Die Furcht der Hightech-Firma vor dem Exportverbot
Ein Kriegsmaterial-Exportverbot hätte für den einzigen Flugzeugbauer der Schweiz gravierende Folgen: Pilatus müsste 40% der Stellen abbauen. Der Verlust an Technologie- und Knowhow-Transfer würde die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Zivilluftfahrtmarkt gefährden, fürchtet die Firma.
«Technologien entwickeln sich permanent weiter. Aus jedem Produkt, das wir entwickeln, gewinnen wir Erkenntnisse für künftige Produkte», sagt Markus Kälin, Persönlicher Mitarbeiter des Verwaltungsratspräsidenten der Pilatus Aircraft Ltd.
«Dazu kommt, dass wir beispielsweise die Gewinne aus dem Verkauf des PC-12 in die Entwicklung des PC-21 investiert haben und später Gewinne aus dem PC-21 Geschäft wieder in ein neues ziviles Projekt investieren werden. Wenn das nicht mehr möglich ist, ist die Existenz der Firma mittel- und langfristig gefährdet.»
Pilatus produziert seit 1939 Trainingsflugzeuge für den militärischen Einsatz. Seit 1991 stellt das Unternehmen mit dem PC-12 auch ein Turboprop-Modell für den zivilen Einsatz her. «Die Entwicklung des PC-12 kostete bereits damals mehr als 200 Millionen Franken. Heute verschlingt die Entwicklung eines neuen Modells zwischen 400 und 500 Millionen. Bis das Modell am Markt ist, vergehen mindestens sechs bis sieben Jahre, wenn Sie sehr schnell sind. Flugzeuge werden immer komplexer und das Engineering damit kostenintensiver.»
Ein Ja zur Volksinitiative für ein Verbot von Kriegsmaterialexporten würde Pilatus «massiv treffen», so Kälin weiter. «Wir haben rund 500 Mitarbeiter, die im Bereich der militärischen Trainingsflugzeuge und –systeme arbeiten. Wenn man diese Aktivitäten wegputzt, sind auch die restlichen 700 Arbeitsplätze gefährdet. Wir könnten auch unsere Service-Verträge im militärischen Bereich, die wir – etwa im Fall von Singapur – über 20 Jahre abgeschlossen haben, nicht mehr erfüllen und würden auch diese Einnahmen verlieren.»
Missbräuche trüben das Image
Pilatus-Produkte haben in Aviatik-Kreisen weltweit einen ausgezeichneten Ruf. «Vom PC-12 haben wir bisher 1000 Stück verkauft. Das ist ein Grosserfolg, den niemand erwartet hatte. Für unseren Support sind wir mehrmals als weltweit beste Firma ausgezeichnet worden. Auch bei den Trainingsflugzeugen ist unser Image hervorragend», sagt Kälin und untermauert seine Aussage damit, dass vom erst seit zwei Jahren serienreifen PC-21 bisher 19 Exemplare an die singapurische und sechs Exemplare an die Schweizer Luftwaffe ausgeliefert worden sind.
Getrübt wird das Image durch verschiedene Affären, bei denen Pilatus-Flugzeuge nachträglich bewaffnet wurden und in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt waren. So sorgte im Februar 2008 ein bewaffneter PC-9 für negative Schlagzeilen. «Wir bestreiten die Missbräuche der Vergangenheit nicht, aber wir haben daraus gelernt und haben heute ganz klare Richtlinien», sagt Kälin und verweist auf die verschärften Ausfuhrbestimmungen des Bundes.
«Wenn wir heute ein Flugzeug ausliefern, brauchen wir ein End-User-Zertifikat, das von den zuständigen Regierungsstellen des Exportlandes ausgestellt ist. Wenn sich dann eine Regierung nicht an die Abmachungen hält, dann kann man nichts dagegen machen. Das sehen mit dem Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Libyen.
Die «wenig vertrauenswürdigen» Länder seien ohnehin auf einer Embargo-Liste, so Kälin. «Da kommt ein Export nicht in Frage. Kommt dazu, dass man kriminelle Energie nicht verhindern kann. Man kann auch ein ziviles Fahrzeug mit 500 Kilo Sprengstoff beladen und damit in eine Menschenmenge fahren.»
