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Deutsche werben um Schweizer Fachkräfte

Wie in der Schweiz mangelt es auch in Deutschland an Hausärzten, vor allem auf dem Land. imagepoint

An einer Veranstaltung in Aarau sollen Stellenlose über Arbeitsmöglichkeiten in Deutschland informiert werden. Rekrutieren will der grosse Nachbar vor allem Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen und dem technischen Bereich. Spezialisten, die auch in der Schweiz fehlen.

«Schweiz schickt Arbeitslose nach Deutschland» und «Deutsche wollen Schweizer Arbeitslose» titelten Schweizer Zeitungen in den letzten Tagen. Von einer «heiklen Aktion» war die Rede, die «absurd» anmute, in einer Zeit, da «Deutsche in Scharen zu uns kommen».

Stein des Anstosses ist der Informationstag vom 20. April in Aarau mit dem Titel «Leben und Arbeiten in Deutschland. Organisiert wird er von den Arbeitsämtern der Kantone Aarau, Basel-Stadt und Zürich gemeinsam mit der deutschen Bundesagentur für Arbeit, koordiniert vom Staatssekretariat für Wirtschaft, (Seco).

Unterstützung von Arbeitslosen

5000 Arbeitslose in diesen Kantonen wurden schriftlich nach Aarau eingeladen, insbesondere Ärzte, Pflegefachleute, Ingenieure und Wirtschaftsprüfer.

Wie von der deutschen Bundesagentur zu erfahren war, richtet sich die Informations-Veranstaltung an alle, die des Deutschen mächtig sind. Das können Deutsche sein, die zur Zeit in der Schweiz sind, Schweizer oder Angehörige anderer Nationalitäten.»

Für Seco-Projektleiter Valentin Lagger ist dieser Info-Tag ein weiteres Instrument, das den Arbeitslosen zur Verfügung gestellt werde, «damit sie möglichst rasch eine Stelle finden. Das ist die wichtigste Aufgabe der Arbeitslosenversicherung».

Fachkräfte fehlen hüben wie drüben

Deutschland weist mit 8,5% zwar eine doppelt so hohe Arbeitslosenquote auf wie die Schweiz. Aber auch dort fehlen in gewissen Branchen Fachleute, wie in der Schweiz.

«Wir sind interessiert, in bestimmten Berufs-Segmenten Personen zu rekrutieren, so im Gesundheits- und technischen Bereich, weil dort eine hohe Nachfrage da ist», sagt Beate Raabe, Sprecherin bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit gegenüber swissinfo.ch.

Die Schweizer Arbeitsverwaltung habe diesen Anlass besonders beworben, auch bei den Arbeitslosen, so Raabe weiter.

Vom Schweizer Spitalverband H-plus wird diese «grenzüberschreitende Jobbörse» scharf kritisiert. Man könne doch beim Fachkräftemangel, unter dem das Schweizer Gesundheitswesen leide, nicht einfach gut ausgebildete Berufsleute nach Deutschland vermitteln.

Es gehe keineswegs darum, der Schweiz Spezialisten wegzunehmen oder die gut qualifizierten Deutschen zurückzuholen, die in die Schweiz abgewandert seien, so Beate Raabe von der Bundesagentur.

Gesucht und arbeitslos?

Auf die Frage, wieso Tausende gut ausgebildete Fachkräfte arbeitslos sind, obwohl sie in der Schweiz Mangelware sind, gibt es keine befriedigende Antwort. Handelt es sich etwa um schwer vermittelbare Personen oder Menschen, die kurz vor der Pensionierung stehen und die man deswegen gerne loswerden möchte?

Das sei sicher nicht der Fall, sagt Valentin Lagger vom Seco: «Wir wollen überhaupt niemanden loswerden. Es sind eben Menschen, die bisher keine Stelle gefunden haben, aus welchen Gründen auch immer. Deshalb ist es aus unserer Sicht durchaus sinnvoll, ihnen eine weiter Möglichkeit bei der Stellensuche anzubieten.»

Auslandjob – eine Bereicherung der Karriere

Ob sich arbeitslose Leute finden lassen, die bereit sind, zu einem tieferen Lohn in Deutschland zu arbeiten, darf bezweifelt werden. Denn gerade wegen der besseren Bezahlung kommen Deutsche zu Tausenden in die Schweiz.

«Der Lohn ist nur eine Komponente», so Lagger. «Denn die Lebenshaltungskosten dort sind tiefer. Um die richtigen Schlüsse zu ziehen, muss eine Gesamtbetrachtung gemacht werden.»

Und Beate Raabe sieht noch andere Beweggründe als den Lohn, um für eine gewisse Zeit im Ausland zu arbeiten: «Zum Beispiel weil der Lebenspartner dort lebt oder man eine internationale Phase für die Berufsbiografie einlegen will, als Bereicherung der Karriere.»

Am Info-Tag in Aarau werden neben Möglichkeiten der Jobsuche auch Fragen der Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung thematisiert, Fragen, die es im Fall einer Übersiedlung nach Deutschland zu bedenken gibt.

Grenzüberschreitender Arbeitsmarkt

Für Deutschland sind solche Anlässe übrigens nichts Neues, auch wenn ein solcher auf deutsche Initiative hin in der Schweiz zum ersten Mal stattfindet. In Ländern wie Österreich, den Niederlanden und Polen etwa führt die Bundesagentur immer wieder solche Info-Tage durch, wie Beate Raabe bestätigt.

«Diese Anlässe des europäischen Arbeitsvermittlungs-Netzwerkes EURES dienen dazu, die berufliche Mobilität im Sinne der Arbeitnehmer-Freizügigkeit zu fördern.» Das sei ein europäisches Ziel. Die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt habe für Arbeitgeber und Arbeitnehmer Vorteile.

Auch die Schweiz macht bei EURES mit und war schon an Informations-Veranstaltungen in Deutschland mit Vertretern präsent. Um Deutsche als Arbeitskräfte vor Ort zu rekrutieren, hat das Seco aber noch nie einen solchen Anlass initiiert.

Gaby Ochsenbein, swissinfo.ch

Die Informations- und Beratungsveranstaltung findet am 20. April im Kultur- und Kongresshaus Aarau statt.

Sie wird von den Arbeitsämtern der Kantone Aarau, Basel-Stadt und Zürich zusammen mit der Deutschen Bundesagentur für Arbeit organisiert und vom Staatssekretariat für Wirtschaft, Seco, koordiniert.

Nebst Vorträgen von EURES-Beratern (Europäisches Arbeitsvermittlungs-Netzwerk) werden nebst einer Jobbörse auch individuelle Beratungen angeboten.

Eingeladen sind qualifizierte deutschsprachige Arbeitnehmerinnen und –nehmer aus EU- und EFTA- Ländern.

5000 Arbeitslose aus Aarau, Basel-Stadt und Zürich, vor allem aus dem Gesundheitswesen, dem technischen Bereich und der Wirtschaftsberatung, wurden von den kantonalen Arbeitsämtern an die Veranstaltung eingeladen.

Wie in der Schweiz fehlen auch in Deutschland Fachleute aus diesen Branchen.

Von den 1’680’057 Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz stammen rund 250’000 aus Deutschland.

Damit machen sie rund 15% aller Ausländer aus.

Ihr Zahl stieg 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 17’119 Personen.

Nach den Italienern sind die Deutschen die zweitgrösste Ausländergruppe in der Schweiz.

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