Pierre Besson: Der Magic Pass soll ein grösseres Sommerangebot bekommen
Die Schweizer Genossenschaft, welche den Magic Pass für verschiedene Feriendestinationen vermarktet, steht vor einer Herausforderung: Angesichts der grossen internationalen Konkurrenz wie Vail Resorts und des Klimawandels will sie die Lust auf die Berge wieder wecken und das Sommerangebot der Wintersport-Destinationen erweitern. Ein Gespräch mit dem Präsidenten Pierre Besson.
Die 2017 in Sitten im Kanton Wallis gegründete Genossenschaft Magic Mountains Cooperation hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Zugang zu den Bergen und deren Freizeitaktivitäten zu fördern.
Die Genossenschaft vermarktet den Magic Pass, ein Jahresabonnement für durchschnittlich etwas mehr als 450 Franken. Es bietet unbegrenzten Zugang zur Infrastruktur von 80 Feriendestinationen.
Mit 180’000 verkauften Abonnementen und einem Umsatz von rund 70 Millionen Franken im Jahr 2023 ist der Magic Pass aus der Schweizer Bergwelt nicht mehr wegzudenken.
Dennoch mangelt es nicht an Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen Klimawandel, internationaler Konkurrenz und neuen Wünschen der Kundschaft.
Vor diesem Hintergrund empfing Pierre Besson, Präsident der Genossenschaft Magic Mountains, SWI swissinfo.ch an ihrem Sitz unweit des Flughafens Sitten.
Der 1953 in Vevey im Kanton Waadt geborene Ingenieur HTL (Höhere Technische Lehranstalt) arbeitete von 1976 bis 1994 für die POMA-Gruppe, einen Hersteller von Skiliften, hauptsächlich in der Schweiz und nebenbei in Frankreich, Deutschland und Österreich.
Von 1994 bis 2019 leitete er die Bergbahnen von Villars-Gryon-Diablerets.
Seit 2017 ist Besson Präsident der Magic Mountains Cooperation, einer Genossenschaft, die er zusammen mit drei weiteren Personen gegründet hat: Sébastien Travelletti (Direktor von Swisspeak Resorts, Präsident von Télé Anzère und Anzère Tourisme, Vizepräsident der Magic Mountains Cooperation), Pascal Bourquin (Direktor der Bergbahnen Grimentz-Zinal) und Jean-Daniel Clivaz (Hotelier-Restaurateur, Präsident des Tourismusbüros von Crans-Montana).
SWI swissinfo.ch: Welches sind die grössten Herausforderungen für Ihre Genossenschaft und das Multi-Resort-Angebot Magic Pass?
Pierre Besson: Vor der Lancierung unseres Multi-Resort-Passes im Jahr 2017 waren die Gästezahlen in den Schweizer Bergen innerhalb von zwei Jahrzehnten um rund 28% zurückgegangen.
Dank dem Magic Pass ist die Freizeitgestaltung in den Bergen wieder stärker ins Bewusstsein der Schweizer Bevölkerung gerückt.
Unsere grösste Herausforderung wird sein, diese Begeisterung sowohl bei der Bevölkerung als auch bei unseren 80 Ferienorten im Winter wie im Sommer nachhaltig aufrechtzuerhalten.
Der Magic Pass ist vor allem für seine Winterangebote bekannt. Welche Bedeutung hat die Sommersaison?
Die Sommersaison ist sehr wichtig. Eine unserer Prioritäten ist es, das Angebot zu erweitern, das im Frühling und Herbst etwas eingeschränkt ist.
Früher verdienten die Skigebiete ausreichend Geld mit ihren Winteraktivitäten. Durch die Klimaerwärmung wurde der Sommerbetrieb für viele Skigebiete unverzichtbar.
Dies gilt umso mehr, als viele Menschen während der sommerlichen Hitzeperioden die Kühle der Berge suchen.
Von unseren 80 Mitgliedern bieten bereits 37 ein Sommerangebot an. Und wir haben kürzlich einige Stationen in unser Paket aufgenommen, die für ihre qualitativ hochwertigen Sommerangebote bekannt sind.
Zu den Sommeraktivitäten, die von unseren Stationen angeboten werden, gehören Mountainbiking, Ziplining, Seilparks, Gleitschirmfliegen, Wandern und vieles mehr.
Einige Stationen wie Crans-Montana und Andermatt haben eine sehr internationale Kundschaft. Wie steht es um Ihre Mitglieder?
Crans-Montana und Andermatt wurden kürzlich von Vail Resorts übernommen. Diese grosse amerikanische Gruppe hat viele Kundinnen und Kunden aus New York, die es gewohnt sind, fünf Stunden in die Rocky Mountains zu fliegen, um dort Ski zu fahren.
Und das zu Preisen, die weit über dem europäischen Niveau liegen. Für dieses Segment sind ein paar Flugstunden nach Crans-Montana oder Andermatt kein Hindernis.
Es versteht sich von selbst, dass unser Ansatz viel stärker lokal ausgerichtet ist und die überwiegende Mehrheit unserer Kundschaft in der Schweiz wohnt. Unser Hauptziel ist die Entwicklung von Freizeitaktivitäten in den Bergen für die Bevölkerung, die in der Nähe unserer Skigebiete lebt.
Wie sehen Sie Ihre räumliche Entwicklung?
Die meisten unserer Stationen befinden sich in den Kantonen Bern (26 Stationen), Wallis (21) und Waadt (11). Wir haben auch sechs Stationen in Frankreich und zwei in Italien. Der Rest verteilt sich auf drei weitere Kantone.
In den Kantonen Wallis und Freiburg zählen derzeit rund 10% der Bevölkerung zu unserer Kundschaft, im Kanton Waadt sind es 6%.
