Schloss Thun zeigt Souvenirkeramik aus der Belle Epoque
(Keystone-SDA) Das Museum Schloss Thun geht in seiner soeben angelaufenen Sonderausstellung hart an die Grenze des guten Geschmacks. Zu sehen ist einheimische Souvenirkeramik aus der Belle Epoque. Lauter Kitsch – oder etwa doch Kunst?
Anders als heute war Thun im ausgehenden 19. Jahrhundert der grosse Tourismusmagnet im Berner Oberland. In den Nobelhotels genoss die internationale «Haute Volée» die Sommerfrische am See.
Die Industrielle Revolution hatte dem Bürgertum Reichtum und mehr Freizeit beschert. Immer bessere Verkehrswege erschlossen Gebiete im Voralpen- und Alpenraum.
Vergnügungsreisen lagen im Trend, denn die reichen Herrschaften wollten sich gelegentlich ganz gerne vom Flanieren auf den Boulevards der Metropolen und den Besuchen in Cafés, Cabarets, Galerien und Salons erholen.
Und den Feriengästen von damals erging es nicht anders als uns heute: sie wollten Andenken mit nach Hause nehmen. Die Nachfrage nach exotischer Volkskunst stieg rasch an.
Findige Hafner
Was gut klingt, verkauft sich gut, dachten sich wohl auch die regionalen Hafner und erfanden für ihre Tonware flugs den wohlklingenden Begriff «Thuner Majolika». Prompt verkaufte sich die Irdenware wie warme Semmel.
Die Werkstätten folgten dem Trend nach immer exotischeren Kombinationen und Formen ihrer bunt verzierten Gefässe und Teller. Die Bandbreite von Neuschöpfungen ist erstaunlich.
Man liess sich im fernen Thun gar von exotischen Vorlagen der orientalischen Welt und des Fernen Ostens inspirieren. Selbst die damals sensationellen archäologischen Gefässformen aus Troja dienten als Vorlage: natürlich verziert mit Alpenros› und Edelweiss.
Fern aller Realität
Zu den bekanntesten Stilblüten dieser Kunst gehörten die Vedutenteller. Hier vereinigten sich keramisches Erzeugnis und klassische Vedutenmalerei. Zu den Vedutenmalern gehörten auch später bekannte Künstler wie Ferdinand Hodler, wie das Schlossmuseum Thun in einer Mitteilung schreibt.
Die Wandteller wurden auch nach individuellen Kundenwünschen bemalt. Geometrische und florale Randmuster mit Edelweisssujets trafen auf die in Ölmalerei hinzugefügte Tellskapelle mit Alpenpanorama oder auf romantisch verklärtes Hirtenleben im wilden Rosenlauital.
Als Gebrauchsgeschirr taugten die bisweilen bizarren Töpferwaren nicht – sie hatte nur einen Zweck, schön auszusehen. Damit stellt die Souvenirkeramik eine ganz eigene Gattung dar, jenseits jeder Realität und mitunter auch jenseits des guten Geschmacks.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs setzte allerdings der rasche Niedergang des Fremdenverkehrs ein und damit war auch das Ende der schrecklich schönen Andenken aus Thun besiegelt.
Die spezielle Souvenirkeramik der Belle Epoque präsentiert das Museum Schloss Thun mit offensichtlicher Freude und etwas Augenzwinkern. Die Sonderausstellung dauert bis Ende Jahr.
www.schlossthun.ch