Schweiz altert – Rentensystem ist gefordert
Seit fast 70 Jahren garantiert die Alters- und Hinterlassenenversicherung Pensionierten eine angemessene Rente. Doch das Pensionssystem hat offenbar Mühe, die demografische Entwicklung abzufedern. Eine grafische Analyse.
2016 ist ein wichtiges Jahr für die Zukunft des Schweizer Systems der Altersvorsorge. Das Parlament diskutiert das Projekt «Altersvorsorge 2020»Externer Link, und Ende September kann sich das Stimmvolk zur Volksinitiative «AHVplus: für eine starke AHV»Externer Link äussern, die einen Zuschlag von 10 Prozent auf bisherige Renten verlangt.
Einer der zentralen Punkte der Rentenreform ist die Erhöhung des Rentenalters für Frauen von 64 auf 65 Jahre, wie es heute bei den Männern bereits der Fall ist. Das effektive Pensionsalter entspricht aber oft nicht dem gesetzlich vorgesehenen, wie die folgende Grafik zeigt: In der Schweiz verlässt ein Mann den Arbeitsmarkt im Durchschnitt mit 66,3 Jahren.
Die Unsicherheiten, mit denen das Schweizer Rentensystem in Zukunft kämpfen muss – und generell in allen westlichen, aber auch in anderen Ländern –, sind allesamt der Demografie geschuldet. Die Gesellschaft altert, die Lebenserwartung nimmt zu und die Kindersterblichkeit ab.
1948, als die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) eingeführt wurde, kamen auf jede pensionierte Person mehr als sieben Erwerbstätige zwischen 20 und 64 Jahren. Heute sind es noch 3,4 Personen, und für die Mitte dieses Jahrhunderts wird eine Quote von gegen 2:1 erwartet. Besonders in den Jahren zwischen 2020 und 2030 wird der Anteil Erwerbstätiger dramatisch abnehmen, wenn die Babyboomer-Generation in Pension gehen wird.
Bis heute hat die Abnahme der so genannten Abhängigkeitsquote keine Auswirkungen auf die Finanzen der AHV. Mehr Produktivität und höhere Löhne kompensierten dies. Während 1950 noch 7,3 Personen nötig waren, um eine Rente von 595 Franken zu finanzieren (die Maximalrente zu jener Zeit), sind es heute noch 1,7 Personen.
Die Befürworter der AHVplus-Initiative schreiben in ihrer Broschüre, dank der wirtschaftlichen Entwicklung könne die AHV mehr und höhere Renten generieren und auch in Zukunft die demografische Alterung bewirtschaften.
In ihrer Botschaft zur Altersvorsorge 2020Externer Link an das Parlament kommt die Regierung zu einem anderen Schluss: Laut dem wahrscheinlichsten Szenario geraten die Finanzen der AHV ab 2020 «aus dem Gleichgewicht. Bis im Jahr 2030 steigt die jährliche Finanzierungslücke der AHV auf rund 8,3 Milliarden Franken».
Die folgende Grafik zeigt die Entwicklung der Finanzen der AHV seit ihrer Einführung 1948 und die Finanzplanung ohne die von der Regierung vorgeschlagene Reform. Die Differenz zwischen den Einnahmen (Abzüge von den Bruttolöhnen) und den Ausgaben (Renten), im Versicherungs-Jargon «Umlageergebnis» genannt, ist in Schwarz dargestellt.
Gemäss den Berechnungen der Eidgenossenschaft wird die Reform, über die das Parlament gegenwärtig debattiert, nicht alle Verluste auffangen können. Doch damit soll das Defizit 2030 nicht 8,3 Milliarden pro Jahr, sondern nur noch etwas über eine Milliarde jährlich betragen.
Ein weiteres Element, das bis heute die Auswirkungen der tieferen Geburtenrate und der höheren Lebenserwartung auf die Altersvorsorge abfedern konnte, ist die Einwanderung. Ohne die Beiträge eingewanderter Arbeitskräfte wäre die Bilanz der AHV seit 2001 negativ, sagt die Regierung.
Wie die folgende Grafik zeigt, sind proportional mehr Ausländerinnen und Ausländer im arbeitsfähigen Alter als Schweizerinnen und Schweizer.
Ist die Erhöhung des Rentenalters ein unumgänglicher Schritt zur Bewältigung des Bevölkerungswachstums? Oder sehen Sie andere Lösungen? Sagen Sie uns Ihre Meinung.
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(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)
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