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Firmen vertrauen älteren Arbeitnehmenden

Ältere Angestellte können auf viel Know-how zurückgreifen. Keystone

Während Gewerkschaften das Rentenalter flexibilisieren wollen, setzen Schweizer Betriebe vermehrt auf ihre älteren Semester.

Laut dem Zürcher «Tages-Anzeiger» versuchen Firmen wie ABB Schweiz, eine bessere Altersdurchmischung der Belegschaft zu erreichen.

Die Zahlen sprechen für sich: Wenn in rund zehn Jahren die Babyboomer der 1950er-Jahre das Rentenalter erreichen, wird der Bestand der erwerbstätigen Bevölkerung in der Schweiz sinken. Dies prognostiziert das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco).

Nun entdecken immer mehr Firmen das Potenzial ihrer älteren Mitarbeitenden. «Sie haben mehr Erfahrung und einen gewissen Teamgeist», sagt Peter Hasler, Direktor des Arbeitgeberverbands, gegenüber swissinfo.

«Sie bringen auch Treue gegenüber dem Arbeitgeber und eine gewisse Konstanz mit, die man bei den Jungen nicht immer findet, die viel schneller ihre Arbeitsstelle wechseln.»

Verlust von Know-how

Das Gerücht, wonach ältere Arbeitnehmende viel mehr vergessen würden als jüngere, sei falsch, sagt Hasler. «Das Gehirn bleibt frisch», ist er überzeugt.

Für Martina Zölch, Professorin für Human Resource Management und Leiterin eines Forschungsprojekts zum Thema ältere Arbeitnehmende, brauchen die Schweizer Firmen die älteren Semester mehr denn je.

Sonst würden die Betriebe Gefahr laufen, auf einmal viel Know-how zu verlieren und auf einem ausgetrockneten Markt neue Arbeitskräfte rekrutieren zu müssen, sagte sie dem «Tages-Anzeiger».

Noch kein Trend

«Diese Tendenz – Arbeitnehmende über 62 nicht raus zu werfen – ist in unseren Augen positiv», sagt Ewald Ackermann, Sprecher des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB).

«Es ist jedoch noch zu früh, von einem Trend zu sprechen. Vielmehr handelt es sich um Absichtserklärungen der Unternehmen», dämpft er jedoch die Freude.

Der Arbeitgeberverband wird in diesem Frühling zusammen mit der Alters-Organisation «Pro Senectute» ein Buch zum Thema veröffentlichen. Auch Hasler will noch nicht von einem eigentlichen Trend sprechen.

Doch: «Wir haben das Gefühl, dass die grossen Firmen über die Frühpensionierungen der 1990er-Jahre nachzudenken beginnen. Damals hatte man genügend Vorsorgegelder zur Hand. Diese Mittel sind heute aufgebraucht.»

Zum Beispiel ABB

Eine Firma, die bereits auf die Förderung ihrer älteren Arbeitnehmenden setzt, ist ABB Schweiz. «Wir machen bereits vieles in diesem Bereich», sagt Pressesprecher Lukas Inderfurth gegenüber swissinfo.

«Doch wir müssen bereits vorausschauen, was für die nächsten 10 bis 15 Jahre unternommen werden muss. Es ist ein Prozess, der Schritt für Schritt vorangeht.»

So habe ABB beispielsweise bereits ein Lohnsystem eingeführt, dass die älteren Arbeitnehmenden nicht mehr automatisch in höhere Lohnklassen schiebe, sondern den Lohn nach der Jobbeschreibung richte. «Ob der Arbeitnehmende älter oder jünger ist, der Lohn bleibt gleich.»

Gewerkschaften skeptisch

«Die Alten behalten und sie wie Junge entlöhnen, das akzeptieren wir nicht», betont jedoch SGB-Sprecher Ackermann. «Die Erfahrung hat auch einen gewissen Wert, der lohnmässig ein Gewicht haben sollte.»

Ein weiteres Modell der ABB sieht vor, dass Manager bereits mit 60 Jahren ihren Job kündigen und darauf in die firmeneigene Beratungsfirma «Consic» einsteigen. «Dies erlaubt Jungen eine schnellere Karriere, während wir das Know-how der Älteren behalten können», betont Inderfurth.

Weiterbildung zentral

Wichtig für ältere Arbeitnehmende ist die Weiterbildung – auch nach 50. «Wir betonen, dass dies auch über 55 absolut Sinn macht», sagt Halser. «Vielleicht muss man sich überlegen, speziell Kurse für Ältere anzubieten.»

Als Mentor könnten diese Personen dann ihr Wissen an die jüngere Belegschaft weitergeben. «Man hat festgestellt, dass gemischte Teams (alte und junge Personen) besser funktionieren und sich besser auf ihre intellektuellen Kapazitäten konzentrieren», so Hasler.

Flexibilität sei also gefragt. Und zwar nicht nur bei den Arbeitnehmenden, sondern auch bei den Arbeitgebern. Dies vor allem, wenn es um die Arbeitsbedingungen der älteren Angestellten gehe, wie beispielsweise einer Reduktion des Arbeitspensums.

swissinfo

Auch die Landesregierung ist daran interessiert, dass ältere Menschen länger arbeiten. Mit verschiedenen Massnahmen sollen Anreize für eine vorzeitige Pensionierung beseitigt und neue für den Verbleib im Arbeitsprozess geschaffen werden.

So sieht die 11. Revision der Alters- und Hinterlassenen-Versicherung (AHV) eine weitere Flexibilisierung des Rentenalters vor. In eine ähnliche Richtung geht auch eine Volksinitiative der Gewerkschaften.

Die Arbeitslosen-Versicherung (ALV) soll Bildungs- und Beschäftigungs-Massnahmen bei älteren Arbeitslosen grosszügiger handhaben.

Zwangspensionierungen in der Verwaltung sollen nicht mehr erlaubt sein.

Der Bund will die Gesundheitsförderung mit diversen Kampagnen fördern und damit der Altersdiskriminierung entgegenwirken.

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