Debatte um Altersvorsorge
Die Revision des Gesetzes über die berufliche Vorsorge öffnet diese tieferen Einkommen und führt zur Diskussion über die Ausgestaltung des Drei-Säulen-Prinzips.
Die erste Säule der Altersvorsorge in der Schweiz soll die Existenz sichern. Die zweite den gewohnten Lebensstandard. Die dritte Säule soll im Alter individuelle Bedürfnisse decken.
Anders als die immer wieder veränderte erste Säule – zurzeit ist die 11. Revision im Gang – wird die zweite Säule zum ersten Mal revidiert. Hatte die Regierung ursprünglich eine Minireform der beruflichen Vorsorge vorgeschlagen, so schnürt der Rat derzeit ein veritables Reform-Paket daraus – allerdings ein typisches Kompromiss-Paket.
So sollen auch Kleinverdiener und Teilzeitbeschäftigte eine zweite Säule haben. So weit wie seine Kommission ging der Nationalrat indessen nicht.
Drei heisse Eisen
Knackpunkt ist die Einstiegsschwelle: Ab welchem Einkommen werden Arbeitnehmende obligatorisch versichert? Je tiefer diese Schwelle, desto mehr berufstätige Frauen und Männer werden versichert. Desto mehr Abgaben müssen jedoch auch die Arbeitgeber bezahlen, denn die zweite Säule wird von Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen.
Damit verbunden ist Diskussions-Punkt Nummer zwei: Der Koordinationsabzug. Dieser entspricht zur Zeit der maximalen AHV-Rente (24’720 Franken) und wird vom Lohn abgezogen. Was dazwischen liegt, wird nach BVG versichert. Je tiefer der Koordinationsabzug, desto höher ist der zu versichernde Lohn – desto höher werden somit die Abgaben von Arbeitgeber und -nehmer.
Umstritten ist auch die Senkung des Umwandlungssatzes, damit künftig das angesparte Guthaben der gestiegenen Lebenserwartung angepasst werden kann. Anders formuliert: Damit das gesparte Geld länger reicht, weil wir immer älter werden. Das hat jedoch zur Folge, dass die Rente kleiner wird. Diese Kürzung soll entweder durch höhere Lohnabzüge oder aber einen flexiblen Koordinationsabzug aufgefangen werde.
Zwei geklärte Fragen
Zwei der drei Knackpunkte hat der Rat nun bereits geklärt: Die Eintrittsschwelle wird auf 18’540 Franken gesenkt und nicht tiefer. Der Koordinationsabzug soll künftig 40% des Jahreslohnes betragen, wird also flexibilisiert. Dadurch kann der Rat bei der Diskussion um den Umwandlungssatz auf höhere Lohnabzüge verzichten. Zudem werden die Einkommen mehrerer Arbeitgeber berücksichtigt.
Der Beschluss der Grossen Kammer bedeutet zulasten der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber Mehrkosten von zusammen 660 Mio. Franken. Definitiv ist der Entscheid nicht. Noch muss auch der Ständerat darüber befinden.
Eine Grundsatzdiskussion
Dass es bei der Diskussion im Bundeshaus um mehr geht, als nur um die zweite Säule, war vorauszusehen. Zu eng sind Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV), berufliche Vorsorge und zum Teil die dritte, private Säule verhängt.
So geht es denn bei der Debatte um die Revision des BVG auch um Grundsätzliches. Von verschiedenen Vertreterinnen und Vertretern – auch aus bürgerlichen Parteien – wird moniert, dass man nicht bei der 11. AHV-Revision die Witwenrente kürzen und gleichzeitig Teilzeitarbeitenden – vor allem Frauen – die zweite Säule vorenthalten könne.
So setzte sich die Sozialdemokratische Partei (SP) für die tiefere Eintrittschwelle von 12’360 Franken und den flexiblen statt den fixen Koordinationsabzug ein. Der Freisinn und die Christdemokraten wollten ebenfalls eine Öffnung für tiefe Einkommen und hatten Erfolg. Die Schweizerische Volkspartei (SVP) wollte den Status quo beibehalten.
Rebecca Vermot
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