Trumps Zölle: Das ist die Position der Schweiz

Für Schweizer Exporteure sollen in den USA Zölle von 31% in Kraft treten. Die Schweizer Regierung sucht den Dialog mit den USA. Die Wirtschaft hofft auf eine Lösung.
Was unternimmt die Schweiz?
Die Schweizer Reaktion auf die hohen Zölle war zunächst zurückhaltend. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter sagte an einer ersten Pressekonferenz zum Thema, dass die US-Berechnung der «unfairen» Handelsbedingungen mit der Schweiz dem Versuch gleichkomme, «eins plus eins gleich drei» zu machen. Sie warnte jedoch, dass Gegenmassnahmen grösseren Schaden für die Wirtschaft verursachen könnte.
Am 9. April hat Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter dem US-Präsidenten Donald Trump in einem Telefonat von 25 Minuten Dauer die Schweizer Position dargelegt.
Laut Wirtschaftsminister Guy Parmelin habe sie dabei bekräftigt, dass Schweizer Unternehmen positive Signale brauchten, um weiterhin oder sogar vermehrt in den US-Markt investieren zu können. Sie habe zudem auf die Bedeutung der Berufsausbildung von Schweizer Unternehmen in den USA hingewiesen.
In einem Telefonat habe ich Präsident @realDonaldTrumpExterner Link die Haltung der Schweiz zum bilateralen Handel und Möglichkeiten, die Ziele der USA zu adressieren, erläutert. Wir sind übereingekommen, die Gespräche im Interesse beider Länder fortzusetzen.
— Karin Keller-Sutter (@keller_sutter) April 9, 2025Externer Link
Parmelin schloss nicht aus, dass der Anruf aus der Schweiz zu Trumps kurz darauf kommunizierter Zollwende beigetragen habe: «Der Anruf war Teil des Ganzen. Wir versuchten den Mehrwert, den die Schweiz den USA bringt verständlich zu machen», sagte der Schweizer Wirtschaftsminister vor den Medien.
«Die Bundespräsidentin sagte auch, dass 31% gegenüber anderen Ländern fast eine Diskriminierung darstelle», informierte Parmelin.
«Die Bundespräsidentin hat gegenüber dem US-Präsidenten die bedeutsame Rolle von Schweizer Unternehmen und Investitionen in den USA betont», sagte ein Sprecher von Keller-Sutter zum Telefonat.
Eine Delegation des Wirtschaftsministeriums flog bereits am Sonntag nach Trumps Ankündigung in die USA, um Gespräche einzufädeln und einen geplanten US-Aufenthalt von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter sowie Wirtschaftsminister Guy Parmelin ab dem 22. April vorzubereiten.
Zudem hat der Bundesrat einen Sondergesandten für die USA ernannt. Es ist Botschafter Gabriel Lüchinger; er leitet neu eine Projektorganisation, welche die Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA steuert.
Welche Argumente hat die Schweiz?
Die Schweizer Regierung argumentiert, dass die USA die in die Schweiz exportierten US-Dienstleistungen nicht in die Berechnung der Handelsbilanz eingezogen habe, darunter etwa Software-Lizenzen.
Würden die importierten Dienstleistungen (Wert: 21 Mrd. Franken) mitberücksichtigt, wäre der Handelsbilanzüberschuss der Schweiz etwa halb so gross wie in der von der Trump-Administration ausgeführten Berechnung: anstatt 38,5 Mrd. noch 18 Mrd. Franken.
Zudem ist die Schweiz eine grosse Investorin in den USA. Sie ist Nummer 7 aller Staaten und unter diesen sieben die Investorin, welche die höchsten Durchschnittsgehälter in den USA bezahlt. Schweizer Unternehmen beschäftigen in den USA ein halbe Million Arbeitnehmende.
Weitere Spielkarten im Poker um die Zölle sieht die Schweizer Regierung in ihren Guten Diensten, die sie für die USA im Iran ausführt. Zudem kann sie den USA anbieten, ihr Knowhow im Bereich duales Bildungssystem und den Schweizer Berufslehren weiterzugeben.
Welche Angebote hat die Schweiz?
Die Schweiz hat ihre Import-Zölle für Industriewaren bereits auf Null gesetzt und kann den USA in dieser Hinsicht nichts mehr bieten. Zölle bestehen noch bei den US-Agrarprodukten. Im Zentrum der Schweizer Überlegungen stehen laut Medienberichten nun ein Angebot von Investitionszusagen.
Wer ist von den Trump-Zöllen betroffen?
Die neuen Zölle durch die USA betreffen einige Bereiche der Schweizer Wirtschaft besonders, darunter die Uhrenindustrie (Exportwert 4 Mrd. Franken), Maschinenindustrie (3,1 Mrd. Franken) und Medizinaltechnik.
Auch Schweizer Lebensmittel wie Schokolade und Käse sind betroffen, ihr Exportwert beträgt je etwas mehr als 100 Millionen Franken. Eine Milliarde Franken der Schweizer US-Exporte entfällt auf Kaffee, vor allem auf die Nespresso-Kapseln.
Die USA haben auf die Schweiz mit 31% viel höhere Zölle als auf andere Länder in Europa angekündigt. Die Exporte der Europäischen Union unterliegen einer Gebühr von 20%, Grossbritannien nur 10%. Die US-Berechnungen, die diesen Tarifen zugrunde liegen, werden von der Schweiz und anderen Ländern heftig bestritten.
Dennoch erfahren die Schweizer Exporteure, falls die Zölle so in Kraft treten, eine Doppelbelastung: durch höhere Zölle und Wettbewerbsnachteile gegenüber Nachbarländern. Die Hälfte aller Schweizer Exportunternehmen geht in einer Umfrage des Wirtschafts-Dachverbands Economiesuisse davon aus, dass sie negativ betroffen sein werden.
Was steht auf dem Spiel?
Sollten die Zölle wie angekündigt in Kraft treten, könnten kleinere Schweizer Unternehmen „diesen Markt insgesamt verlieren“, warnte der Verband der Schweizer Maschinenindustrie Swissmem. Einige Hersteller werden zudem von einem separaten US-Zoll von 25% auf Autoteile betroffen sein.
Fast 17% der Schweizer Uhrenexporte gingen letztes Jahr in die USA, was diese zum mit Abstand grössten Markt dieser Branche macht. Die USA kauften auch 23% der exportierten Schweizer Medizintechnik.
«Exportbarrieren gefährden nicht nur Unternehmen, sondern auch Arbeitsplätze, Innovation und Versorgungssicherheit», sagte Adrian Hunn, Direktor von Swiss Medtech.
Bisher hat Donald Trump die Pharma-Industrie von Zöllen verschont, aber er kündigte auch wiederholt «massive Zölle auf pharmazeutische Produkte» an. Die Schweizer Pharmaindustrie stellte im letzten Jahr 59% des Wertes der Schweizer Exporte in die USA (31,2 Mrd. Franken).
Welche Schäden können entstehen?
Für kleinere Unternehmen, die auf den US-Markt angewiesen sind, aber dort keine Produktionsstätten haben, stellen die US-Zölle eine grosse Herausforderung dar. Dies kann sich negativ auf die Beschäftigung auswirken.
Swissmem hat die Regierung aufgefordert, grosszügig staatlich subventionierte Kurzarbeit zuzulassen. Das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat betroffene Firmen ermuntert, entsprechende Bedürfnisse zu melden.
Etwa ein Drittel der 1300 Unternehmen, die im Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmechanic vertreten sind, hatten bereits Mitte März Kurzarbeit eingeführt.
Die Arbeitslosenquote in der Schweiz liegt derzeit bei 2,9% und ist damit weniger problematisch als etwa im Nachbarland Deutschland. Die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich prognostizierte letzten Monat, dass die Arbeitslosenquote in diesem Jahr auf 3% steigen könnte, aber diese Zahl wurde seit der Ankündigung der Zölle noch nicht aktualisiert.
Gewerkschaften sind bisher nicht alarmiert. «Die US-Zölle sind für die Schweizer Exportwirtschaft zwar lästig. Aber eine Dramatisierung ist unangebracht», schrieb Daniel Lampert, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds, in einem BlogbeitragExterner Link.
Im Oktober veröffentlichte die KOF Berechnungen darüber, wie die erwarteten US-Zölle die Schweiz beeinflussen könnten. Unter der Annahme eines 60% Zolls gegen chinesische Waren und 20% für den Rest der Welt prognostizierte die KOF, dass das Wirtschaftswachstum der Schweiz um 0,2% bis 0,3% verlangsamt werden könnte.
Solche Verluste würden einem jährlichen wirtschaftlichen Verlust von 200 Franken pro Kopf der Bevölkerung entsprechen. Im Gespräch mit Radio SRF sagte KOF-Ökonom Hans Gersbach, dass der 31%-Zoll zu grösseren Verlusten führen könnte.
Editiert von Marc Leutenegger/ts
Der Artikel wurde am 10. April nach Trumps Zollwende aufdatiert und erzgänzt.

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