«Konversion ist Augenwischerei»
Strenge Ausfuhrbestimmungen, Arbeitsplatzverluste, Knowhow-Verluste, ein genereller Imageverlust für die Schweizer Industrie und eine Schwächung der Armee: Mit diesen Argumenten kämpfen die Gegner der Waffenausfuhr-Verbotsinitiative.
Die Ausfuhrbestimmungen seien löchrig. Export von Kriegsmaterial töte Leben und widerspreche den Prämissen der schweizerischen Aussenpolitik und der Neutralität, argumentieren die Befürworter. Zudem beinhalte die Initiative auch eine finanzielle Unterstützung der betroffenen Regionen durch den Bund während zehn Jahren. Damit – so die Befürworter – werde die Konversion von der militärischen zur zivilen Produktion beschleunigt.
«Das ist reine Augenwischerei», entgegnet Kälin. «Wir haben ein ganz spezielles Knowhow und ebenso spezielle Maschinen, um Flugzeuge herzustellen. Wir müssten nicht nur die Leute umschulen, sondern auch die ganze Infrastruktur umstellen.»
Schweiz zu teuer für Massenprodukte
Nichts hält Kälin von den Vorschlägen von Politikern, welche die die Initiative befürworten, die Pilatus-Werke könnten auf die Produktion von Leichtflugzeugen, Grossflugzeugen oder Bahn-Rollmaterial umstellen, zumal die vorgesehenen Bundesgelder (schweizweit 500 Millionen jährlich) bei Weitem nicht reichten.
«Wir können als Schweizer Industriebetrieb nur in Marktnischen mit absoluten Spitzenprodukte überleben. Für Massenprodukte sind wir im Ausland zu teuer. Der Umstieg in den Grossflugzeugbau würde Milliardeninvestitionen erfordern und dazu sind wir einfach viel zu klein. Und Konversion Richtung Bahnen erfordert ein völlig anderes Engineering, Know-how und andere Produktionsanlagen. Stadler Rail brauchte 20 Jahre, um auf den international sehr hohen Standard zu kommen.»
Andreas Keiser, swissinfo.ch, Stans
Am 29. November entscheiden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger über drei nationale Vorlagen.
Am meisten zu reden gibt im In- und im Ausland die Minarett-Initiative. Sie will den Bau von Minaretten verbieten.
Umstritten ist auch die Volksinitiative, die den Export von Kriegsmaterial verbieten will.
Wenig Wellen wirft die Verfassungsänderung zur Umlagerung der Kerosin-Steuern vom Strassen- auf den Flugverkehr.
Bund und Parlament empfehlen die Initiative zur Ablehnung.
Der Bundesrat geht in seiner Abstimmungsbotschaft von über 10’000 Beschäftigten aus, die von einer Annahme betroffen wären.
Direkt im Rüstungsbereich wären 5100 Menschen betroffen.
Bis zu 5000 Arbeitsplätze wären im zivilen Sektor gefährdet.
In der Schweiz wären 550 Firmen tangiert, darunter vor allem KMU.
Im 1. Halbjahr 2009 sind die Schweizer Kriegsmaterial-Exporte leicht zurückgegangen.
Sie hatten einen Umfang von 331,4 Mio. Franken. Das sind16 Mio. Franken weniger als in der Vorjahresperiode, wie der Statistik der Eidgenössischen Zollverwaltung zu entnehmen ist.
Die Exporte hatten im Jahr 2008 mit Waffen im Wert von 722 Mio. Franken ein Allzeithoch erreicht.
Die Waffenexporte gingen in 72 verschiedene Länder. An der Spitze lag Pakistan mit 110 Mio. Franken.
Im 1. Halbjahr 2009 gehörten Deutschland (62 Mio.), Dänemark (56,5 Mio.) und Saudi-Arabien (34 Mio.) zu den grössten Abnehmern.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch