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Abschied vom Bundeshaus

Abschied im Ständeratssaal Keystone

Die Legislatur ist zu Ende. Für 40 Parlamentarier war am Freitag der letzte Arbeitstag in Bern. Sie haben sich zum Abschied aus der nationalen Politik entschieden und kandidieren nicht mehr.

Zwischen Abschiedsparties und letzten Abstimmungen hat sich swissinfo mit fünf zurückgetretenen Parlamentariern unterhalten.

Im Bundeshaus setzte der Reigen der Abschiedeswalzer bereits am Montag ein. Den Auftakt machten die 14 Ständeräte, die sich am 21.Oktober nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Für das gemeinsame Buffet brachte jeder eine Spezialität aus seiner Region mit.

Keine Trauer, aber doch ein wenig Nostalgie machte sich breit. «Es gibt ein Leben nach der Politik; wir müssen jetzt Platz machen für die Jungen», sagte der Waadtländer Sozialdemokrat Michel Béguelin. Er ist mit 71 Jahren der Dekan der Gruppe.

Das Durchschnittsalter der zurückgetretenen Ständeräte beträgt 64 Jahre. Das entspricht dem Pensionsalter. «Es ist der richtige Moment, um Abschied zu nehmen, auch wenn ich diese Arbeit sehr gerne gemacht habe», sagte die freisinnige Zürcherin Trix Heberlein, die insgesamt 16 Jahre im Schweizer Parlament sass, davon die letzten vier Jahre im Ständerat.

Laut Béguelin ist die Kantonskammer (Ständerat) ein «kleiner Klub». Wichtiger als die Zugehörigkeit zu einer Partei sei die «Qualität der Ideen». Ihm tue es Leid, «in Zukunft auf die Präsenz der äusserst interessanten Kollegen verzichten zu müssen.»

Bis zum letzten Tag aktiv

Im anderen Teil des Bundeshauses, wo der Nationalrat tagt, hat man bis am Freitag auf die Abschiedsfeier gewartet. Ein Quintett gestaltete den klassischen musikalischen Rahmen für den Abschluss der Herbstsession und das Ende der Legislatur.

Am Vortag herrschte hier noch parlamentarische Hektik. «Mit 65 Jahren gehe ich nicht aus Altersgründen, sondern um Platz für andere zu machen», sagte der Liberale Jacques-Simon Eggly, bevor er an sein Pult eilte, um an einer Abstimmung teilzunehmen.

Eggly ist keineswegs der älteste Abgeordnete. Doch keiner hat mehr Jahre im Bundeshaus verbracht als er: 14 Jahre als Korrespondent für eine Zeitung, 24 Jahre als Parlamentarier. Das macht insgesamt 38 Jahre.

Pierre Kohler hingegen verlässt die Bundespolitik nach nur einer Legislaturperiode. Der 43-jährige CVP-Nationalrat war von 1993 bis 2002 Regierungsmitglied im Kanton Jura. Sein Abschied aus dem Bundeshaus erfolgt aus persönlichen Gründen.

Weil die Kinderbetreuung nicht gewährleistet war, hätte seine berufstätige Frau auf eine Beförderung verzichten müssen, wenn er weiter Politik in Bern betrieben hätte. So entschied er sich zum Rücktritt – nach 15 Jahren aktiver Politik.

Versprechen eingelöst

Etwas Rührung spürt man bei der grünen Nationalrätin Anne-Catherine Menétray-Savary. Die 69-Jährige hat an ihrem vorletzten Arbeitstag noch vier Vorstösse eingereicht: «Ich musste noch einige Versprechungen einhalten, bevor ich einen Schlussstrich unter die achtjährige parlamentarische Arbeit gezogen habe.»

Es seien leidenschaftliche, aber auch anstrengende Jahre gewesen. «Aber ich bin erleichtert; ich habe meine Zeit nicht verplempert und – so glaube ich- gute Arbeit geleistet», so Menétray-Savary. Nun werde sie sich anderen Tätigkeiten widmen: «Lesen, schreiben, spazieren gehen.»

Jaques-Simon Eggly denkt hingegen überhaupt nicht daran, kürzer zu treten. «Ich habe die Präsidentschaft der Auslandschweizer-Organisation (ASO) übernommen, ich unterrichte in einer Privatschule, ausserdem kümmere ich mich um einige Stiftungen und werde zudem wieder als Journalist tätig sein.»

Kritische Entwicklung

Für alle zurücktretenden Parlamentarier war der Freitag ein wichtiger Tag. Der lange Abschied vom Bundeshaus hatte allerdings schon vor einigen Monaten begonnen, als einige Bisherige sich in den Wahlkampf für eine erneute Kandidatur stürzten, während die anderen zu Beobachtern eines «immer schlechteren politischen Klimas» (Kohler) wurden.

Die zunehmende Polarisierung sei nicht mit der Schweizer Tradition vereinbar, meint Kohler. Und für Menétray-Savary konzentriert sich die politische Debatte «leider nicht mehr auf Programme und Ideen, sondern ist zum Schlagabtausch von Positionen verkommen.»

«Die Dinge ändern sich», meint Eggly. «Heute ist alles komplizierter geworden, auch wenn wir immer noch ein Milizparlament sind. Doch gerade die Jungen sind häufig schon Berufspolitiker.» Ihnen übergebe man nicht nur ein moralisches Erbe, sondern auch «einen Berg von Papier», so Menétray-Savary.

swissinfo, Doris Lucini
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Das Schweizer Parlament ist ein Milizparlament. Die Amtszeit der Parlamentarier ist nicht beschränkt.

Einige Parteien verlangen aber von ihren Vertretern, nicht länger als drei Legislaturperioden (12 Jahre) im Parlament einzusitzen.

Soeben ist die 47.Legislatur zu Ende gegangen. 24 von 200 Nationalräten verzichten auf eine erneute Kandidatur.

Im Ständerat verzichten14 Bisherige.

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