Antibiotika auf dem Teller
Aus China importiertes Poulet-Fleisch enthält mehr Antibiotika-Rückstände als erwartet. Eine unmittelbare Gefahr für den Menschen besteht offenbar nicht.
Wer Fleisch isst, hat es je länger je schwieriger. Nach dem Kalb-, Schweine- und Rindfleisch ist in jüngster Zeit nun auch noch das aus China importierte Pouletfleisch in Verruf geraten: Es ist mit Antibiotika kontaminiert. Laut Auskunft des Bundesamts für Landwirtschaft wurden im vergangenen Jahr in der Schweiz insgesamt 66’300 Tonnen Geflügel verzehrt. Rund 13’600 Tonnen stammten aus chinesischer Produktion.
Bereits am Mittwoch vergangener Woche verfügte der Bund einen sofortigen Importstopp für Geflügel aus dem Reich der Mitte, nachdem in 6 von 50 Fleischproben Antibiotika nachgewiesen worden war. Die beiden Schweizer Grossverteiler Migros und Coop hatten schon vorher aufgrund eigener Tests das China-Pouletfleisch aus den Regalen entfernt.
Mehr Antibiotika als angenommen
Eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung der kantonalen Labors der beiden Basel und Zürichs zeigt, dass das chinesische Pouletfleisch offenbar wesentlich mehr Antibiotika-Rückstände aufweist, als dies aufgrund der ersten Tests angenommen wurde. Die Labors fanden in nicht weniger als 38 der insgesamt 62 analysierten Proben entsprechende Spuren.
In 29 Fällen wurde das Antibiotikum Enrofloxacin nachgewiesen. Der in der Schweiz geltende Grenzwert von 30 Mikrogramm pro Kilogramm war dreimal überschritten worden. In 9 weiteren Proben fanden die Kantonslabors Spuren anderer Medikamente, darunter das in der Schweiz und in der EU verbotene Antibiotikum Chloramphenicol.
Heilmittel und Wachstumsförderer
Prinzipiell gibt es zwei Gründe, weshalb Züchter an Hühner Antibiotika verfüttern: entweder zur Behandlung von bakteriellen Erkrankungen oder zur Wachstums-Förderung. Während in der Schweiz der medizinische Einsatz von gewissen Antibiotika erlaubt ist, untersteht deren Gebrauch als Leistungsförderer seit Anfang 1999 einem generellen Verbot.
Anders in China und auch in den USA, wo keinerlei derartige Bestimmungen bestehen. Sowohl Enrofloxacin als auch Chloramphenicol werden zur Leistungssteigerung eingesetzt – ganz nach der Devise, möglichst billig möglichst viel zu produzieren.
Gefahr der Resistenzbildung
Die Verfütterung von Antibiotika zur Leistungssteigerung sei gefährlich, warnt Hanspeter Nägeli vom Institut für Veterinär-Pharmakologie und -Toxikologie an der Universität Zürich. Indem man Antibiotika verfüttere, würden die Tiere gegen diese Medikamente resistent. Das Resultat: Kranke Tiere können nicht mehr behandelt werden.
Unklar ist die Rolle, welche gegen Antibiotika resistente Bakterien tierischen Ursprungs in der Humanmedizin spielen. Aus sporadischen Untersuchungen weiss man, dass resistente Bakterien vom Tier auf den Menschen übertragen werden können. Nicht bekannt ist hingegen, wie oft solche Übertragungen tatsächlich stattfinden und ob sie – wenn überhaupt – beim Menschen Antibiotika-Resistenzen verursachen und damit dessen Gesundheit gefährden.
So glaubt auch Hanspeter Nägeli nicht, dass über das kontaminierte chinesische Geflügel beim Menschen Resistenz-Bildungen ausgelöst werden können: «Das ist sehr, sehr unwahrscheinlich. Bilden sich beim Menschen resistente Bakterien, so geschieht dies in der Regel dann, wenn kranke Leute Antibiotika zu sich nehmen müssen. Es ist deshalb enorm wichtig, Antibiotika mit grösster Zurückhaltung zu verschreiben.»
Das chinesische Poulet könnte beim Menschen laut Nägeli allenfalls zu Durchfall führen: «Isst jemand über Jahre hinweg derartiges Poulet in grosser Menge, könnte sich die Darmflora verändern.»
Die Kontrollen gehen weiter
Vorläufig bleibt der Importstopp für China-Geflügel bestehen – und die Kontrollen gehen weiter. Nach China werden nun auch andere Herkunftsländer unter die Lupe genommen – unter ihnen EU-Länder und die Schweiz. Neben dem Geflügel soll auch anderes Fleisch auf Antibiotika-Spuren untersucht werden.
Felix Münger
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