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Kokain in der Nespresso-Fabrik: Es gibt eine heisse Spur

Ein offener Container, gefüllt mit Jutesäcken in einer Lagerhalle.
Das Kokain mit einem geschätzten Handelswert von zirka 50 Millionen Franken wurde in einem Container mit Kaffeebohnen gefunden und beschlagnahmt. fr.ch

Die Beschlagnahmung einer gewaltigen Menge an Kokain in der Nespresso-Fabrik im Kanton Freiburg sorgte 2022 für Aufsehen. Unterdessen wurden zwei Verdächtige ausgemacht, die versucht hatten, in den Besitz des Rauschgifts zu gelangen. Es handelt sich um zwei in Italien lebende Albaner. Einer der beiden wurde bereits in die Schweiz ausgeliefert.

Der Fund einer halben Tonne Kokain am 2. Mai 2022 in der Nespresso-Fabrik von Romont hat hohe Wellen geschlagen. Es war einer der grössten Drogenfunde in der Geschichte der Schweiz.

Die rund 500 Kilogramm an reinen Drogen waren in einem Container mit Säcken von Kaffeebohnen versteckt, der aus Brasilien über Antwerpen in die Schweiz transportiert worden war. Doch für wen war die Lieferung bestimmt?

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg führten zu keinem Ergebnis. Im September 2022 gab sie bekannt, ihre Ermittlungen einzustellen, mit der Feststellung, «dass das Kokain nicht für das Unternehmen Nespresso bestimmt war».

Die Ware hätte «höchstwahrscheinlich» von den Schmuggler:innen irgendwo zwischen Antwerpen und Romont ausgeladen werden sollen, «aber dazu ist es aus unbekanntem Grund nicht gekommen».

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«Die Identifizierung der an diesem Kokaintransport beteiligten Personen ist daher bis heute ohne Ergebnis geblieben», mussten die Freiburger Ermittler:innen einräumen.

Ist der Fall somit abgeschlossen? Sicherlich nicht. Denn in der Zwischenzeit haben die Ermittler:innen des Kantons Basel-Landschaft eine eigene und anscheinend heisse Spur verfolgt. Diese führte direkt nach Italien und zu zwei dort lebenden albanischen Staatsbürgern.

Verdächtige Bewegungen in der Nacht

Wie kam es dazu? Die Swissterminal AG mit Sitz in der Gemeinde Frenkendorf im Grossraum Basel betreibt eines von sechs Containerterminals an diesem wichtigen Schweizer Logistik-Standort.

Hier begann die Jagd nach den mutmasslichen Organisatoren der Kokainlieferung, genau zwei Tage bevor die Ware in dem Freiburger Nestlé-Werk entdeckt wurde.

Es ist der 30. April 2022, um 1 Uhr morgens. Mitarbeitende von Swissterminal bemerken zwei Personen, die zwischen den auf dem Firmengelände gestapelten Containern umherlaufen. Die Polizei wird alarmiert und trifft ein. Einem Mann gelingt die Flucht; der andere wird gestellt.

Es handelt sich um E.H.*, einen albanischen, in Italien lebenden Staatsbürger. Er gibt an, auf der Durchreise durch die Schweiz zu sein und auf der Suche nach einem Taxi eine Abkürzung genommen und sich verlaufen zu haben. Die Basler Polizei wird misstrauisch.

Denn einige Monate zuvor, in der Nacht vom 2. auf den 3. September 2021, waren in der gleichen Gegend 40 Kilogramm an 95 Prozent reinem Kokain in einem Container entdeckt worden, dere zuvor aufgebrochen worden war. Spuren von weissem und mit Kaffee vermischtem Pulver führten zu einem kleinen Feldweg.

Zusammen mit der Tatsache, dass zwei Tage zuvor, am 28. April 2022, Container mit Kaffee aus Südamerika im Logistikzentrum von Frenkendorf eingetroffen waren, liess dieser Fall die Polizei vermuten, dass die nächtliche Anwesenheit der beiden Personen mit Drogenhandel in Verbindung stehen könnte. Es wurden daher einige Container durchsucht, jedoch ohne fündig zu werden. Auf Grund fehlender Beweise wurde E.H. wieder freigelassen.

