Vielsprachigkeit in der Schweiz: Ein Luxus?
Die englische Sprache gewinnt zunehmend an Bedeutung. Gleichzeitig sinkt die Attraktivität der Landessprachen. Müssen diese um jeden Preis gefördert werden?
Die Akademie für Sozial- und Geisteswissenschaften organisierte eine Tagung zum Thema.
Die englische Sprache ist in der Schweiz auf dem Vormarsch – vor allem in der deutschen Schweiz. Einzelne Kantone wie Zürich oder St. Gallen haben Englisch als erste Fremdsprache eingeführt.
Die Diskussion um die Bedeutung der Landessprachen ist eröffnet. Auch auf Gesetzesebene, bei der Ausarbeitung des neuen Sprachenartikels.
Dieser soll auf nationaler Ebene die Gleichbehandlung der Landessprachen garantieren und die Mehrsprachigkeit und Verständigung zwischen den Sprachregionen fördern.
Allerdings sind Konflikte vorprogrammiert, da die Schulhoheit bei den Kantonen liegt. Diese entscheiden also über die Bedeutung des Englischen im Schulunterricht.
Welchen Wert hat eine Sprache?
Der Ökonom François Grin von der Universität Genf thematisierte an der Tagung in Biel den ökonomischen Wert einer Sprache.
Seiner Meinung nach müsste mehr in dieser Hinsicht geforscht werden, um die Bedeutung der vier Landessprachen besser bemessen zu können. Nur so liesse sich die Frage besser beantworten, um welchen Preis etwa die Vielsprachigkeit zu erhalten sei.
Die Vielsprachigkeit der Schweiz verursacht zwar hohe Kosten, schafft aber auch einen individuellen und nationalen Mehrwert. Analog zur Biodiversität könne man ruhig von einer Sprachdiversität sprechen, so Grin.
Beispiele aus dem Ausland würden zeigen, dass das Nebeneinander mehrerer Landessprachen zwar Kosten verursachen, die Vorteile jedoch bei weitem überwiegen würden.
Vielsprachigkeit ist eine Qualität
Die Sprachenvielfalt ist unbestritten eine schweizerische Qualität – genau so wie die kulturelle und ethnische Vielfalt in diesem Land.
Deshalb ist es laut Grin von grosser Bedeutung, in die Aufrechterhaltung und Förderung der Landessprachen zu investieren. Die Schweiz gibt heute rund 2 Mrd. Franken für den Sprachunterricht aus. Dies entspreche etwa 10% der gesamten Bildungsausgaben.
Ob nun eine Landessprache oder die englische Sprache die erste Fremdsprache im Schulunterricht wird, sei weniger wichtig.
Englisch kein Problem, aber …
Die englische Sprache ist unbestritten eine der Weltsprachen und von grosser Bedeutung.
Grin sieht jedoch folgendes Problem: Wenn eine Weltsprache wie das Englische einen bevorzugten Status als internationale Kommunikations-Sprache bekommt, führt dies zu einem massiven Transfer von Einfluss, Macht und Geld zu den Menschen mit der betreffenden Muttersprache.
Diese Problematik unterstreicht laut Grin die Wichtigkeit einer existierenden Sprachenvielfalt. Die Schweiz könnte viel dazu beitragen. Dazu Grin:
«Deshalb ist auch eine nationale kohärentere Sprachenpolitik von grosser Bedeutung.»
swissinfo, Elvira Wiegers
Seit den 80ger Jahren hat die Sprachendiversität in der Schweiz stark zugenommen.
Im Jahr 2000 sprachen 64% der Bevölkerung deutsch, 19.5% französisch, 6.5% italienisch, 0.5% rumantsch und 9.5% eine andere Sprache.
Damit sprachen 2000 weniger Menschen deutsch, italienisch und rumantsch als 1980. Die Anzahl Menschen, die französisch sprechen blieb praktisch unverändert.
Die Anzahl der Menschen mit einer «anderen» Sprache hat sich hingegen seit den 80ger Jahren mehr als verdoppelt.
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