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Deiss ernennt Mediator im Swissmetal-Konflikt

Swissmetal-Arbeiter: Seit 16 Tagen im Streik. Keystone

Bundesrat Deiss hat sich in den Arbeitskampf im Swissmetal-Werk in Reconvilier eingeschaltet. Er hat Rolf Bloch zum Konfliktlöser ernannt.

Swissmetal hatte zuvor angekündigt, mehr Arbeitskräfte als bisher bekannt zu entlassen. Die Gewerkschaften reagierten empört.

In den Arbeitskampf im Berner Jura hat sich im Lauf des Donnerstags, des 16. Streiktags, auch Wirtschaftsminister Joseph Deiss eingemischt. Er empfing sowohl Vertreter der Belegschaft und der Gewerkschaft Unia wie auch eine Delegation der Firmenleitung zu Einzelgesprächen.

Deiss-Sprecher Christophe Hans hatte im Vorfeld allerdings darauf hingewiesen, dass es sich bei den Gesprächen von Deiss nicht um eine eigentliche Mediation handle. Das sei nicht Aufgabe des Bundesrats.

Am Donnerstagabend ernannte Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss dann einen Mediator. Es ist Rolf Bloch, Ehrenpräsident der Chocolats Camille Bloch SA. Er soll zwischen der streikenden Belegschaft und der Swissmetal-Direktion vermitteln.

Integre Persönlichkeit

«Rolf Bloch ist eine integre Persönlichkeit mit einer grossen Fähigkeit, das Vertrauen zwischen den Konfliktparteien wieder herzustellen», wird Deiss in einer Mitteilung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes (EVD) zitiert.

Seine diplomatische Gewandtheit und sein Fingerspitzengefühl habe er beim Streit um die nachrichtenlosen Vermögen unter Beweis gestellt. Obwohl er nicht aus der Metallindustrie komme, sei seine industrielle Kompetenz gross. Dies verleihe ihm eine glaubwürdige Unparteilichkeit.

Die Ernennung Blochs als Mediator wurde laut EVD sowohl von der Swissmetal-Direktion als auch von der Swissmetal-Belegschaft und der Gewerkschaft Unia akzeptiert.

Die erste Aufgabe von Bloch sei die Festlegung einer Agenda, damit die Konflitkparteien ihre Verhandlungen beginnen könnten.

Gewerkschaften für Verselbständigung

Bei der Suche nach einer Lösung will die Unia auch die Verselbständigung der «Boillat» in Reconvilier prüfen. Das Werk sei rentabel, konzentriere viel Know-how und habe zufriedene Kunden.

Zudem seien die Margen in Reconvilier unbestrittenermassen besser als in Dornach. Es gebe «gewisse positive Signale» für eine Verselbständigung des Werks.

Die Arbeitgeber widersprechen den Rentabilitäts-Aussagen der Gewerkschaften entschieden.

Baldiger Stellenabbau?

Wegen der Arbeitsniederlegung beschleunigt die Geschäftsleitung den Abbau von 120 Stellen. Swissmetal will den Stellenabbau bereits in den «nächsten zwei bis drei Monaten» umsetzen. Dieser Schritt sei «unvermeidbar». Da es sich um eine Massenentlassung handle, sei ein Konsultationsverfahren eröffnet worden.

Begründet wird dieser Schritt mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der seit über zwei Wochen anhaltenden «Arbeitsverweigerung und weiterer widerrechtlicher Aktionen». Dadurch seien dem Standort Reconvilier bereits wesentliche Aufträge verloren gegangen.

Empörte Gewerkschaften

Die Gewerkschaft Unia ist entrüstet. Das sei eine ungeheuerliche Frechheit, erklärte Unia-Geschäftsleitungsmitglied André Daguet. Der Beschluss stehe im Widerspruch zu allen bisherigen Verlautbarungen der Konzernspitze.

«Swissmetal setzt alles daran, den Arbeitskonflikt eskalieren zu lassen und den Standort Reconvilier zu zerschlagen», sagte Unia-Co-Präsident Renzo Ambrosetti. Selbst der Verwaltungsrat habe durchblicken lassen, dass mittelfristig die gesamte Produktion in Reconvilier geschlossen werden solle.

Dem widerspricht Swissmetal vehement. «Diese Behauptung ist falsch. Swissmetal steht zum Produktionsstandort Reconvilier», erklärte Swissmetal-Manager Sam Furrer. Reconvilier bleibe als Kompetenz- und Distributionszentrum bestehen.

Trotz Konflikt auf Einkaufstour

Am Freitag kündigte Swissmetal den Kauf des Busch-Jaeger Metallwerks GmbH im deutschen Lüdenscheid an. Die heutige Busch-Jaeger habe eine vergleichbare Produktepalette wie das Swissmetal-Werk Reconvilier. Swissmetal beabsichtigt, Busch-Jaeger als festen Bestandteil seiner Gruppenstrategie und des industriellen Konzepts 2006 bis 2010 zu integrieren.

Auf Grund des rechtswidrigen Streiks sowie der unrechtmässigen Besetzung des Betriebsgeländes in Reconvilier seien die bereits zuvor geplanten Gespräche mit Busch-Jaeger in den letzten Tagen intensiviert worden, hiess es weiter. Konkrete Akquisitions-Verhandlungen seien nach Ausbruch des Streiks in Reconvilier im Berner Jura aufgenommen worden.

Eine erste Zusammenarbeit mit Busch-Jaeger zwischen 1990 bis 2002 war aufgrund einer misslungenen Integrationspolitik gescheitert. Die Swissmetal-Tochter Busch-Jaeger hatte 2002 mit 270 Mitarbeitern Konkurs anmelden müssen.

swissinfo und Agenturen

Der heutige CEO Martin Hellweg wurde im Juni 2003 eingestellt. Er sollte das verschuldete Unternehmen sanieren.

Am 16. November 2004 streikten 400 Angestellte, Arbeiter und Führungskräfte der Swissmetal in Reconvilier. Sie protestierten gegen die Entlassung des Direktors des Standorts. Der Streik dauerte 10 Tage.

Am 25. Januar 2006 traten die Arbeiter erneut in Streik. Sie opponierten gegen die Ende 2005 durch die Direktion angekündigten Restrukturierungen.

Am 9. Februar kündigt die Direktion den «beschleunigten Abbau» von 120 Stellen in Reconvilier an.

Swissmetal stellt hochwertige Produkte aus Kupfer und Kupferlegierungen her für die Elektronische, die Automobil-, die Schreibwaren und Uhren-Industrie sowie für Luftfahrt und Telekommunikation.

Swissmetal hat einen Fünfjahres-Plan ausgearbeitet, der auf einer Kompetenzen-Konzentration zwischen den zwei Entwicklungs- und Produktionsstandorten in Reconvilier (Bern) und Dornach (Solothurn) basiert.

Im Standort Dornach soll die Giesserei konzentriert werden. In Reconvilier würde nur die Endbearbeitung im Bereich Drähte und Stangen beibehalten. Diese Strategie wird zahlreiche Arbeitsplätze kosten.

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