute. Wir kommen langsam vom «Gärtchendenken» ab, aber es kann noch viel besser werden!»

+ Séverine von Kaenel: Im verrosteten Campingbus nach Portugal

Nina Bader, Vancouver / Kanada

  • Sie reiste 2011 erstmals nach Kanada und nennt bis heute ihre Auswanderung «Umzug ins Ausland»
  • Inzwischen hat sie einen Mexikaner als Partner
  • Sie arbeitet für die Schweizer Handelskammer

«Ich finde das Leben hier viel entspannter, die Menschen der Westküste haben einen ganz eigenen Rhythmus. Man sieht hier nicht immer alles so eng. Und man sagt «Thank you», jedes Mal, wenn man den Bus verlässt – macht man das in der Schweiz auch? 🙂

Wer im Ausland lebt, merkt plötzlich, wie unglaublich organisiert, verlässlich und strukturiert wir sind. Ich bin froh, dass ich die Schweiz meine Heimat nennen darf, und ich kehre immer mit grosser Freude zurück.

Auf der anderen Seite finde ich aber auch, dass das Leben in der Schweiz sehr anstrengend ist, da der Leistungs- und Erwartungsdruck sehr hoch ist. Man muss sich immer allen gegenüber beweisen, und wir sind unglaublich streng mit uns selber. Ein bisschen Gelassenheit würde der Schweiz guttun.»

+ Nina Bader: «Das Leben in Vancouver ist viel entspannter»

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Luca Orduña, Tokio / Japan

  • Bereits mit 22 Jahren wanderte er aus
  • Machte sich umgehend mit einem Kollegen selbständig 
  • Er betreibt eine Distributionsfirma für Schweizer Uhren

«Die Schweiz ist und bleibt meine Heimat. Als Schweizer bedeutet es mir viel, ein Schweizer Produkt in Japan verkaufen zu können und täglich Kontakt mit Arbeitskollegen in der Schweiz zu pflegen. Ein Highlight ist es auch, meine japanischen Kunden in die Schweiz an die Basler Uhrenmesse einladen zu können.

Von der Ferne habe ich realisiert, dass die Schweiz sehr gute Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen bietet. Zum Beispiel glaube ich, die Lehre ist ein wichtiger Grundpfeiler und mitunter ein Grund, dass die Schweiz international sehr kompetitiv ist. Im Ausland zu leben, zeigt mir auch immer wieder, dass die Schweiz ein sehr hohes Ansehen im Ausland geniesst und dadurch auch viele Vorteile für die Schweiz entstehen.»

+ Luca Orduña: Schweizer Uhren für die Mega-Stadt Tokio

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Raphael Knopf, Hunterville / Neuseeland

  • 2002 wanderte er via Australien nach Neuseeland aus
  • Er hat einen Sohn und zusammen mit seinem Vater eine Firma 
  • Sie haben 22 Bienenzüchter angestellt und machen Honig von A bis  Z

«Von hier aus betrachtet, scheint das Land gut zu funktionieren. Meine einzige Sorge ist die sozialistische Tendenz und deren Folgen für die nächsten Generationen der Schweizer in der Schweiz.

Als ich nach Neuseeland ging, habe ich nichts gratis erhalten. Wenn ein Fremder in ein anderes Land kommt, muss er selber Schritte unternehmen, um sich zu integrieren, und nicht darauf warten, dass die anderen etwas unternehmen, um ihn zu akzeptieren.»

+ Raphael Knopf: «Mein Häuschen in Neuseeland»

Raphael Knopf
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Coraline Chapatte, Istanbul / Türkei

  • 2008 wollte sie in der Südtürkei eigentlich nur das Tauchbrevet machen
  • Nach drei Jahren am und im Meer lebt sie nun in Istanbul  
  • Hier arbeitet sie als semi-professionelle Triathletin und als Sportcoach

«Spontanität im Alltag und eine gewisse Menschlichkeit vergessen die meisten Schweizerinnen und Schweizer manchmal etwas. Letzthin stoppte ich während einer 80-Kilometer-Ausfahrt per Rennvelo bei einem Fischhändler, aber ich hatte kein Geld dabei. Er packte mir drei Fische ein, die ich ihm zwei, drei Tage später bezahlen ging.

Ich denke, wenn man in der Schweiz lebt, hält man sich für sehr aufgeschlossen. Und man hat auch den Eindruck, die Schweiz habe auf internationalem Niveau immer alles richtig gemacht.

Wenn man aber im Ausland lebt, relativieren sich gewisse historische Tatsachen. Und schliesslich sind wir, generell gesagt, nicht so tolerant, wie wir glauben.»

Coraline Chapatte: Was aus dem «Umweg» über Istanbul wurde…

Manuel Schuster, Boracay / Philippinen

  • 2015 folgte er seiner Freundin auf die Philippinen
  • Er wollte schon immer ortsunabhängig arbeiten  
  • Jetzt ist er selbständiger Online Marketing Manager

«Neben dem Eindruck, dass die Menschen in der Schweiz eher kalt und ein bisschen verklemmt sind, ist der öffentliche Verkehr ein sehr grosser Unterschied. Das Schweizer System funktioniert ganz allgemein viel besser, und trotzdem sind die Menschen in meinen Augen in der Schweiz unglücklicher. Ob das am Wetter liegt? Keine Ahnung! 

Dennoch liebe ich natürlich meine Heimat und die damit verbundene frische Bergluft.»

+ Manuel Schuster: Ein digitaler Nomade in Manila

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Jacqueline Tschumi, Tokio / Japan

  • Eigentlich sollte es 2012 nur eine kurze Ausbildung sein
  • Sie verliebte sich jedoch auf den ersten Blick ins Land
  • Nach der Schweizer Botschaft arbeitet sie nun für Nespresso

«Der wohl grösste Unterschied ist wohl, dass man – oder ich zumindest – in Tokio viel mehr unterwegs ist, es läuft immer etwas, man geht oft auswärts essen oder trinken. In der Schweiz kann man sich dies schlichtweg nicht leisten, und das Angebot ist viel kleiner.

Die Schweiz ist eine Oase mit sehr hohem Lebensstandard – und die Schweizer sind sich überhaupt nicht bewusst, wie gut es ihnen geht, sei es bezüglich Arbeitsverhältnisse, Ferien etc. Ich finde die Schweiz ein sehr schönes und gutes Land, das manchmal jedoch etwas «bünzlig» ist und etwas mehr über den Tellerrand schauen sollte.»

+ Jacqueline Tschumi: «Wenig Flexibilität im japanischen Arbeitsalltag»

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