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Angst vor tiefen Löhnen

Polen in der EU. Die Schweizer Gewerkschaften befürchten Lohndumping durch die EU-Osterweiterung. Keystone

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) befürchtet, dass die EU-Osterweiterung mit einem Lohn- und Sozialdumping einhergehen wird.

Aber die Arbeitgeberverbände in der Schweiz sind gegen flankierende Massnahmen bei den Bilateralen Verträgen.

Der SGB befürchtet negative Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt

Er verlangt, dass die heutingen Beschränkungen während einer Übergangsfrist aufrecht erhalten werden.

Demzufolge dürfen ausländische Arbeitnehmer nur eingestellt werden, wenn in der Schweiz keine gleich qualifizierten Kräfte gefunden werden können.

Genau das will der SGB. Die Gewerkschaft will eine Ausdehnung der Bilateralen Verträge auf die neuen EU-Mitglieder aus Osteuropa nur unterstützen, wenn flankierende Massnahmen ergriffen werden.

Das Zusammenwachsen von West- und Osteuropa sei eines der positiven Projekte der gegenwärtigen EU-Politik, sagte SGB-Präsident Paul Rechsteiner.

Voraussetzung für eine Zustimmung der Gewerkschaften seien aber wirksame Massnahmen gegen den Druck auf die Arbeitsbedingungen.

Grosse soziale Unterschiede

Serge Gaillard, geschäftsführender Sekretär des SGB, wies auf die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den jetzigen EU-Mitgliedländern und den zehn osteuropäischen Beitrittskandidaten hin.

Deren Bruttoinlandprodukt pro Kopf der Bevölkerung betrage nur gerade zwischen 30 und 71 Prozent des EU-Durchschnitts.

Verglichen mit der Schweiz seien die Unterschiede noch grösser. Die Mindestlöhne pro Monat in Polen betrügen lediglich 160 Euro (240 Franken). Auch sei die Arbeitslosigkeit – abgesehen von Ungarn und Slowenien – sehr hoch. Diese betrug etwa im Jahr 2000 in Polen 16,7 Prozent und in der Slowakei 18,9 Prozent.

Referendum möglich

Der SGB will deshalb den Entscheid des Parlaments zur Ausdehnung der Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU nur unter bestimmten Bedingungen unterstützen. Der Entscheid unterliegt dem fakultativen Referendum.

Zum einen verlangt der SGB, dass während einer Übergangsfrist die heutigen Beschränkungen aufrecht erhalten werden. Demzufolge dürfen ausländische Arbeitnehmer lediglich dann eingestellt werden, wenn in der Schweiz niemand Gleichwertiges gefunden werden konnte. Auch gelten Kontingente für die Einstellung von Ausländern.

Der SGB fordert zudem Inspektoren, welche die Arbeitsbedingungen in den Kantonen auf Missbräuche untersuchen. Sie sollen die zuständigen kantonalen Kommissionen aus Sozialpartnern und Behörden bei ihrer Arbeit unterstützen.

Beispiel Deutschland

Ein Blick nach Deutschland zeige, welche Auswirkungen eine Ausdehnung der Bilateralen ohne flankierende Massnahmen haben könne.

Im dortigen Baugewerbe sei ein regelrechter «Verluderungs-Prozess» feststellbar. Alleine aus Polen würden bis zu 100 000 illegale Wanderarbeiter zu tarifwidrigen Bedingungen beschäftigt.

Insbesondere drei Branchen seien besonders gefährdet: das Gastgewerbe, die Landwirtschaft und das Transportgewerbe.

Bilaterale aufs Spiel setzten

Die Arbeitgeberverbände economiesuisse und Schweizerischer Arbeitgeberverband halten nichts von der Idee der Gewerkschaften, die Ausdehnung der Bilateralen Verträge mit der EU an weitere Bedingungen zu knüpfen.

Die vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) vorgeschlagenen Massnahmen seien Manöver, die die politische Akzeptanz des gesamten bilateralen Vertragspakets mit der EU aufs Spiel setzen würden, schreiben die beiden Verbände in einer gemeinsamen Mitteilung.

Vorteile für die Schweiz

Der Schutz vor Lohndruck sei auch ohne Nachbesserungen gewährleistet. Bei grossen Differenzen zu in der Schweiz orts- und branchenüblichen Löhnen könnten die gesetzlich vorgesehenen Massnahmen ergriffen werden, bis hin zum Erlass von Mindestlöhnen.

Daher seien die Dachverbände nicht bereit, sich auf weitere innenpolitische Diskussionen einzulassen. Die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf die 10 neuen EU-Länder bringe der Schweiz klare Vorteile. Der Arbeitsmarkt werde flexibler, der seit Jahren wachsende Handel mit den neuen Ländern stimuliert.

swissinfo und Agenturen

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