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Grosse Nachfrage bei der «Dargebotenen Hand»

"Die Dargebotene Hand" - anonyme Hilfe am Telefon und im Internet.

Jedes Jahr wenden sich in der Schweiz mehr Menschen in Not an die "Dargebotene Hand", fast eine halbe Million waren es 2007. 640 Freiwillige geben rund um die Uhr Support; Tag für Tag.

«Keine Not ist zu klein für uns», betont Rudolf Bolliger, abtretender Zentralsekretär der Freiwilligen-Organisation «Die Dargebotene Hand». Sie will helfen, bevor es prekär wird. Alltagssorgen, Einsamkeit oder psychische Beeinträchtigungen lassen Menschen am häufigsten die Telefonnummer 143 wählen.

Doch nicht nur am Telefon, auch über E-Mail oder im Einzelchat können sich Menschen in Not beraten lassen.

«Dabei ist wichtig, dass wir in jedem Fall völlige Anonymität und Diskretion garantieren, das senkt die Hemmschwelle enorm», sagt Catherine Bezençon, Stellenleiterin für den Kanton Waadt in Lausanne, gegenüber swissinfo.

Zahlreiche Anrufe kämen von psychisch oder physisch Kranken, andere würden von Gewalterfahrungen berichten, litten unter finanziellen Problemen oder Einsamkeit, sagt Bezençon weiter.

Probleme mit persönlichen Beziehungen am Arbeitsplatz oder in Phasen der Trauer kämen bei der «Dargebotenen Hand» ebenfalls häufig zur Sprache.

Wenn Menschen ins Schleudern kommen

Obwohl die Telefonseelsorge vor rund 50 Jahren gegründet wurde, um suizidgefährdeten Personen zu helfen, steht das Thema Suizid heute eher am Ende des Spektrums bei den Hilfesuchenden.

«Manchmal braucht es wenig, was Menschen ins Schleudern und aus dem Gleichgewicht des Lebens bringt», sagt Tony Styger, Stellenleiter Zürich an der Pressekonferenz.

Am Beispiel des Yo-Yo-Spiels erläutert er, wie ein gefährdeter Mensch sogar kurz vor dem toten Punkt von aussen wieder «angeschoben» werden könne. «Unsere Stärke ist, im Gespräch auf die Menschen einzugehen und ihnen wieder zu Selbstvertrauen zu verhelfen.»

Styger nennt acht Lebensachsen, die aus dem Lot geraten können. Dazu gehören finanzielle Ressourcen, berufliche Integration, Bildung, soziale Integration, Herkunftsfamilie, Wohnsituation, Gesundheit und für Ausländer auch aufenthaltsrechtliche Integration.

Anspruchsvolle Freiwilligenarbeit

Als Freiwillige bei der «Dargebotenen Hand» arbeiten Frauen und Männer zwischen 30 und 65 Jahren ehrenamtlich, und zwar mindestens 30 Stunden im Monat, jeweils höchstens 4 Stunden am Tag. Über 80 Prozent von ihnen sind Frauen.

Die Freiwilligen werden einem strengen Eignungstest unterzogen. So müssen sie über persönliche Reife und Lebenserfahrung verfügen, gesund, stabil und psychisch belastbar sein, zuhören und schweigen können.

Bevor sie aber mit der Arbeit anfangen dürfen, müssen sie einen einjährigen Einführungskurs absolvieren.

«Nicht angenommen werden Kandidatinnen und Kandidaten, die selbst in unbewältigten Problemen stecken und etwa nicht mit dem Thema Gewalt umgehen können», präzisiert Andrea Weinhold, Stellenleiterin Ostschweiz und Fürstentum Liechtenstein.

Präventive Wirkung

Finanziert werden die lokalen Beratungsstellen teils von den Landeskirchen, teils von Spenden und Legaten, in einzelnen Fällen auch durch Beiträge durch die Kantone. Doch Bundessubventionen erhält die «Dargebotene Hand» nicht.

«Wir stellen regelmässig Anträge um Bundesgelder, doch bisher vergeblich», sagt Rudolf Bolliger. Und dies, obwohl die Seelsorge eine stark präventive Wirkung habe, dadurch im Gesundheitswesen Einsparungen in Millionenhöhe bewirke und so der ganzen Gesellschaft zugute komme.

swissinfo, Susanne Schanda

1953 Gründung einer Telefonseelsorge durch einen Londoner Pfarrer, um suizidgefährdeten Menschen zu helfen.

In der Folge breitete sich die Telefonseelsorge mit Mitarbeit von Freiwilligen in ganz Europa aus.

1957 wurde die «Dargebotene Hand» Zürich gegründet. Initiant war die Stadtmission Zürich mit Unterstützung von Gottlieb Duttweiler.

1959 entstand die erste französischsprachige Stelle in Genf.

Seit 2007 gibt es in der ganzen Schweiz 14 lokale Stellen mit einem Team von 25 Festangestellten und 640 Freiwilligen.

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