Wir expandieren schrittweise und berücksichtigen dabei die Wünsche unserer bestehenden und potenziellen Kundschaft. So sind wir beispielsweise daran, unser Angebot auf der Achse Bern-Thun und in der Zentralschweiz auszubauen.
Um unsere Genfer Kundschaft zu erweitern, prüfen wir die Möglichkeit, unser Angebot auf die französischen Skigebiete auszudehnen, die über die Autoroute Blanche (A40) erreichbar sind.
Werden Ihre Skigebiete manchmal Opfer des Übertourismus?
Ein Skigebiet hat keine strikte Maximalkapazität. Dennoch sind unsere Skigebiete an vier bis fünf Tagen im Jahr leicht überlastet. Ich bin mir bewusst, dass dies unangenehm sein kann und sich auf die gesamte Empfangskette auswirkt: auf die Strassen, die Warteschlangen an den Liften, die Pisten, die Restaurants und die Toiletten.
Diese punktuellen Überlastungen sind jedoch nicht vermeidbar, da sie von unkontrollierbaren Faktoren abhängen, vor allem vom Wetter.
Sie vermarkten Pauschalangebote und verteilen die Einnahmen an Ihre Mitglieder. Gibt es Diskussionen über den Verteilungsschlüssel?
Der Verteilungsschlüssel war nie ein Thema. Vereinfacht ausgedrückt funktioniert unser System wie folgt: Angenommen, ein unabhängiges Skigebiet verkauft Saisonkarten im Wert von einer Million Franken [bevor es Teil des Magic Pass wurde], was 30’000 Skitagen entspricht.
Wir garantieren diesem Skigebiet eine jährliche Zahlung von einer Million Franken. Wenn es in einer Saison 50’000 Skitage generiert, bezahlen wir die zusätzlichen 20’000 Skitage.
Darüber hinaus fliesst 1% unserer Einnahmen in einen Solidaritätsfonds, aus dem niedrig gelegene Skigebiete bei Schneemangel unterstützt werden.
Das heisst, alle ihre Ferienorte sind zufrieden?
Gemeinsam bringen wir mehr Menschen in unsere Berge und verteilen den Überschuss gerecht, so dass alle unsere Mitglieder davon profitieren. So haben alle unsere Skigebiete – nicht nur die grossen – ihren Umsatz durch den Magic Pass gesteigert.
Von dieser neuen Begeisterung für die Berge profitierte das gesamte Ökosystem der Berge, einschliesslich der Restaurants, Skischulen, Ausrüstungsverkäufer und sogar der Skigebiete ausserhalb des Magic Pass.
Nach welchen Kriterien werden neue Mitglieder aufgenommen?
Wichtig ist, dass jedes neue Resort mehr Einnahmen [gemessen am Gästezuwachs] als Kosten generiert. Aus diesem Grund wollten wir zum Beispiel Saas-Grund nicht aufnehmen, da es in zu direkter Konkurrenz zu Saas-Fee gestanden hätte.
Warum haben Sie sich für eine Genossenschaft und nicht für die flexiblere Rechtsform einer Aktiengesellschaft entschieden?
Ich muss zugeben, dass ich von dieser Rechtsform zunächst nicht begeistert war. Eine Genossenschaft hat aber den Vorteil, dass alle unsere Mitglieder gleichberechtigt sind.
Bei einer Aktiengesellschaft hätten unsere drei Hauptorte (Saas-Fee, Grimentz und Villars) eine zu grosse Macht gehabt, was für unsere kleinen Orte nicht akzeptabel gewesen wäre.
Lassen Sie sich von grossen ausländischen Unternehmen wie Vail Resorts, Alterra (beide USA), Compagnie des Alpes (Frankreich) oder Skistar (Schweden) inspirieren?
Auf jeden Fall. Ich hatte sogar mehrmals die Gelegenheit, in die USA zu reisen. Und Sébastien Travelletti, der Vizepräsident unserer Genossenschaft, hat sogar für Vail Resorts gearbeitet. Der Magic Pass wurde eindeutig vom Epic Pass inspiriert, dem Flaggschiff von Vail Resorts.
Dennoch kaufen Unternehmen wie Vail Resorts Skigebiete auf, während unsere Genossenschaft natürlich keine Skigebiete besitzt. Vail Resorts kauft auch kleine Skischulen, Sportgeschäfte und Restaurants.
In unserem Fall konzentrieren wir uns lieber auf unser Kerngeschäft. Die grossen Skischulen wollen ohnehin ihre Unabhängigkeit behalten.
Wird Ihr Sektor in Zukunft von einer Handvoll grosser globaler Akteure dominiert?
Vielleicht, aber nicht in naher Zukunft, was die Schweiz betrifft.
Ich stelle jedoch fest, dass Vail Resorts, das an der New Yorker Börse kotiert ist, bereits über 40 Skigebiete auf der ganzen Welt besitzt. Aus zuverlässiger Quelle weiss ich, dass sie vorhaben, weitere fünf bis sechs Resorts in der Schweiz und etwa drei in Österreich zu kaufen.
Man muss zugeben, dass der Einstieg von Vail Resorts die Schweizer Skigebiete beunruhigt, da sie ausländische Einflussnahme befürchten. Die Eigentümer der Schweizer Skigebiete könnten durch Angebote angelockt werden, die fünf- bis sechsmal höher sind als der Marktwert ihres Unternehmens. Vail Resorts könnte sogar einige kleinere Skigebiete aufkaufen, die Mitglieder des Magic Pass sind.
Editiert von Pauline Turuban, Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub
Mehr
Die neusten Geschichten
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch