Bruchlandung für die Gripen-Kampfjets
Mit 53,4% Nein-Stimmen, also überraschend deutlich, lehnt das Schweizer Volk den Kauf von 22 Gripen-Kampfjets ab. Damit endet eine lange Serie armeepolitischer Abstimmungen, bei denen die Regierung eine Mehrheit hinter sich vereinen konnte. Für Verteidigungsminister Ueli Maurer ist das Nein kein Votum gegen die Sicherheit.
Beschaffung neuer Kampfjets, Aufrechterhaltung der Waffenplätze, lärmende Kampfjets in Tourismusgebieten, Ausfuhren von Rüstungsgütern oder Erhalt der allgemeinen Wehrpflicht: In den vergangenen Jahrzehnten hat sich das Schweizer Stimmvolk bei Armeevorlagen durchs Band mit satten Mehrheiten hinter die Regierung und das Parlament gestellt. Das Nein zum 3,1-Milliarden-Franken-Kredit für die Gripen-Kampfflugzeuge ist also ein Bruch mit der Tradition.
Maurer räumte vor den Medien im Bern ein, das Nein sei eine Niederlage und er wolle das Resultat nun gründlich analysieren.
Bonsai-Armee
Die Armee entwickle sich immer mehr zu einer «Bonsai-Armee», sagte Denis Froidevaux, Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft. «Sie nennt sich zwar Armee, aber sie ist keine», denn die Armee sei nicht genügend gut ausgerüstet, um ihre Hauptfunktionen zu erfüllen.
Die armeefreundliche Gruppe Giardino zeigte sich «sehr besorgt» über den Entscheid. Dank Mithilfe von «unzuverlässigen Mittepolitikern» habe die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) erreicht, was sie seit Jahren beabsichtige: «Von der einst international geachteten Schweizer Armee sind nur noch schwache Erinnerungen übriggeblieben», schreibt Giardino in einer Stellungnahme.
Dem Bundesrat, dem Verteidigungsdepartement und der Armeeführung erteilt die Gruppe eine rote Karte «für die chaotische Kommunikation vor und während der Abstimmungsphase».
«Startschuss zur Armeereform»
Als «grossen Erfolg für die Friedenspolitik» wertet die GSoA das Nein. Es sei nicht nur die Folge «einer schlechten Kampagne der Befürworter», sondern auch «eine Kritik an überhöhten Armeeausgaben».
Man habe im Vorfeld der Abstimmung «zu wenig über die Sicherheit und zu lange über die Typenwahl» debattiert. Das habe «leider zu einem schlechten Ergebnis geführt», sagte der Präsident des Pro-Gripen-Komitees, CVP-Nationalrat Jakob Büchler.
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Die sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) bezeichnet das Ergebnis als «Startschuss zur Armeereform». Die «finanzpolitische Vernunft» habe über Angstmacherei und Polemik gesiegt». Das Nein sei auch «ein deutliches Nein zur Armee von Ueli Maurer». Deshalb fordert die Partei den Verteidigungsminister dazu auf, «den Prozess zur längst überfälligen Reform und Modernisierung der Armee umgehend einzuleiten».
FDP will neu evaluieren
Die Freisinnig-liberale Partei (FDP) fordert einen raschen Neustart für die Beschaffung eines neuen Kampfjets. Der Abstimmungskampf habe sich vor allem auf Nebenschauplätzen abgespielt. Dagegen sei nicht über die Notwendigkeit einer glaubwürdigen Luftwaffe debattiert worden. Die Partei erachtet das Nein deshalb auch nicht als Nein zu einem Kampfflugzeug, sondern als «Misstrauensvotum gegen die Art des Beschaffungsprozesses».
Gemeinsam ist den bürgerlichen Parteien, dass sie nach dem Volksentscheid einen Verlust an Sicherheit fürchten. Gerade die letzten Wochen hätten gezeigt, wie schnell Krisen und Konflikte ausbrechen, schreibt die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP).
Im Gegensatz zu den Freisinnigen ist für die SVP und auch für die Christdemokarten klar, dass das Verdikt der Stimmbevölkerung zu akzeptieren sei.
Die Schweizer Luftwaffe besitzt aktuell 32 Jets des Typs F/A-18 Hornet und 54 des Typs F-5 Tiger.
Die veraltete Tiger-Flotte soll durch 22 Gripen-Jets des schwedischen Herstellers Saab ersetzt werden.
Der Gripen war in Konkurrenz mit dem Rafale des französischen Herstellers Dassault und dem Eurofighter des europäischen Konsortiums EADS gestanden.
Zur Schweizer Luftwaffe gehören zudem etwa 60 Trainings- und Leichttransport-Flugzeuge des Schweizer Herstellers Pilatus, etwa 30 Helikopter des Typs Eurocopter, 15 Transporthelikopter des Typs Super Puma und rund 50 Drohnen.
Keine Kompensationsgeschäfte
Der Industrieverband Swissmem bedauert den Entscheid, denn «die Fähigkeit der Schweizer Armee, ihren verfassungsmässigen Auftrag glaubwürdig zu erfüllen und die Sicherheit des Landes zu gewährleisten», sei «damit mittelfristig in Frage gestellt». Zudem seien nun «die in Aussicht gestellten industriellen Kooperationsgeschäfte» hinfällig, bedauert der Verband: «Damit entgehen der Schweizer Wirtschaft Aufträge im Umfang von über 2 Milliarden Franken.»
Mit 53,4% Stimmen fiel das Nein überraschend deutlich aus. Die Umfragen wiesen auf einen äusserst knappen Ausgang der Abstimmung hin. Auffallend deutlich ist der Graben zwischen den Sprachregionen: Die Mehrheit der Deutschschweizer Kantone stimmt Ja, während die Westschweizer Kantone und das Tessin den Kauf geschlossen ablehnen. Auch die grossen Städte und die deutschsprachigen Kantone Basel, Baselland, Bern und Zürich haben sich klar gegen den Gripen ausgesprochen. Die Stimmbeteiligung lag bei knapp 56% und war damit überdurchschnittlich hoch.
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