Arbeitszeit-Initiative deutlich abgelehnt
Die Initiative des Gewerkschaftsbundes fand keine Gnade: Das Begehren scheiterte in allen Kantonen.
In keinem Kanton fand die Verkürzung der Arbeitszeit eine Mehrheit. 75% der Stimmenden verwarfen die 36-Stunden-Initiative des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB): Das definitive Schlussresultat der Bundeskanzlei ergab 2’021’078 Nein (74,7%) gegen 685’002 Ja (25,3%), bei einer Stimmbeteiligung von 57,5 %.
Auch bei den Gewerkschaften selbst loderte kein grosses Sympathiefeuer für die Vorlage. Das Resultat zeigt sich nun. In der Romandie und im Tessin war der zustimmende Anteil mit 31% bis 42% höher als in der Deutschschweiz. Der Kanton Jura resultiert mit einem Ja von 42,1% als grösster Befürworter. Demgegenüber verwarfen fast 90% der Stimmenden in Appenzell-Innerrhoden die Vorlage.
Es ist nicht das erste Mal, dass das Stimmvolk eine Verkürzung der Arbeitszeit ablehnt: Insgesamt gab es seit 1958 vier Mal ein Nein zu diesem Anliegen.
Ohrfeige oder Offenlegen?
Mehr enttäuscht als überrascht zeigte sich Vasco Pedrina über das Nein. Der SGB-Vizepräsident glaubt, trotzdem ein wichtiges Ziel erreicht zu haben. Es sei eine breite Diskussion über kürzere Arbeitszeiten entfacht worden. Die Arbeitgeber hätten zugegeben, dass ein grosses Bedürfnis nach kürzeren Arbeitszeiten bestehe, sagte Pedrina.
Auch SP-Präsidentin Christiane Brunner erwartete keinen Sieg. Mit dem Nein sei das Thema nicht vom Tisch, schreibt die Partei in einem Communiqué. Die SP werde sich zusammen mit den Gewerkschaften im Rahmen von Verhandlungen für kürzere Arbeitszeiten einsetzen.
Der Arbeitgeber-Chef Peter Hasler wertet die deutliche Abfuhr als «Ohrfeige für die Gewerkschaften», wie er gegenüber Schweizer Radio DRS sagte. Das deutliche Nein mache klar, so Hasler, dass sich die Schweiz nicht verfassungsmässig vorschreiben lassen wolle, wie lange man arbeiten und wieviel man verdienen dürfe.
Tiefe und mittlere Einkommen, zur Zeit Monatslöhne bis rund 7600 Franken, wären bei der nun abgelehnten Arbeitszeit-Initiative nicht zurück gestutzt worden.
Lieber vertraglich als gesetzlich
«Das Volk hat am 3. März 2002 nun klar gemacht, dass eine gesetzliche Arbeitszeit-Reduktion nicht so bald wieder diskutiert werden muss», sagte der Berner Nationalrat Johann Schneider-Ammann (FDP) gegenüber SR DRS. Schneider-Ammann, Vertreter der Maschinenindustrie und swissmem-Präsident, glaubt, dass die Sozialpartner auch ohne gesetzliche Regelung künftig vernünftige Lösungen finden werden.
Der Christlichnationale Gewerkschaftsbund (CNG) ist zwar nicht überrascht über die Ablehnung der SGB-Initiative, warnt jedoch die Arbeitgeber davor, das Nein zur Initiative als generelles Nein zu kürzeren Arbeitszeiten zu werten. Der CNG will weiter für Arbeitszeitreduktionen kämpfen, aber auf vertraglichem Weg und nicht über Gesetze.
«Ja zur Sozialpartnerschaft»
Die 4. Arbeitszeit-Initiative war während der Wirtschaftskrise der späten 90er Jahre entstanden, als die Arbeitslosigkeit einen «Schweizer Rekord» von 4% erreichte. Der Haken im Nachhinein: Als sie 1997 lanciert wurde, sollten die 36 Stunden gesetzlich verankert werden. Flexiblere Lösungen zwischen den Sozialpartnern finden jedoch mehr Zuspruch.
Dieses Nein bezeichnete Wirtschaftsminister Pascal Couchepin deshalb als Ja zur gut funktionierenden Sozialpartnerschaft. Bundespräsident Kaspar Villiger interpretiert das klare Nein, «dass das Volk einem Angriff auf die Qualität des Wirtschaftsstandorts Schweiz eine Abfuhr erteilt hat».
1958 das erste Nein
1958 war bereits eine Landesring-Initiative (damals lautete das Ziel 44-Stunden-Woche) mit 65% abgelehnt worden. Im März 1964 zog der SGB eine Initiative zur Arbeitszeitreduktion zurück (Ziel: 44 Stunden). 1976 scheiterte eine POCH-Initiative (mit dem Ziel: 40 Stunden) sogar mit einem 78%-Nein-Anteil. 1988 wurde dasselbe Anliegen des Gewerkschaftsbunds mit 65,7% abgelehnt.
Europaweit wohl auf Platz 1
Die europäischen Statistiken zeigen zweierlei. Erstens verkürzte sich überall in Europa die offizielle Arbeitszeit. Zweitens zeigt sich, dass nur die Briten und Britinnen offiziell länger arbeiten als die Schweizer. Da in Grossbritannien der Arbeitsweg in der Arbeitszeit von 44 Stunden inbegriffen ist, fällt sie entsprechend hoch aus. Die Schweiz figuriert deshalb europaweit auf Rang 2, dürfte aber praktisch die Spitzenposition belegen – immer nur was die offiziellen Zeiten betrifft.
International liegt die Schweiz punkto Arbeitszeit auf Rang 28. In Asien, vor allem in Hongkong und Taiwan, wird mehr gearbeitet. Ebenso in den USA.
Alexander P. Künzle und Agenturen
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