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Flughafen Zürich: «Die globale Nachfrage nach Flugreisen wächst, und wir bedienen sie»

Start eines Airbus A320 der Swiss Air Lines
Start eines Airbus A320 der Swiss Air Lines auf dem Flughafen Zürich. Keystone / Markus A. Jegerlehner

Der Flughafen Zürich rechnet langfristig mit einem jährlichen Passagierwachstum von 2%. Flughafendirektor Lukas Brosi erklärt, wie darauf reagiert werden kann, ohne die Anzahl der Flüge zu erhöhen und ohne das Ziel der CO2-Neutralität aus den Augen zu verlieren.

Er musste in diesem Winter etwas schwitzen – Lukas Brosi, Geschäftsführer der Flughafen Zürich AG. Die Verlängerung zweier Start- und Landebahnen seines Flughafens war nämlich Gegenstand einer Volksabstimmung. Am Ende stimmten 61,7% dafür.

Die Flughafen Zürich ist ein atypisches Unternehmen: Sie ist an der Börse kotiert, befindet sich aber auch teilweise im Besitz des Kantons Zürich (ein Drittel der Aktien) und der Stadt Zürich (5%).

Das Unternehmen ist nicht nur Eigentümerin und Betreiberin des Flughafens Zürich Kloten, sondern auch an wichtigen Immobilien- und Geschäftsaktivitäten rund um den Flughafen herum beteiligt.

Es beschäftigt rund 1700 Personen in Zürich und rund 475 im Ausland. Im Jahr 2023 betrug der Umsatz 1,2 Milliarden Franken und das Ergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisationen 677 Millionen Franken.

Im gleichen Jahr stieg die Zahl der Fluggäste auf 28,9 Millionen. Lukas Brosi empfing SWI swissinfo.ch im Hauptsitz des Unternehmens zum Interview.

SWI swissinfo.ch: Vor rund einem Jahr haben Sie die Leitung des Flughafens Zürich übernommen. Haben Sie seither eine neue Vision entwickelt?

Lukas Brosi: Das war nicht nötig. Ich bin seit 15 Jahren am Flughafen tätig, davon sieben Jahre als Finanzchef (CFO).

Da unser Unternehmen langfristig ausgerichtet ist, ist meine Rolle von Kontinuität geprägt. Der Umgang mit der Politik und der Bevölkerung ist für mich aber neu.

Dafür habe ich in letzter Zeit rund 20 Prozent meiner Zeit aufgewendet, namentlich im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Pistenverlängerung, welche die Zürcher Bevölkerung erfreulicherweise angenommen hat.

Lukas Brosi
Der Schweizer Lukas Brosi, 1979 geboren, ist seit 2009 bei der Flughafen Zürich AG. Zuvor war er neun Jahre bei der Grossbank UBS in Basel und Zürich tätig, nachdem er an der Fachhochschule Nordwestschweiz Betriebsökonomie studiert hatte. 2017 wurde er zum Chief Financial Officer der Flughafen Zürich AG befördert und übernahm im Mai 2023 die Funktion des Chief Executive Officer. Idd

Wo liegen die Stärken und Schwächen Ihres Flughafens?

Unser Flughafen liegt sehr nahe an der Stadt Zürich und ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut erreichbar. Zudem ist seine Kompaktheit ein grosser Vorteil für die Reisenden. Auch die Qualität unserer Dienstleistungen ist anerkannt, wie zahlreiche Auszeichnungen zeigen.

Unsere grösste Schwäche sind aber unsere Betriebszeiten von sechs Uhr morgens bis 23.30. Denn sie sind restriktiver als die vieler anderer europäischer Flughäfen.

Was sind die wichtigsten Verbesserungen, die in letzter Zeit für die Reisenden erreicht wurden?

Ich denke da vor allem an die Schnellscanner für Handgepäck an den Sicherheitskontrollen. Während der Osterferien haben wir erfolgreiche Tests durchgeführt, ab Juni dieses Jahres werden die Scanner in Betrieb genommen.

Welches sind die besten Flughäfen der Welt?

Die besten Flughäfen sind die neu gebauten, weil sie den Vorteil haben, auf einem neuen Fundament errichtet worden zu sein.

Ich denke da vor allem an einige Flughäfen im Nahen Osten wie Katar, Abu Dhabi und Dubai, aber auch an den Flughafen Istanbul.

Und welche sind Ihre Konkurrenten?

Anstatt von direkter Konkurrenz zu sprechen, sollte man eher sagen, dass wir mit den Flughäfen Frankfurt, München und Wien vergleichbar sind.

Mit den Flughäfen Genf und Basel stehen wir nicht in Konkurrenz, da wir unterschiedliche Einzugsgebiete und Geschäftsmodelle haben: Wir sind eine interkontinentale Drehscheibe, während sich Genf und Basel vor allem auf Punkt-zu-Punkt-Verbindungen konzentrieren.

Die Romandie hatte lange gebraucht, um die Rückverlegung der Langstreckenflüge von Genf nach Zürich im Jahr 1996 zu verdauen. Ist das Kriegsbeil nun begraben?

Auf jeden Fall!

Offiziell sind Sie die Luftverkehrsdrehscheibe der Schweiz, aber Ihre Website ist nur auf Deutsch und Englisch. Warum nicht auch in den anderen Landessprachen?

