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Genfer Uhrenmesse: «Wir brauchen mehr denn je physische Begegnungen»

Uhrenmesse
Die Uhrenmesse Watches and Wonders, die 2023 zum ersten Mal für das Publikum geöffnet wurde, zog mehr als 40'000 Interessierte an. Cyril Zingaro / Keystone

Die Genfer Uhrenmesse Watches and Wonders bereitet sich auf einen neuen Rekord von ausgestellten Marken und Eintritten vor. Ein Gespräch mit ihrem Direktor Matthieu Humair.

Die Uhrenmesse Watches and WondersExterner Link verzeichnete 2023 bereits einen Rekordandrang von Branchenleuten, und alle Eintrittskarten für das Publikum gingen bereits im Vorverkauf weg; insgesamt wurden in jener Woche 43’000 Einzeleintritte gezählt.

Die Ausgabe 2024 wird vom 9. bis 15. April 2024 in den Genfer Palexpo-Hallen stattfinden, wo Anfang März auch der Genfer Automobilsalon durchgeführt wurde. Während dieser einen herben Rückschlag hinnehmen musste, erwartet Watches and Wonders noch mehr Uhrenhersteller und Publikum.

Matthieu Humair, geschäftsführender Direktor der Stiftung, welche die Messe organisiert, hat SWI swissinfo.ch in seinem Genfer Büro zu einem ausführlichen Gespräch empfangen.

Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der HEC Lausanne war Matthieu Humair von 2009 bis 2013 bei der Fondation de la Haute Horlogerie tätig, die letzten zwei Jahre als Geschäftsführer.

Seither ist er Geschäftsführer der Watches and Wonders Geneva Foundation (WWGF), wo er ein Team von rund 30 Personen leitet, das sich während des Genfer Uhrensalons verdoppelt.

SWI swissinfo.ch: Was unterscheidet die Uhrenmesse Watches and Wonders in Genf von anderen Uhrenveranstaltungen?

Matthieu Humair, Watches and Wonders Geneva Foundation's CEO during the Watches and Wonders GENEVA, in Geneva, Switzerland, Wednesday, March 29, 2023. The Master Event of the Watches and Wonders ecosystem brings together the leading names of the Watchmaking and luxury industry from March 27 to April 2, 2023 at Geneva Palexpo. (KEYSTONE/Valentin Flauraud)
Matthieu Humair, CEO der Stiftung Watches and Wonders Geneva. Keystone/WWGF/Valentin Flauraud

Mathieu Humair: Watches and Wonders ist der Uhrengipfel, an dem die gesamte Branche zusammenkommt und mit einer einzigen Stimme spricht. Dieses Jahr begrüssen wir die Rekordzahl von 54 Marken, acht mehr als im Vorjahr. Während unseres Salons werden alle Uhrenneuheiten vorgestellt.

Darüber hinaus bieten wir unter anderem eine Reihe von personalisierten Erlebnissen und Begegnungen mit Uhrenherstellern an. Durch die grosse Medienpräsenz hat unsere Messe im vergangenen Jahr weltweit fast 700 Millionen Menschen erreicht.

Natürlich ist es interessant, andere Initiativen und Uhrenveranstaltungen zu beobachten, auch in Genf zur gleichen Zeit wie Watches and Wonders [Time to WatchesExterner Link, Anm. d. Red.]. Wir sehen darin vor allem eine Ergänzung und eine erfreuliche Begeisterung für unsere Branche.

Welches sind die wichtigsten Neuerungen im Vergleich zu 2023?

Um unsere acht neuen Marken unterzubringen, werden wir einen neuen Bereich in den Palexpo-Hallen schaffen.

Zum ersten Mal werden auch drei Tage für das Publikum geöffnet sein, während es 2023 noch zwei Tage waren. Dies wird eine einzigartige Gelegenheit sein, in das Herz einer dynamischen und innovativen Uhrenindustrie einzutauchen.

Es wird ein brandneues «LAB» im Herzen des Salons geben, wo Schulen, Startups und ausstellende Marken ihre Vision der Uhrmacherei von morgen präsentieren werden.

Schliesslich werden wir auch in der Stadt Genf präsenter sein, indem wir Konferenzen, Führungen, Animationen für Kinder und ein Uhrmacherdorf organisieren.

All diese Aktivitäten sind kostenlos und für alle zugänglich, da sie darauf abzielen, besonders bei der jungen Generation das Interesse zu wecken.

>> Mehr über die Schweizer Uhrenindustrie erfahren Sie in diesem Artikel:

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In einigen Branchen, etwa der Automobilindustrie, stehen die Präsenzmessen vor grossen Schwierigkeiten. Haben solche Messen überhaupt noch eine Daseinsberechtigung?

Unbedingt! Während der Pandemie haben wir zwei reine Online-Messen organisiert, und alle haben uns gefragt, wann wir wieder zu Präsenzmessen zurückkehren.

In einer zunehmend vernetzten Welt brauchen wir mehr denn je physische Begegnungen, Interaktion und echte Erlebnisse.

Wäre es für die Uhrenindustrie nicht besser, eine einzige grosse Messe zu haben, auf der alle wichtigen Marken vertreten sind?

Auf jeden Fall! Wir würden uns freuen, wenn Audemars Piguet und Richard Mille [die in der Vergangenheit ausgestellt haben, Anm. d. Red.] wieder dabei wären und wir die Marken der Swatch Group bei uns willkommen heissen dürften.

Aber wir sind schon sehr zufrieden mit der wachsenden Zahl von Marken, die uns ihr Vertrauen schenken, und es ist wohl nicht realistisch zu erwarten, dass wir jedes Jahr alle wichtigen Marken begrüssen können.

Genf gilt als Wiege der Uhrenindustrie. Ist dies ein Vorteil für Ihre Messe, vor allem im Vergleich zu Basel, wo sich die weltweite Uhrenindustrie bis zur letzten Baselworld im Jahr 2019 traf?

Natürlich spielt das eine wichtige Rolle, denn viele Uhrenmanufakturen haben ihren Sitz in Genf. Zudem war die Ankunft von Marken wie Rolex, Patek Philippe oder Chopard ein Wendepunkt in der Geschichte unserer Messe.

Schliesslich bietet Genf noch weitere wichtige Vorteile wie seine zentrale Lage in Europa, die Qualität seiner Infrastruktur und seiner Verkehrsverbindungen sowie das breite Hotelangebot.

Die Baselworld wurde wegen den hohen Hotelpreisen am Rheinknie kritisiert. Wie sieht es mit den Genfer Hotels aus?

Unsere gemeinnützige Stiftung arbeitet über das ganze Jahr mit allen Partnern an der Kostenkontrolle. Um Übertreibungen zu vermeiden, werden alle Hotelreservationen zentral über unsere Stiftung abgewickelt.

Auf den grossen europäischen Automobilmessen sind immer mehr chinesische Aussteller vertreten. Wie sieht es auf Ihrer Messe aus?

Wir begrüssen eine grosse japanische Marke, Grand Seiko, und zwei Marken der japanischen Citizen Group: Frédérique Constant und Alpina. Wir sind offen und sprechen mit allen Marken, die an einer Teilnahme interessiert sind.

Bisher hat sich jedoch noch keine chinesische Marke bei uns gemeldet. Generell ist der endgültige Entscheid über die Aufnahme neuer Marken ein kollektiver Entscheid unseres Lenkungsausschusses. Mit dem Ziel, eine gewisse Kohärenz zum Vorteil aller Beteiligten zu gewährleisten.

«Bisher hat sich noch keine chinesische Marke bei uns gemeldet»

Matthieu Humair, Direktor Watches and Wonders

Ihre Website ist in Englisch und Französisch. Zielen Sie nicht auch auf China, Japan oder Menschen aus arabischsprachigen Ländern ab?

Alle Märkte sind wichtig, und wir achten darauf, niemanden zu vergessen. Für China sind alle unsere Inhalte auf einer Wechat-Website zu finden, da dieses Medium bei den Chinesinnen und Chinesen sehr beliebt ist.

Ausserdem decken wir einen grossen Teil der Welt mit Englisch und Französisch ab. Wir nutzen auch einige lokale Verbindungen, zum Beispiel in Japan.

Ihre Stiftung hat bereits mehrere Messen in Shanghai organisiert. Werden Sie dies wiederholen oder sogar auf andere Länder ausdehnen?

Wir haben bereits drei erfolgreiche Veranstaltungen in Shanghai organisiert. Bei Watches and Wonders Shanghai 2023 waren 14 Marken vertreten, und es kamen 12’000 Besucherinnen und Besucher, darunter viele junge Menschen.

In den kommenden Jahren müssen die ausstellenden Marken ihre Strategie für Veranstaltungen im Ausland festlegen. Auf jeden Fall wird unsere Hauptmesse weiterhin in Genf stattfinden.

Sie zeigen jetzt nicht mehr nur «Elite-Marken», sondern auch Marken wie Alpina, die Uhren für weniger als tausend Franken anbieten. Warum?

Es ist ein Zeichen von Offenheit und Integration. Aus dem gleichen Grund haben wir letztes Jahr zum ersten Mal unsere Türen für das Publikum geöffnet.

Das Experiment ist geglückt: Unsere Messe zog Besucherinnen und Besucher aus 125 Nationen an, darunter 25% junge Menschen unter 25 Jahren.

Dass die Marken so unterschiedlich sind, zeigt die Vielfalt und Dynamik der Uhrenbranche. Die Besucherinnen und Besucher erhielten so einen umfassenden Überblick über das Schönste und Innovativste, was die Branche zu bieten hat, von Geheimtipps bis hin zu den Grossen der Branche.

Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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