Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Sozial-politischer Meilenstein

Lange Verhandlungsrunden und Streikdrohungen der Arbeitnehmer waren der Einigung voran gegangen. Keystone Archive

Der neue Landesmantel-Vertrag im Baugewerbe steht. Die Finanzierung des flexiblen Rentenalters wird mit Konzessionen bei den Löhnen kompensiert.

In der Nacht auf Dienstag haben sich die Sozialpartner im Baugewerbe auf einen neuen Landesmantel-Vertrag geeinigt.

Sowohl die Vertreter der Gewerkschaften Syna sowie Bau und Industrie (GBI) wie auch des Schweizerischen Baumeister-Verbandes (SBV) zeigten sich am Dienstag an einer Medienorientierung froh über das Zustandekommen des Vertragswerkes.

Der Einigung von Montagnacht voran gegangen waren 9 Verhandlungs-Runden. Den Höhepunkt markierte eine Grosskundgebung vom 16. März in Bern, an der gegen 12’000 Bauarbeiter Lösungen für ein Rentenalter ab 60 Jahre forderten. Die Beschäftigten drohten mit Streik.

Zugeständnisse auf beiden Seiten

Die nun vorgelegte Vereinbarung zeigt, dass beide Parteien Federn lassen mussten. Die Pensionierung mit 60 Jahren soll stufenweise bis zum Jahr 2006 eingeführt werden. Die Finanzierung erfolgt über Beiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.

Insgesamt stehen ab 2004 5 Lohnprozente zur Verfügung, was einem Volumen von rund 250 Mio. Franken entspricht.

Im Gegenzug haben die Gewerkschaften ihre Lohn-Forderungen zurückgeschraubt. Für jeden der knapp 100’000 Bauarbeiter in der Schweiz gibt es für das laufende Jahr 80 Franken pro Monat mehr Lohn. Zusätzlich sollen 20 Franken pro Kopf individuell verteilt werden.

Das entspricht dem Standpunkt der Baumeister. Die Gewerkschaften hatten eine generelle Lohnerhöhung von 120 Franken pro Monat gefordert.

Keine Verhandlungen für 2003

Für das Jahr 2003 gibt es keine zusätzlichen Lohnverhandlungen. Die Unternehmer zahlen den Beschäftigten den Teuerungsausgleich.

Für 2004 könne die Diskussion wieder aufgenommen werden, sofern es die wirtschaftliche Situation erlaubt.

Genehmigung der Basis noch ausstehend

Der neue Landesmantel-Vertrag muss noch von der Berufskonferenz der GBI am kommenden Samstag und am 12. April von der Delegiertenversammlung des SBV genehmigt werden. «Wir gehen davon aus, dass der Vertrag ratifiziert wird», sagte SBV-Präsident Heinz Pletscher. Er sei froh über die Einigung.

Für die Baumeister müsse eine Lösung zur vorzeitigen Pensionierung finanzierbar sein, sagte Pletscher. Dies sei mit dem Einlenken der Gewerkschaften bei den Lohnforderungen möglich geworden.

«Das Gute dauert manchmal länger», sagte GBI-Zentralpräsident Vasco Pedrina. Die Möglichkeit zur Pensionierung ab 60 Jahren sei ein sozialpolitischer Meilenstein und «grösster Fortschritt in den letzten Jahrzehnten», sagte er.

GBI-Verhandlungsleiter Hans-Ueli Scheidegger erklärte, dass nach der vorliegenden Lösung Bauleute mit tiefen und mittleren Einkommen im Falle eines vorzeitigen Ruhestandes 80 Prozent des Bruttolohnes erhalten. Zudem übernehme eine Stiftung die Prämien für die Pensionskasse und die AHV-Beiträge bis 65, damit keine Renten-Einbussen entstehen.

Arbeitssicherheit weiter verbessern

Gewerkschaften und Bauleute kämpften so vehement für die vorzeitige Pensionierung, weil aufgrund der harten körperlichen Arbeit und der Unfallgefahr nur 60 Prozent der Bauleute das Pensionsalter «einigermassen gesund» erreichten.

Pletscher präzisierte am Dienstag, dass gemäss Suva-Studien die Zahl der Unfälle auf dem Bau zurückgegangen sei. Einig waren sich die Sozialpartner, dass bei der Arbeitssicherheit weitere Fortschritte erzielt werden sollen.

swissinfo und Agenturen

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft