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Ausländerstimmrecht immer beliebter

Am 8. Februar 2004 konnten die Ausländer des Kantons Waadt erstmals auf Gemeindeebene abstimmen. Keystone Archive

In der Schweiz gilt im Regelfall: Ohne Schweizer Pass kein Wahl- und Stimmrecht. Doch zunehmend ändern Gemeinden und Kantone ihre Praxis.

Ende April haben die Genfer beschlossen, das Stimmrecht den Ausländerinnen und Ausländern zu verleihen. Andere Kantone haben dies schon früher getan.

Am Morgen des 25. Aprils 2005 hatte Genf plötzlich einen Zuwachs von 80’000 Stimmbürgern. Am Wochenende hatten sich 52,3 Prozent der Bevölkerung in einer Volksabstimmung in Genf dafür ausgesprochen, den Ausländern auf Gemeindeebene das Stimmrecht einzuräumen.

Die betroffenen Ausländer konnten an diesem Tag aber nicht nur jubeln. Der Souverän in der Calvin-Stadt beschloss nämlich gleichzeitig (mit 52,8 Prozent), den Ausländern das passive Wahlrecht zu verweigern. Somit dürfen sie bei Wahlen nicht kandidieren.

Stimmungswechsel

Trotz dieser durchzogenen Bilanz wird in der Schweiz der Trend immer deutlicher, wonach man Ausländerinnen und Ausländern zumindest auf lokaler Ebene ein Mitbestimmungsrecht einräumen will. Es handelt sich eindeutig um einen Stimmungswechsel: Noch 1993 sagten 70 Prozent der Genfer Nein zu einem ähnlichen Vorschlag. Heute hingegen verfügen die Ausländer in allen welschen Kantonen über politische Rechte – mit Ausnahme des Wallis.

Ausländer im Kanton Waadt besitzen seit Januar 2004, als die neue Kantonsverfassung in Kraft trat, über das aktive und passive Wahlrecht auf Gemeindeebene. Bedingung ist, dass sie seit mindestens zehn Jahren in der Schweiz und seit drei Jahren in der Waadt wohnen. Freiburg will diesem Beispiel folgen, während Neuenburg und Jura auf eine eigene Tradition in diesem Bereich zurück schauen.

Neuenburg und Jura als Vorreiter

Der Kanton Neuenburg ist wahrscheinlich nicht nur in der Schweiz, sondern auch in ganz Europa ein Unikum. Auf Gemeindeebene können die Ausländer bereits seit 1849 abstimmen!

Im Jahr 2000 wurde dieses Recht auch auf kantonale Entscheide ausgeweitet. Die beiden Standesvertreter im Ständerat wurden auch von den ausländischen Stimmenden gewählt.

Im Jura können Ausländer sogar seit der Gründung des Kantons 1979 über kommunale und kantonale Vorlagen abstimmen; seit 2000 dürfen sie in die Parlamente der Gemeinden gewählt werden. In Delsberg präsidiert beispielsweise ein Italiener den Stadtrat und in der Legislative sind von 51 Mitgliedern 4 Ausländer.

Unterschiede zwischen den Landesteilen

In der deutschen Schweiz ist die Situation für Niedergelassene ohne Schweizer Pass etwas ungemütlicher. Nur in zwei Kantonen – Appenzell Ausserrhoden seit 1995 und Graubünden seit 2004 – verfügen die Ausländer theoretisch über das aktive und passive Stimm- und Wahlrecht. Dort müssen jeweils die Gemeinden entscheiden, ob sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.

In Appenzell Ausserhoden ist das Ausländerrecht kaum in die Tat umgesetzt worden. Von 20 Gemeinden haben nur drei diese Rechtsmöglichkeit umgesetzt. In Bern und Zürich scheiterten entsprechende Vorstösse gänzlich.

Verschiedene politische Kulturen

Gemäss Roland Diem vom Ausländeramt in Appenzell Ausserrhoden «ist das Thema in der deutschen Schweiz wahrscheinlich nicht so aktuell wie in der französischen Schweiz; und vielleicht ist es auch der ansässigen Gemeinschaft der Ausländer gar nicht so wichtig».

Der Sekretär des Forums der Migrantinnen und Migranten in der Schweiz (FIMM), Claude Micheloni, widerspricht dieser Ansicht: «Die Erteilung des Stimm- und Wahlrechts an Bürger, die keinen Schweizer Pass haben, ist für uns in der ganzen Schweiz prioritär.»

Diese Auffassung wird vom Ausländerdelegierten in Neuenburg, Thomas Facchinetti, geteilt: «Denn das Stimmrecht ist ein ganz wichtiges Element für die Integration der Ausländer.»

Der Graben zwischen der deutschen und französischen Schweiz ist laut Facchinetti die Folge verschiedener Auffassungen von Staat und Nation: «In der Romandie ist das französisch republikanische Modell vorherrschend, wonach die Teilnahme an politischen Prozessen sehr wichtig ist. In der deutschen Schweiz orientiert man sich an Deutschland, wo das Modell einer ethnischen Zugehörigkeit zu einer Nation überwiegt.»

Sind Ausländer überhaupt interessiert?

Allerdings muss auch gesagt werden, dass die Ausübung des Stimm- und Wahlrechts den Ausländern offenbar nicht extrem wichtig ist. Dieser Schluss drängt sich zumindest aufgrund von Daten aus dem Kanton Neuenburg auf – die einzigen bisher verfügbaren Daten in der Schweiz.

Demnach betrug bei den Kantonswahlen vom vergangen 10.April die Wahlbeteiligung unter den stimmberechtigten Ausländern 26,3 Prozent, während von den Schweizer Stimmberechtigten 47,7 Prozent zur Urne gingen.

Fimm-Sekretär Claudio Micheloni will allerdings nicht von einem schlechten Resultat reden. Da in Neuenburg Ausländer nicht gewählt werden könnten und daher auch keine Kandidaten stellten, sei es klar, dass die Beteiligung geringer sei. «Von einem Desinteresse würde ich daher nicht reden», meint Micheloni.

Auch Thomas Facchinetti ist mit der Wahlbeteiligung recht zufrieden. «Als die Ausländer nur bei kommunalen Vorlagen abstimmen durften, war die Beteiligung geringer.»

Die eher schwache Beteiligung ist laut Facchinetti eine Folge des geringeren Durchschnittsalters und des geringeren Bildungsgrads der ausländischen Wählerschaft: «In dieser sozialen Schicht gehen auch viele Schweizer nicht an die Urne.»

swissinfo, Daniele Mariani
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

In der Schweiz haben Ausländer, die seit einigen Jahren in der Schweiz niedergelassen sind, in den Kantonen Neuenburg, Jura, Waadt, Freiburg und Genf das Stimmrecht auf kommunaler Ebene.

In Neuenburg und Jura können Ausländer auch über kantonale Themen abstimmen.

In Freiburg, Jura und Waadt besitzen Ausländer in den Gemeinden auch das passive Wahlrecht, sind also wählbar.

Innerhalb der EU legt der Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992 fest, dass EU-Bürger das Stimm- und Wahlrecht in Gemeinden und bei Europawahlen besitzen, wenn sie in einem EU-Land ausserhalb ihres Heimatlandes wohnen.

Die neue europäische Verfassung unterstreicht dieses Prinzip aus den Maastrichter-Verträgen. Bürger aus Drittstaaten haben weiterhin kein Stimmrecht.

Die EU-Staaten behandeln das Stimm- und Wahlecht für Nicht-EU-Bürger in den nationalen Gesetzgebungen sehr unterschiedlich. Einige Länder, beispielsweise Portugal, gewähren dieses Recht nur für solche Herkunftsländer, die es auch umgekehrt anerkennen.

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