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Mehr Ferien – Traum oder Belastung?

Erholung von der Arbeit beim Campen. Keystone

Sechs Wochen Ferien für alle: Das will eine Initiative der Gewerkschaften. Mehr Arbeitsbelastung verlange nach mehr Erholung, so ihr Argument. Mehr Ferien seien wirtschaftlich nicht tragbar, sagen die Gegner. Am 11. März stimmt das Volk ab.

Die Volksinitiative «6 Wochen Ferien für alle» verlangt mindestens sechs Wochen bezahlte Ferien für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative genauso ab wie die Arbeitgeberverbände und die bürgerlichen Parteien. Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Grüne empfehlen sie zur Annahme.

Initiantin ist die Gewerkschaft Travail.Suisse. Sie reichte die Volksinitiative am 26. Juni 2009 mit 107’639 gültigen Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein. Stress am Arbeitsplatz – so die Gewerkschaft – verursache jährlich Kosten von 10 Milliarden Franken. Deshalb brauche es einen Ausgleich zwischen Arbeitsbelastung und Erholung.

«Das Arbeitsleben ist ein Marathon, kein Sprint. Es dauert 40 oder 50 Jahre, da muss man haushälterisch umgehen mit der eigenen Arbeitskraft. Wir stellen fest, dass die Belastungen in den vergangen Jahren massiv gestiegen sind. Die Leute können nicht mehr bis zur Pensionierung arbeiten, weil sie krank werden. Es braucht einen Ausgleich, es braucht mehr Ferien», sagt Martin Flügel, Präsident von Travail.Suisse gegenüber swissinfo.ch.

Wettbewerbsfähigkeit schwächen

«Ferien sind ein Element der Arbeitskosten. Diese sind in der Schweiz ohnehin schon hoch. Die Frankenstärke hat sie noch weiter in die Höhe getrieben. Wir können es uns nicht leisten, per Gesetz höhere Personalkosten zu dekretieren», sagt Thomas Daum, Direktor des Arbeitgeberverbandes gegenüber swissinfo.ch.

«Wenn wir von höheren Kosten reden, sind das keine Kleinigkeiten. Eine zusätzliche Ferienwoche löst rund 2% zusätzliche Kosten aus. Da sind die Organisationskosten und die entgehende Wertschöpfung noch nicht einberechnet. Gesamtvolkswirtschaftlich sprechen wir von mehreren Milliarden jährlichen Kosten», so Daum: «Das würde die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft entscheidend schwächen.»

Gesundheitliche Belastungen

Zudem habe die Schweiz je nach Branche, deren Bedürfnissen und Möglichkeiten unterschiedliche und grosszügige Ferienregelungen. «Wir haben in verschiedenen Branchen mehr Ferien, als gesetzlich vorgesehen. Dazu kommen acht oder neun Feiertage jährlich. Die Möglichkeit, die Ferien differenziert festzulegen, würde wegfallen», sagt Daum.

«Die Schweizerinnen und Schweizer arbeiten gerne und viel» sagt Martin Flügel, «aber heute gehen die gesundheitlichen Belastungen zu weit. Die höhere Arbeitsbelastung kostet uns 10 Milliarden jährlich. Dazu kommen die Folgekosten für die Invalidenversicherung oder die Sozialhilfe. Die Leute treten früher aus dem Arbeitsleben aus.» Das werde mit der demographischen Entwicklung, also mit der Überalterung «noch schlimmer» werden.

Argument Arbeitsplätze

«Mehr Ferien würden nicht zwangsläufig zu einer entsprechenden Erholungswirkung führen», sagt Daum, «denn es kommt sehr darauf an, was die Arbeitnehmenden in den Ferien tun. Wir wissen alle, dass Ferien oft stressiger sind als die Zeit am Arbeitsplatz. Wenn sich die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft verringert, hat das zur Folge, dass andere Leistungen reduziert werden müssen. Mehr Ferien heisst weniger Arbeitsplätze.»

Dem halten die Befürworter entgegen, dass die Initiative eine Übergangsfrist von sechs Jahren vorsehe und die zusätzlichen Ferientage gestaffelt eingeführt würden: «Das ergibt eine Belastung von 0,3 Lohnprozenten pro Jahr. Die Wirtschaft ist fit genug, um das zu ertragen.»

Die Volksinitiative «6 Wochen Ferien für alle» verlangt eine Änderung der Bundesverfassung. Für ein Ja ist eine doppelte Mehrheit, also ein Mehrheit von Volks und Ständen nötig.

Der Ferienanspruch in der Schweiz ist im Obligationenrecht (OR) geregelt.

1984 hat das Parlament das OR revidiert und den gesetzlichen Ferienanspruch gesamtschweizerisch festgelegt.

Vorher dauerten die gesetzlich festgelegten Mindestferien je nach Kanton jährlich zwei oder drei Wochen. Seit der OR-Revision haben alle Schweizer Arbeitnehmerinnen und –Arbeitnehmer das Recht auf mindestens vier Wochen Ferien.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zum vollendeten 20. Altersjahr und Lehrlingen gewährt das Gesetz seither eine fünfte Ferienwoche.

Minimum Ferien- und Feiertage

Schweiz: 20+8=28

Finnland: 25+14=39

Österreich: 25+13= 38

Griechenland: 25+12=37

Frankreich: 25+11=36

Portugal: 22+14=36

Spanien: 22+14=36

Schweden: 25+11=36

Dänemark: 25+10=35

Luxemburg: 25+10=35

Deutschland: 20+13=33

Belgien: 20+10=30

Italien: 20+10=30

Irland: 20+9=29

Holland: 20+8=28

UK: 20+8=28

Quelle: Mercer Human Resource Consulting.

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