Amnesty International prangert Gewalt in Bundesasylzentren an
(Keystone-SDA) Amnesty International prangert im Jahresbericht 2021 Missstände in Schweizer Bundesasylzentren an. Ausserdem seien durch Volksabstimmungen ein «drakonisches Antiterrorgesetz» und ein Verhüllungsverbot in der Öffentlichkeit bestätigt worden.
Amnesty International hatte in einem Bericht vom Mai 2021 schwerwiegende Missstände in den Bundesasylzentren offengelegt, die auf strukturelle Versäumnisse der Behörden hinweisen, wie es in dem am Dienstag veröffentlichten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation zur Lage in 154 untersuchten Staaten heisst.
Die von Amnesty dokumentierte Gewalt gegen Asylsuchende durch privates Sicherheitspersonal in Bundesasylzentren sei so schwerwiegend gewesen, dass sie in einzelnen Fällen an Folter oder andere Misshandlungen reichen könne.
Es fehle eine funktionierende Anlaufstelle und ein effektiver Schutz für Whistleblowerinnen und -blower, die Missstände in den Zentren melden, sagte damals Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty Schweiz. Es brauche einen unabhängigen Beschwerdemechanismus für die Opfer von Gewalt.
Seither hätten die Behörden reagiert, anerkennt Amnesty Schweiz in einer Mitteilung zum Jahresbericht. «Unsere Kritik an der Behandlung von Asylsuchenden hat den Schwächsten eine Stimme gegeben. Wichtige Änderungen wurden seither von den Behörden angestossen, die nachhaltige Verbesserungen für Schutzsuchende zur Folge haben können», wird Karle zitiert.
Fehlende richterliche Kontrolle
Die Menschenrechtsorganisation lässt auch kein gutes Haar an dem im Juni 2021 vom Volk angenommenen neuen Antiterrorgesetz: Es räume der Bundespolizei weitreichende Befugnisse ein, meist ohne vorherige richterliche Kontrolle und ohne ordnungsgemässe Verfahrensgarantien, heisst es im Jahresbericht.
Die Massnahmen einschliesslich der Verwendung von Fussfesseln, Kontaktverboten, Rayonverboten und präventivem Hausarrest – drohten das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person, das Recht auf ein faires Verfahren und die Kinderrechte zu verletzen. Viele der Massnahmen könnten bereits auf Kinder ab zwölf Jahren angewendet werden, kritisiert Amnesty.
Das Verhüllungsverbot, das im März 2021 in einer Volksinitiative von einer knappen Mehrheit angenommen wurde, diskriminiere einzelne Religionsgemeinschaften und verstosse gegen die Frauenrechte, die Meinungsfreiheit und die Religionsfreiheit, bemängelt Amnesty weiter. Die neue Regelung verbietet das Tragen von Burka, Nikab und anderen Formen der Gesichtsverhüllung.
Und schliesslich habe die Räumung eines friedlichen Protestlagers am 1. April vergangenen Jahres in Eclépens im Kanton Waadt das Recht auf Versammlungsfreiheit, freie Meinungsäusserung und Gewissensfreiheit verletzt. Von 150 vorübergehend festgenommenen Umweltaktivistinnen und -aktivisten, die sich gegen die Erweiterung eines Steinbruchs des Zementherstellers Holcim gewehrt hätten, seien 43 zu Haftstrafen verurteilt worden.