Arbeitslosigkeit in der Schweiz im Vormarsch
Wie die Konjunktur hat sich zum Jahresende 2008 auch die Lage am Schweizer Arbeitsmarkt markant verschlechtert. Die Arbeitslosenquote erreichte im Dezember mit 3,0 Prozent den höchsten Wert seit fast zwei Jahren.
Ende vergangenen Dezember waren in der Schweiz 118’762 Menschen als arbeitslos gemeldet, 11’110 mehr als im Vormonat.
Die Zunahme war damit höher als von Ökonomen und vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) erwartet. Mehr Menschen waren letztmals im Februar 2007 arbeitslos.
Erstmals seit 2003 ist die Zahl der Arbeitslosen am Ende des Jahres zudem höher als zum Jahresbeginn.
Serge Gaillard, Leiter der Direktion Arbeit im Seco, sprach von einem relativ starken Anstieg auf tiefem Niveau.
Mehr als die Hälfte der Zunahme der Arbeitslosigkeit sei saisonal bedingt.
Dennoch bleibe eine starke konjunkturbedingte Zunahme um 4500 Arbeitslose, was vergleichbar sei mit den Entwicklungen in früheren Rezessionen. Die Arbeitslosenquote stieg im Berichtsmonat von 2,7 auf 3,0%.
Bau und Temporärarbeit besonders betroffen
Zugenommen hat die Arbeitslosigkeit besonders in der Bauwirtschaft und der Industrie sowie dem Personalverleih, der vorwiegend in diese beiden Branchen vermittelt.
In der Bauwirtschaft verloren vor allem aus saisonalen Gründen 3751 Menschen ihren Job, so dass die Zahl der Arbeitslosen auf 10’854 und die Quote auf 4,5% stieg. «Dies entspricht mehr als einem Drittel der zusätzlichen Arbeitslosen», sagte Gaillard.
Insgesamt stieg die Zahl der Arbeitslosen im Industriesektor innert Monatsfrist um 27,7% auf 26’532 Personen. Die starke Zunahme der Arbeitslosigkeit in diesen Branchen betrifft laut Gaillard namentlich Männer und Ausländer.
So stieg die Arbeitslosenquote der Männer innert Monatsfrist von 2,6 auf 3,0%, jene der Ausländer von 5,4 auf 6,1%.
Jugendarbeitslosigkeit immer noch präsent
Leicht unterdurchschnittlich war die Zunahme der Arbeitslosigkeit hingegen bei den jungen Menschen im Alter von 15 bis 24 Jahren. Mit 3,5% blieb die Jugendarbeitslosenquote aber über dem Gesamtdurchschnitt.
Die regionale Verteilung zeigt einen fast gleichmässigen Anstieg. Am höchsten war die Arbeitslosigkeit Ende Jahr im Kanton Genf mit 5,9%, am tiefsten mit je 1,1% in den Kantonen Uri und Appenzell-Innerrhoden.
Eigentlich gutes 2008
Die auch für die kommenden Monate düsteren Prognosen überschatten die eigentlich gute Jahresbilanz 2008.
Dank rückläufigen Zahlen in der ersten Jahreshälfte ist die Arbeitslosenquote im Jahresmittel 2008 weiter gesunken, und zwar auf 2,6% verglichen mit 2,8% im Vorjahr. Tiefer gewesen war die Arbeitslosigkeit letztmals im Jahr 2002 mit 2,2%.
Günstige Lage für ALV
Günstig präsentiert sich deshalb auch die Lage der Arbeitslosenversicherung (ALV). Nach dem leichten Plus von 20 Millionen Franken im Vorjahr erzielte sie mit 600 Millionen Franken einen deutlichen Überschuss.
Die Darlehensschuld des ALV-Ausgleichsfonds konnte gemäss Schätzungen des Seco von 4,8 auf 4,1 Milliarden Franken reduziert werden.
Dass die ALV zu Beginn einer Phase steigender Arbeitslosigkeit über 4 Mrd. Franken Schulden aufweist, zeigt laut Gaillard den mittelfristigen Handlungsbedarf.
Das Parlament müsse jetzt die vorgesehene Revision des ALV-Gesetzes schnell anpacken, damit im nächsten Aufschwung mit Leistungskürzungen und Beitragserhöhungen Schulden abgebaut werden könnten.
Düstere Aussichten für 2009 und 2010
Für dieses und nächstes Jahr befürchtet das Seco eine Zunahme der Arbeitslosigkeit auf 3,3 beziehungsweise 4,3%.
Die angespannte Lage zeigt sich auch bei der Kurzarbeit. Die Oktoberzahlen sowie vor allem eine Umfrage zum Dezember zeigen laut Gaillard eine massive Zunahme.
So hätten vergangenen Monat rund 700 Betriebe Kurzarbeit beantragt. Im Oktober waren 85 Betriebe mit 1187 Arbeitnehmenden von Kurzarbeit betroffen.
swissinfo und Agenturen
Wie alle Ausländer sind auch Arbeitnehmende aus EU-Staaten von der Verschlechterung am Arbeitsmarkt überdurchschnittlich betroffen.
Im November stieg laut der Europäischen Statistikbehörde Eurostat die Arbeitslosenquote gegenüber dem Vormonat um 0,1 Punkte auf 7,8%. Ein Jahr zuvor hatte die Quote bei 7,2% gelegen.
In der gesamten EU mit 27 Staaten wuchs die Arbeitslosenquote im November 2008 im Vormonatsvergleich ebenfalls um 0,1 Punkte auf 7,2%. Ein Jahr zuvor waren es 6,9% gewesen.
Die Arbeitslosenquote von Bürgern aus nördlichen EU-Ländern hat sich laut Seco in den vergangenen Monaten und Jahren etwa auf dem Niveau der Schweizer Arbeitnehmenden bewegt.
Aktuell sei aber eine überdurchschnittliche Zunahme zu beobachten.
Gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) betrug die Arbeitslosenquote von deutschen Arbeitnehmenden in der Schweiz im Schnitt des Jahres 2008 2,7%, verglichen mit 2,5% bei den Schweizern.
Im Dezember stieg die Quote der deutschen Arbeitnehmenden auf 3,0%, jene der Schweizer betrug 2,1%.
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