Abgang des Chefredaktors
Weiteres Kapitel in der Affäre Borer: Mathias Nolte, der Chefredaktor des "SonntagsBlick" tritt per sofort zurück. Als Grund verweist Ringier auf das "belastete Vertrauensverhältnis".
Mit seinem Rücktritt wolle er weiteren Schaden vom Unternehmen abwenden, wird Nolte in einer Mitteilung des Schweizer Medienunternehmens Ringier zitiert. Alexandra Würzbach, die Berliner Korrespondentin von Ringier, habe ebenfalls um ihre Entlassung gebeten, heisst es weiter.
Auslöser: Überraschende Wende in der Affäre
Vor drei Monaten hatte der «SonntagsBlick» die angebliche Affäre des Schweizer Botschafters in Berlin, Thomas Borer, mit der Visagistin Djamile Rowe ins Rampenlicht der Öffentlichkeit gezerrt. In der Folge wurde der Botschafter abgesetzt.
Am vergangenen Sonntag nun hat die angebliche Geliebte des früheren Schweizer Botschafters ihre einst abgegebene eidesstattliche Erklärung über eine sexuelle Beziehung zu Borer ebenfalls eidesstattlich widerrufen.
Die frühere Kronzeugin des «SonntagBlick» machte dem Ringier-Verlag schwere Vorwürfe. Sie sei unter Druck gesetzt worden und Ringier habe ihr einen hohen Geldbetrag angeboten. Ringier seinerseits liess Rowe per einstweiliger Verfügung verbieten, ihre Anschuldigungen zu wiederholen.
Die Krux mit den Fotos
Die Echtheit der im «SonntagsBlick» veröffentlichten Beweisfotos, die Rowe in einem Wagen vor der Schweizer Botschaft zeigen sollen, konnte von Ringier bis heute nicht belegt werden.
Am Donnerstag meldete Schweizer Radio DRS, dass die Berliner Korrespondentin die an Ostern im «SonntagsBlick» publizierten Nacktfotos der angeblichen Borer-Geliebten Djamile Rowe von der deutschen Zeitschrift «Super-Illu» widerrechtlich erworben hatte.
Unter dem Vorwand, für eine Reportage über Ostdeutschland zu recherchieren, gelangte Würzbach ins Archiv von «Super-Illu» und an die Fotos, die 1992 in der Berliner Illustrierten veröffentlicht worden waren. Er glaube, die Fotos seien aus dem Archiv abfotografiert worden, erklärte «Super-Illu»-Rechtsanwalt Stefan Söder gegenüber Radio DRS.
Krasser Verstoss
Was Alexandra Würzbach, die Verfasserin des Textes und Beschafferin der Fotos, angehe, so habe diese krass gegen journalistische Prinzipien verstossen, sagte Ringier-Pressesprecher Fridolin Luchsinger.
Gegenüber Ringier habe sie gesagt, die Frage der Rechte sei geklärt. «Super-Illu» und Ringier schlossen vergangene Woche einen Vergleich ab, nach dem Ringier der Illustrierten für die Urheberrechts-Verletzung einen Schadenersatz bezahlt.
Borer droht mit Klage in den USA
Während das Problem der Urheberrechts-Verletzung beigelegt ist, droht Ringier eine Klage von Thomas Borer: Am Mittwochabend sagte dieser in der Sendung Stern TV des deutschen Privatfernseh-Senders RTL, er wolle dem Ringier-Konzern eine Lektion erteilen, die mehrere Jahre anhalte. Seine Anwälte würden prüfen, ob sie via US-Gerichte gegen den Verlag vorgehen sollten.
Seine US-amerikanische Frau sei schliesslich auch in die Geschichte involviert, unterstrich Borer. Shawne Fielding Borer hatte im Zuge der Affäre diesen Frühling eine Fehlgeburt erlitten.
Neuer Höhepunkt
Der 49-jährige Nolte tritt nach nur einem halben Jahr als Chefredaktor zurück. Mit seinem Rücktritt erlebt die Affäre Borer-Ringier einen weiteren Höhepunkt. Die vorübergehende Führung in der Redaktion des SonntagsBlick übernimmt nach Verlagsangaben Bernhard Weissberg. Der 42jährige ist Leiter des Konzernbereiches Zeitungen und früherer Chefredakteur des Blattes.
Keinen Grund für eine Entschuldigung
Vom Schweizer Aussenministerium (EDA) erwartet das Ehepaar Borer vergebens eine Entschuldigung. Der Bundesrat habe Borer nach Bern zurückversetzt auf Grund verschiedener Kriterien und auf Grund einer Gesamtbeurteilung, sagte EDA-Generalsekretär Walter Thurnherr in einem Bericht von Radio DRS.
Borer sei ein guter Posten in Bern angeboten worden, er habe aber gekündigt. «Für das EDA gibt es keinen Grund sich zu entschuldigen», sagte er. Thurnherr räumte allerdings ein: «Hätte die Geschichte nicht stattgefunden, hätte es nicht eskaliert und dann wäre er heute noch im Amt.»
Die Parteien haben unterschiedlich auf das Köpferollen im Haus Ringier und allfällige weitere Konsequenzen reagiert. Für Ueli Maurer, Präsident der Schweizerischen Volkspartei SVP, ist klar, dass Bundesrat Joseph Deiss die Konsequenzen tragen muss. Für die Christdemokraten darf sich die Geschichte nicht wiederholen, der Freisinn sieht die Möglichkeit, dass Borer rehabilitiert werden könnte.
swissinfo und Agenturen
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