UNIA warnt Arbeitgeber vor «Spiel mit dem Feuer»
Rund 15'000 Frauen und Männer haben sich am Samstag in Bern versammelt, um gegen "Lohn- und Sozialdumping" in der Schweiz zu protestieren.
Die erste Kundgebung der neu gegründeten Grossgewerkschaft UNIA verlief friedlich.
Hunderte von rot-weissen UNIA-Fahnen wurden zu Klängen des italienischen Cantautore Edoardo Bennato geschwenkt, der die Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmer auf dem Bundesplatz begrüsste und verabschiedete.
An der UNIA-Protestkundgebung «Rauf mit unseren Löhnen! Kein Lohndumping!» nahmen gemäss übereinstimmenden Angaben der Organisatoren und der Stadtpolizei Bern gegen 15’000 Personen aus der ganzen Schweiz teil.
In ihren Reden kritisierten die beiden UNIA-Co-Präsidenten Vasco Pedrina und Renzo Ambrosetti sowie Paul Rechsteiner, Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) zunehmendes Lohndumping sowie die längst fälligen, aber ausbleibenden Reallohnerhöhungen für alle.
Streiks und Referendum
«Wir haben genug», sagte Pedrina. «Genug von Managern, die Milliarden in den Sand setzen, unsere Jobs killen und dabei Millionen abkassieren. Wir haben genug davon, dass unsere Löhne kaum noch reichen, um die steigenden Versicherungsprämien, die Krankenkassen und Mieten zu zahlen», führte er aus.
Ambrosetti betonte, mit Lohndrückerei, Arbeitszeiterhöhungen, Aushöhlung der Verträge und der Demontage des Service public werde der Standortvorteil der Schweiz – hohe Effizienz, gute Ausbildung, Zuverlässigkeit und Innovationskraft der Mitarbeitenden – gefährdet. «Wir verdienen nicht den Lohn, den wir verdienen.»
Wenn die Behörden und Arbeitgeber weiterhin mit dem Feuer spielten, würden die Gewerkschaften mit Streiks und dem Referendum gegen die Ausweitung der Personenfreizügigkeit antworten, warnte Pedrina.
Auf dem Schweizer Arbeitsmarkt würden bald «wildwest-ähnliche» Zustände herrschen, sagte Pedrina. Seitdem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus der EU ohne Bewilligung in der Schweiz arbeiten können, würden täglich neue Fälle von «skandalösem Lohndumping» bekannt.
Stundenlöhne von 15 und weniger Franken seien an der Tagesordnung. Wirksame flankierende Massnahmen seien daher nötig, um die Personenfreizügigkeit nicht zu verspielen.
Für Frauen und Jugendliche
Maria Wuillemin Costas, Arbeiterin in einer Maschinenindustrie im Berner Jura, sprach sich in spanischer Sprache gegen den zunehmenden Ruf nach immer mehr Flexibilität aus. «Flexible Arbeitszeiten», das sei zu einer Religion geworden, welche ein normales Familienleben verunmögliche.
Fabienne Blanc-Kühn, UNIA-Geschäftsleitunsmitglied, kritisierte die Lohndiskriminierung. Trotz der gesetzlichen Gleichstellung von Mann und Frau würden Frauen in der Schweiz je nach Branche nach wie vor zwischen 18 bis 25 Prozent weniger Lohn verdienen als Männer.
Für eine verbesserte Beschäftigungssituation für Jugendliche setzte sich Drita Shabani der UNIA-GBI Zürich ein. In albanischer Sprache forderte sie die Anwesenden auf, zusammen mit der UNIA für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
Die Forderungen einer verabschiedeten Resolution lauteten: «2 bis 3 Prozent mehr Lohn für alle»; «Schluss mit der Lohndiskriminierung»; «Umsetzen der flankierenden Massnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping» sowie «Weitere Massnahmen im Hinblick auf die EU-Osterweiterung».
swissinfo und Agenturen
Die neue Gross-Gewerkschaft UNIA hatte erstmals zur Demonstration aufgerufen.
Polizei und Organisatoren zählten rund 15’000 Personen.
Die Veranstaltung in Bern verlief ohne grössere Zwischenfälle.
Die UNIA geht aus den Gewerkschaften GBI, SMUV, unia und VHTL hervor.
Sie wird ab Anfang 2005 aktiv sein und über 200’000 Angestellte aus dem Tertiärsektor zählen.
Gesamthaft wird sie für 1 Mio. Beschäftige sprechen.
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