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Alain Claude Sulzer: «Im Literaturbetrieb bin ich gut positioniert»

Der Verleihung des Schweizer Buchpreises am 10. November schaut Alain Claude Sulzer gelassen entgegen. Nur schon der Platz auf der Shortlist wirke verkaufsfördernd, sagt er. Mit seinem Werk "Unhaltbare Zustände" ist er als einziger Mann neben vier Autorinnen nominiert. Keystone/GEORGIOS KEFALAS sda-ats

(Keystone-SDA) Alain Claude Sulzer ist mit seinem Roman «Unhaltbare Zustände» für den Schweizer Buchpreis nominiert. Mit seinen 66 Jahren ist er ein alter Hase im Literaturbetrieb. Anwärter für den Preis ist er bereits zum zweiten Mal.

Man kennt ihn in der Bar in Kleinbasel. Ein «Ciao» hier, ein «Come va?» dort. Alain Claude Sulzer sitzt an einem Bistrotisch, das kleingemusterte Hemd hochgeschlossen, korrekter Sakko mit Füllfeder in der Brusttasche; der Mund ein Strich, die Augen wach.

Mit der Schweiz verbunden

«Ich bin viel hier, treffe mich mit Musikern des Basler Kammerorchesters oder des Sinfonieorchesters», erzählt er, der offensichtlich eine Affinität zur klassischen Musik hat. Das scheint auch in seinem aktuellen Roman durch: «Meine Interessen beschränken sich auf klassische Musik und Literatur…», heisst es vom 16-jährigen Ich-Erzähler im Roman, den man durchaus als fiktionales Alter Ego des Autors lesen kann. Zudem ist die zweite Hauptfigur im Roman Pianistin bei einem deutschen Radiosender. Ihr berufliches Tun, ihr Repertoire, ihre Gedanken zu Interpretationen werden thematisiert.

«Ich habe immer wieder mit Musik zu tun», erzählt Sulzer. So schreibt er hin und wieder Einführungen oder jüngst hat er Texte zu Ludwig van Beethovens «Die Geschöpfe des Prometheus» beigesteuert für die Aufführungen des Basler Sinfonieorchesters.

Lange Karriere als Schriftsteller

Sulzer – im Gespräch ringt er sich nur selten ein Lächeln ab – zeigt sich unaufgeregt und vermittelt den Eindruck, als Autor ruhe er in sich selbst. Im Lauf seiner mittlerweile jahrzehntelangen und beachtlichen Karriere als Schriftsteller hat er neun Romane, eine Novelle, Erzählungen, Essays und Prosa-Betrachtungen vorgelegt. «Im Literaturbetrieb bin ich gut positioniert.»

Dabei hat ihn die Literaturkritik lange zur Autorengeneration «im Schatten der Vorgänger» gezählt. Gemeint sind jene Autoren, die nach den Grossen kamen, nach Max Frisch oder Friedrich Dürrenmatt. Etwas ungehalten betrachtet er dieses Schubladendenken als «Konstrukt». Dennoch hat es einige Jahre gedauert, bis seine Bücher breit wahrgenommen wurden. Sein erster Roman «Das Erwachsenengerüst» erschien 1983. Er selbst sagt: «Seit zwölf Jahren verkaufe ich gut.»

Entsprechend kann er einiges an Preisen und Auszeichnungen vorweisen: zuletzt den Literaturpreis des Freien Deutschen Autorenverbands (2014), den Kulturpreis der Stadt Basel (2013) oder den Hermann-Hesse-Preis (2009); für seinen Roman «Ein perfekter Kellner» bekam er 2005 den Preis der Schillerstiftung. «Ich weiss, was ich kann und was ich nicht kann», sagt er.

Abgeklärt wirkt denn auch seine Haltung zur Nominierung für den Schweizer Buchpreis. Bereits 2014 schaffte er es auf die Shortlist mit seinem Roman «Aus den Fugen», bekam den Preis dann aber nicht. Heute sagt er: «Ich lasse das auf mich zukommen.» Aber er räumt ein, dass er sich eigentlich gar nicht mehr um den Preis bewerben wollte.

Bemerkenswert ist, warum er es dennoch tut: «Der Schweizer Buchpreis ist wichtig, nicht zuletzt, weil er verkaufsfördernd wirkt. Er hilft also auch dem Verlag.» – mithin jenem Akteur in einem schwächelnden Buchmarkt, der wie der Autor zu kämpfen hat. In Sulzers Fall ist das der Galiani Verlag in Berlin. Im Übrigen, so Sulzer weiter, «hilft für die Wahrnehmung im breiten Publikum schon der Platz auf der Shortlist».

Sprung in den deutschsprachigen Raum

Beim Galiani Verlag ist Sulzer nun schon seit rund einem Jahrzehnt; und auch vorher hat er bis auf wenige Ausnahmen seine Werke deutschen Verlagen anvertraut. Mit gutem Grund. «Der Galiani Verlag ist auf den deutschen Markt ausgerichtet. Für einen kleinen Schweizer Verlag dürfte es hingegen schwierig sein, auf dem grossen deutschsprachigen Markt von den überregionalen Medien überhaupt wahrgenommen zu werden», sagt der Schweizer Autor, der in Basel, Berlin und im Elsass lebt und den Sprung in den deutschsprachigen Raum sehr früh geschafft hat.

Dabei sagt er, er lasse sich vom Literaturbetrieb nicht beeinflussen, weder in der Schweiz, noch in Berlin oder Köln, einem seiner früheren Wohnorte. «Die Bücher, die ich schreiben will, schreibe ich.» – Was allerdings nicht heissen will, dass er nicht auch schon gescheitert sei mit Ideen, die anfangs sehr gut gewesen seien, dann aber doch nie zum Buch geworden sind. «Bedrängt» fühle er sich dabei «von besseren Büchern, von besseren Ideen».

Literatur ist für ihn, was er als Autor tut. Und für den Leser? «Das was ihn in eine andere Gegenwart, in die Vergangenheit oder in die Zukunft versetzt. Den Autor muss der Leser gar nicht kennen». Sulzer sagt es, verabschiedet sich und meint: «Ich muss noch kochen.» Neben der Musik ist auch das eine Leidenschaft, die ihren Niederschlag in seinem literarischen Schaffen gefunden hat. Doch das wäre ein weiteres Gespräch.*

*Dieser Text von Andrea Fiedler, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

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