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Klare Sprache und viel Herz: Willi Ritschard würde 100 Jahre alt

Der frühere Bundesrat Willi Ritschard in seinem Büro in Bern. Der erste "Büezer" im Bundesrat würde am morgigen Freitag 100 Jahre alt. (Archivbild von 1977) KEYSTONE/STR sda-ats

(Keystone-SDA) Er war ein überzeugter Sozialdemokrat und im besten Sinn populär: Der frühere Bundesrat Willi Ritschard würde am Freitag 100 Jahre alt. Der Solothurner mit träfer Sprache verstarb 1983 – wenige Tage nach Bekanntgabe seines Rücktritts.

«Ich habe mich mit Gymnastik, Schwimmen, Wandern und auch Merlot sehr gut erholt», sagte Ritschard nach einer Erholungskur im Tessin. Er hatte 1979 auf dem Schulreisli des Bundesrats eine Herzschwäche erlitten.

Nur vier Jahre später erlitt Ritschard in den Jurabergen auf einer Sonntagswanderung mit seiner Frau und Freunden erneut eine Herzschwäche – und verstarb. Das war am 16. Oktober 1983.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Politiker bereits seinen Rücktritt aus der Landesregierung auf Ende 1983 bekanntgegeben. Das war nur wenige Tage nach seinem 65. Geburtstag am 28. September.

In seiner Bundesratszeit von 1974 bis 1983 hatte Ritschard zuerst das Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement geleitet und ab 1980 das Finanzdepartement, wo er schon damals mit Geldknappheit rang.

Erster «Büezer» im Bundesrat

«Wem es jetzt, angesichts der roten Zahlen unserer grünen Staatsrechnung, nicht schwarz vor den Augen wird, der ist entweder blind – oder dann kann man ihm auch sonst nicht mehr helfen», kommentierte er das Defizit in der Staatsrechnung 1979.

Ritschard war 1973 als nicht offizieller Kandidat in den Bundesrat gewählt worden. Exekutiverfahrung brachte der gelernte Heizungsmonteur und spätere Gewerkschaftssekretär als damaliger Solothurner Regierungsrat mit.

Doch er musste bei seiner Wahl, die er am Fernseher verfolgt hatte, eiligst nach Bern chauffiert werden. Ritschard – der erste «Büezer» in der Landesregierung.

Der Grosse der kleinen Leute

Populär wurde Ritschard im Bundesrat, weil er seine einfache Herkunft als Sohn eines Schuhmachers nie verleugnete und der glaubwürdige Vertreter der kleinen Leute blieb. Ritschard kämpfte für einen Staat, der seinen sozialen Pflichten nachkommen kann.

Er tat dies mit einer Sprache, die im Volk verstanden wurde. Der AKW-Befürworter Ritschard machte nicht nur träfe Sprüche wie: «Was nützt der Tiger im Tank, wenn ein Esel am Steuer sitzt.» Er sagte auch, dass für ihn Sozialabbau ein «Abbau an Freiheit» sei.

Als nach Ritschards Tod 1983 im Bundeshaus ein Kondolenzbuch aufgelegt wurde, trugen sich innert drei Tagen weit über 10’000 Menschen ein. Auch die offizielle Trauerfeier in der Solothurner St.-Ursen-Kathedrale wurde zum bewegenden Ereignis.

Willi Ritschard war der 22. Bundesrat, der im Amt starb. In Luterbach, seinem Wohnort, trägt heute eine Quartierstrasse seinen Namen.

Bonmots für die Ewigkeit

Ritschards Nachfolge trat nach dramatischem Ringen schliesslich ebenfalls ein Solothurner Sozialdemokrat an: Otto Stich (1927-2012). Auch Ritschards Sohn Rolf hinterliess Spuren in der Politik: Er gehörte von 1988 bis Mitte 2005 dem Solothurner Regierungsrat an. Wie sein Vater verstarb auch er auf einem Spaziergang, im Jahr 2007 im Alter von 63 Jahren.

«Nicht jeder, der schweigt, ist ein Philosoph. Es gibt auch verschlossene Schränke, die leer sind», sagte Politstar «Willi national» in einem Vortrag vor Coop-Delegierten 1977 in Luzern. Und noch ein Spruch von Ritschard für die Ewigkeit: «Die Schweizer sind eben ein Volk, das früher aufsteht, aber spät erwacht.»

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