Luftaufnahme des Hafens in Antwerpen, Container lagern entlang einer Strasse.
Der Container wurde vom Hafen von Antwerpen, Europas wichtigstem Drogentor, in die Schweiz transportiert. Keystone / Johanna Geron / Pool

Eine Frage des Timings

Die Basler Ermittler:innen gaben jedoch nicht auf. Sie analysierten die Überwachungsvideos von Swissterminal und fanden heraus, dass sich zwischen dem 28. April und dem 1. Mai 2022 vier Personen mehrmals im Bereich des Terminals aufgehalten hatten.

Zwei geisterten zwischen den Containern umher, während die beiden anderen offenbar Schmiere standen. Hatten diese ungebetenen nächtlichen Gäste möglicherweise etwas mit dem Fund der halben Tonne Kokain bei Nespresso am 2. Mai zu tun?

Die Basler Ermittler:innen rekonstruierten die Route des Containers mit dem Code MSKU3979536. Dieser war in Antwerpen gestartet und am 28. April um 14.44 Uhr mit der Bahn im Lager von Swissterminal angekommen. Am nächsten Tag wurde er auf einen anderen Zug verladen und zum Nestlé-Werk gebracht.

Für die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft deutet alles darauf hin, dass E.H., der in der albanischen Presse bereits in Zusammenhang mit Straffällen erwähnt wurde, und sein Komplize während ihrer nächtlichen Rundgänge auf dem Terminalgelände genau diesen Container suchten.

Sie fanden ihn nicht, denn kurz nach seiner Ankunft war dieser mit seiner wertvollen Fracht bereits wieder unterwegs nach Romont.

Verhaftungen in Italien

Die Basler Ermittler:innen stellten aber Ähnlichkeiten mit dem Fund von 40 Kilogramm Kokain im September 2021 fest. Beide Importe könnten ihrer Meinung nach von der gleichen kriminellen Gruppe stammen. Um den Komplizen von E.H. zu identifizieren, analysierten sie erneut Bilder aus der Videoüberwachung.

Dabei identifizierten sie auch ein verdächtiges Auto. Ein in Appenzell Innerrhoden zugelassener Peugeot fuhr an diesen Tagen mehrmals durch die Logistikzone.

Das Auto wurde vom 26. bis 30. April 2022 von einem gewissen M.M.*, einem in Italien lebenden albanischen Staatsbürger, gemietet. Der Mann wurde zusammen mit E.H. im Fahrzeuginneren gefilmt. Der Baselbieter Staatsanwalt Boris Sokoloff bat daraufhin Italien um Rechtshilfe.

E.H. wurde in der Provinz Brescia festgenommen. Der Albaner, der 2017 von einem Gericht in Tirana wegen Drohungen verurteilt worden war, versuchte sich der Auslieferung an die Schweiz zu widersetzen. Doch er scheiterte. Das Bundesamt für Justiz (BJ) bestätigt gegenüber Gotham City, dass der Verdächtige inzwischen an die Basler Behörden übergeben worden ist.

Die Auslieferung von M.M. gestaltet sich hingegen schwieriger. Der Mann, der eine italienische Staatsbürgerschaft besitzt, wurde am 20. März 2023 in seinem Haus in Busto Arsizio in der Nähe von Mailand festgenommen.

Die italienischen Behörden hatten die Schweiz im September 2022 um weitere Informationen gebeten. Die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft erklärte, wie M.M. kurz vor dem Fund des Kokains auf dem Logistik-Terminal gefilmt und identifiziert worden war.

Diese Hinweise überzeugten schliesslich das Berufungsgericht in Mailand, das das Auslieferungsersuchen von M.M. sowie die Beschlagnahmung seiner Mobiltelefone und seines Computers guthiess.

Dieser Artikel stützt sich auf die Angaben in diesem definitiven Urteil zum Auslieferungsgesuch, das Gotham City einsehen konnte. Das Bundesamt für Justiz weist aber darauf hin, dass M.M. noch nicht an die Schweiz ausgeliefert wurde.

Auf Anfrage von Gotham City teilt die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft mit, dass im Rahmen der Ermittlungen zum «Fund von 500 Kilogramm Kokain in einem kaffeeverarbeitenden Betrieb in der Westschweiz» derzeit drei Personen in Haft sind.

Rückblick auf die beeindruckende Beschlagnahmung von Kokain in der Nespresso-Fabrik in Romont:

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* Namen der Redaktion bekannt

Aus dem Französischen übertragen von Gerhard Lob

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