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Pensionskassen: Regierung wirft Rettungsring

Mit einer Reihe von Sanierungsmassnahmen sollen die zahlreichen Pensionskassen mit Unterdeckung wieder ins Lot kommen.

Der Bundesrat hat tiefere Zinsen sowie Sanierungsbeiträge für Sozialpartner und Rentner zur Diskussion gestellt. Das Paket soll im Eilverfahren im Frühling 2004 in Kraft gesetzt werden.

Wegen der anhaltend schlechten Lage der Finanzmärkte befinden sich zahlreiche Pensionskassen in Unterdeckung, wie das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) schreibt.

Von einer Unterdeckung spricht man dann, wenn die eingegangenen Vorsorgeverpflichtungen der Pensionskasse das vorhandene Vermögen übersteigen.

Doch die heutigen Möglichkeiten des Gesetzes über die berufliche Vorsorge (BVG) seien zur Behebung dieser Unterdeckungen nicht in jedem Fall ausreichend.

Mit einer Reihe von Sanierungsmassnahmen, die am Mittwoch in die Vernehmlassung geschickt wurden, will der Bundesrat darum den gefährdeten Kassen zu Hilfe kommen.

Alle müssen bluten

Dabei wird keine Seite verschont. Zur Diskussion stehen die Unterschreitung der Mindestverzinsung sowie Sanierungsbeiträge der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und auch der Rentner.

Bei erheblicher Unterdeckung sollen Pensionskassen die Altersguthaben zu einem tieferen Satz als dem Mindestzinssatz verzinsen dürfen. Zudem sollen die betroffenen Kassen die Möglichkeit erhalten, bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern Beiträge zur Behebung der Unterdeckung zu erheben.

Solche Beiträge würden teilweise zwar heute schon erhoben, mit einer Änderung des Freizügigkeitsgesetzes solle jedoch sicher gestellt werden, dass diese Beiträge auch bei einem Stellenwechsel der Versicherten in der Vorsorgekasse bleiben.

Pensionskassen mit Unterdeckung, die einen hohen Anteil an Rentnern aufweisen, sollen auch die Pensionierten zur Kasse bitten dürfen.

Allerdings nur zeitlich befristet. Und nur wenn die Rentnerinnen und Rentner in Zeiten hoher Vermögenserträge auch in den Genuss von Leistungsverbesserungen gekommen sind.

Das BVG-Minimalguthaben darf durch den Rentnerbeitrag nicht geschmälert werden.

Kassen weiterhin selber verantwortlich

Die vorgestellten Massnahmen sollen nichts an den Verantwortlichkeiten ändern: Auch in Zukunft sollen die Pensionskassen eigenverantwortlich entscheiden, welche Massnahmen zur Anwendung kommen.

Dem Bundesrat eilt es mit seinem Massnahmenpaket. Er will die definitive Botschaft nach einer nur sechswöchigen Vernehmlassungsfrist Mitte September verabschieden.

Das Parlament soll die Vorlage dann im Sonderverfahren in der kommenden Wintersession im Dezember beraten. Die Massnahmen könnten auf das erste Quartal des nächsten Jahres in Kraft gesetzt werden.

Heftige Kritik an geplanten Rentensenkungen

Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Sanierungsbeiträge von Seiten der Rentnerinnen und Rentner stossen auf wenig Gegenliebe. Sowohl die Parteien als auch die Betroffenen kündigten ihren Widerstand an. Unbestritten war hingegen, dass bei der Sanierung der Pensionskassen Handlungsbedarf besteht.

Die Sozialdemokratische Partei (SP) lehnt Rentenkürzungen entschieden ab, wie SP-Sprecher Jean-Philippe Jeannerat sagte. Die Sanierungsbeiträge der aktiven Arbeitnehmer müssten zudem unbedingt nach oben begrenzt werden. Bei gewissen Kassen, die aus strukturellen Gründen überdurchschnittlich viele Rentner aufweisen, müsse sich der Sicherheitsfonds an der Sanierung beteiligen.

Tabu ist die Senkung der Renten auch für die Schweizerische Volkspartei (SVP). Partei-Sprecher Yves Bichsel bezeichnete die Vorschläge als «reines Flickwerk», das keine Probleme löse. Die SVP fordere vom Bundesrat in der für September erwarteten Botschaft ein neues Konzept zur Sicherung der gesamten Altersvorsorge.

Kritisch steht auch die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) den vorgeschlagenen Beiträgen der Rentner gegenüber. «Wir müssen uns vor einem Schnellschuss, der weit reichende und nachhaltige Konsequenzen hat, hüten», sagte CVP-Sprecherin Beatrice Wertli.

Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) begrüsste, dass der Bundesrat das Problem der Unterdeckung ernst nehme. Parteisprecher Christian Weber warnte vor Panikmache. «Man hat gesehen, wohin das führt», erklärte er und verwies auf die Diskussionen um den Mindestzinssatz. Die Renten seien nicht in Gefahr.

Warnung vor aufkommender Altersarmut

Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) lehnt einen Beitrag der Rentner kategorisch ab. Er sprach sich auch gegen die Unterschreitung des Mindestzinssatzes durch einzelne Kassen aus, da damit BVG-Leistungen gefährdet würden. Die Arbeitgeber sollen sich laut SGB zu zwei Dritteln an den Sanierungsbeiträgen beteiligen.

Für den Schweizerischen Arbeitgeberverband sind Sanierungsbeiträge seitens der Arbeitgeber und Arbeitnehmer nur im Notfall angebracht. Die Beiträge dürfen keineswegs als Kompensation für eine verfehlte Anlagepolitik verwendet werden, wie Verbands-Sprecher Hans Reis sagte. «Was die Anpassung des Mindestzinssatzes betrifft, teilen wir die Auffassung des Bundesrates, erklärte er.

Auf Gegenwehr stossen die Rentenkürzungen auch bei den Senioren. Die Präsidentin der Seniorendachorganisation (VASOS), Angeline Fankhauser, kritisierte die mangelnde Transparenz über die Führung der Pensionskassen. Der Angriff auf die Renten stelle das ganze System in Frage und verletze das Prinzip von Treu und Glauben. Fankhauser warnte vor einem erneuten Aufkommen der Altersarmut.

swissinfo und Agenturen

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