Zwei Drittel der Nutzenden unserer Website und unserer sozialen Netzwerke sind deutschsprachig, 25 Prozent englischsprachig. Für die Gate-Ansagen planen wir, künstliche Intelligenz einzusetzen, um diese auch in der Sprache des Ziellandes zu machen.

Sie sind eine an der Börse kotierte Aktiengesellschaft. Ist das ein Vorteil gegenüber dem Flughafen Genf, der als autonome öffentliche Anstalt funktioniert?

Unsere Privatisierung und der Gang an die Schweizer Börse, dem das Zürcher Stimmvolk im Jahr 2000 zugestimmt hat, waren wichtige Entscheide. Dadurch sind wir unternehmerisch flexibler und können schneller auf die Erwartungen professioneller Investorinnen und Investoren reagieren.

Natürlich müssen wir uns auch mit den Anwohnerinnen und Anwohnern, der Zivilgesellschaft und den politischen Mandatstragenden auseinandersetzen.

Der Hauptvorteil für die öffentliche Hand besteht darin, dass alle seit dem Jahr 2000 getätigten Investitionen mit privaten Mitteln finanziert wurden, die über den Kapitalmarkt und die Flughafengebühren beschafft werden konnten.

Mit anderen Worten: Wir haben keine staatlichen Subventionen erhalten und in den letzten 20 Jahren sogar 1,3 Milliarden Franken in Form von Steuern und Dividenden an die öffentliche Hand (Kanton, Stadt, Gemeinden) zurückbezahlt.

Welches sind die profitabelsten Segmente betreffend Kundschaft? Wie arbeiten Sie daran, diese zu vergrössern?

Unsere Aufgabe ist es, die gesamte Nachfrage zu befriedigen, und alle Fluggäste zahlen die gleiche Flughafengebühr. Das bedeutet, dass wir im Gegensatz zu den Fluggesellschaften nicht die Möglichkeit haben, unsere Rentabilität auf diese Weise zu optimieren.

Wir haben jedoch festgestellt, dass Menschen, die als Touristinnen und Touristen oder zu Besuch bei ihrer Familie sind, mehr Zeit am Flughafen verbringen als Geschäftsreisende und daher auch mehr Geld in unseren Geschäften und Restaurants ausgeben.

Blick auf einen Flughafen
«Sämtliche Investitionen seit dem Jahr 2000 wurden mit privatem Kapital finanziert». sagt Lukas Brosi. Keystone / Markus Mainka

Können Sie die Zahl der Flüge noch erhöhen?

Mit unserer heutigen Infrastruktur ist es möglich, die Zahl der Flüge zu erhöhen, da wir noch über Randzeiten verfügen, zum Beispiel um drei Uhr nachmittags, auch wenn diese Zeiten nicht sehr beliebt sind.

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Verlängerung der Start- und Landebahnen, welche die Bevölkerung kürzlich befürwortet hat, nur die Sicherheit und die Pünktlichkeit betrifft und an sich keine Erhöhung der Anzahl Flüge ermöglicht.

Wie sieht es mit dem Wachstum der Fluggäste aus?

Die Zahl der Flüge ist in den letzten 20 Jahren relativ stabil geblieben. Die Zahl der Fluggäste ist jedoch durch den Einsatz grösserer Flugzeuge und eine bessere Auslastung stark gestiegen.

Wir rechnen mit einem jährlichen Passagierwachstum von 2%, das aber stark vom Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum abhängt.

Ist die Reduzierung von Flugreisen nicht eine Grundvoraussetzung, um die globale Erwärmung wirksam zu bekämpfen?

Ich bin nicht dieser Meinung, denn die weltweite Nachfrage nach Flugreisen steigt weiter, und es ist unsere Aufgabe, diese Nachfrage zu bedienen.

Meiner Meinung nach muss die Luftfahrtindustrie ihre Fähigkeit zur Dekarbonisierung unter Beweis stellen, namentlich durch den Ersatz fossiler Brennstoffe durch nachhaltige Alternativen.

Auch wenn diese Alternativen derzeit nur 2-3% ausmachen, ist es wichtig, irgendwo anzufangen. Ziel ist es, bis 2050 CO2-neutral zu werden, was gemäss einem Bericht des Bundesrats als machbar giltExterner Link.

Was unsere Flughafeninfrastruktur betrifft, investieren wir Hunderte von Millionen Franken, um bis 2040 CO2-neutral zu werden.

Sie sind auch an acht Flughäfen in Entwicklungsländern beteiligt. Wie stehen Ihre staatlichen Anteilseigner dazu?

Der Besitz, Betrieb und Bau von Flughäfen im Ausland ist Teil unserer Diversifizierungsstrategie, die auf unseren Kernkompetenzen basiert.

Um das Risiko zu minimieren, konzentrieren wir uns auf Infrastruktur, die unabhängig von der politischen Ausrichtung der jeweiligen nationalen Regierungen private Investitionen erfordert, um die hohe Nachfrage zu befriedigen.

Zudem sind wir vor allem in Ländern wie Brasilien oder Indien aktiv, die auf eine positive Privatisierungsgeschichte zurückblicken können.

Und wir haben nicht den Ehrgeiz, die grösste Flughafenbetreiberin der Welt zu werden: Wir verfolgen eher einen opportunistischen Ansatz. Unsere staatlichen Anteilseigner (Kanton und Stadt Zürich) stehen voll hinter unserer Strategie.

Editiert Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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