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Argentinien, China, Thailand, Kosovo: Am WEF fädelt die Schweiz den Freihandel ein

Viele Menschen unter einer Anschrift "Meeting 2025"
Das WEF ist nicht nur für die Wirtschaft ein wichtiges Treffen, sondern auch für die Politik. Die Gastgeberin Schweiz will sich in bestem Licht präsentieren. Keystone / Laurent Gillieron

Die Schweiz nutzt das Weltwirtschaftsforum in Davos für ihre Handelsdiplomatie. Dieses Jahr war sie besonders eifrig.

Kaum ging das WEF 2025 am Freitagmittag offiziell zu Ende, verschickte die Schweizer Regierung eine MedienmitteilungExterner Link mit dem Titel «Davos: Starkes Signal für die WTO und das regelbasierte Handelssystem».

Auf den ersten Blick erstaunt das. Die Schlagzeilen zum WEF wurden dominiert von den Reden des alten neuen US-Präsidenten Donald Trump und des argentinischen Präsidenten Javier Milei, die genau das Gegenteil erreichen möchten: weg von einer regelbasierten, globalisierten Weltwirtschaft, hin zu einer nationalistischen Handelsordnung, begleitet von einer entsprechenden konservativen Gesellschaftspolitik.

Auf den zweiten Blick wird jedoch klar, dass längst nicht alle ein Interesse an einer solchen Weltordnung haben. Das Weltwirtschaftsforum ist zwar in erster Linie ein Anlass für wirtschaftliche Eliten aus der ganzen Welt.

Aber es ist eben auch ein politisches Treffen, in dem diplomatische Initiativen besprochen oder angekündigt werden. Die Schweiz nutzt das jährlich stattfindende WEF als Gastgeberin naturgemäss besonders aus. Sechs der sieben Mitglieder des Bundesrates waren in Davos anwesend.

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Das sind einige der wichtigsten Ereignisse für die Schweizer Diplomatie am WEF 2025.

Zwei neue Freihandelsabkommen für die Schweiz

Das Forum bot der Schweizer Regierung eine prominente Bühne, um gleich zwei neue Freihandelsabkommen (FHA) unter Dach und Fach zu bringen, eines mit Kosovo und eines mit Thailand. Die Abkommen gelten zwischen den Ländern und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), in der die Schweiz Mitglied ist und häufig den Lead bei den Verhandlungen übernimmt.

Die Handelsvolumen sind mit beiden Staaten bisher bescheiden, aber der Abschluss von zwei neuen FHA zeigt, wie die Schweiz im Moment ihre Wirtschaftspolitik gestaltet. Als kleine Volkswirtschaft ist sie sowohl auf internationalen Handel angewiesen wie auch auf zuverlässige Spielregeln – das gilt nicht nur im multilateralen Rahmen, sondern auch in den bilateralen Beziehungen. «Man vergisst jeweils, dass Freihandelsabkommen nicht nur Zollvorteile bringen, sondern auch eine gewisse Rechtssicherheit für die Unternehmen», sagte der Wirtschaftsminister Guy Parmelin.

Weitere FHA sind im Moment offen, einige sollen aktualisiert werden.

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Dazu kommt, dass die Schweiz sowohl mit Kosovo als auch mit Thailand enge soziale Bindungen hat. Die jeweilige Diaspora ist gross und zieht auch wirtschaftliche Aktivitäten nach sich – so gilt Thailand schon länger als Sprungbrett für Schweizer Unternehmen in Südostasien. Und auch der Austausch zwischen Bern und Pristina ist besonders eng.

Einladungen an den Bundesrat

Mit Südamerika steht ein Mercosur-Abkommen auf der Agenda, das die Schweiz schon lange abschliessen möchte. Darum war der argentinische Präsident Javier Milei am WEF auch für die Schweiz ein wichtiger Gast. Er outete sich gar als Fan der Schweiz – was ihn jedoch nicht davon abbrachte, in einem Rundumschlag gegen Vieles auszuteilen, wofür das WEF steht. Der sogenannte «Kettensägenmann» griff die westlichen Eliten an, prangerte «fanatischen Umweltschutz» an und kritisierte eine «Epidemie des Wokeismus». Doch abseits der Bühne und in einer «ausgesprochen herzlichen Begegnung» lud er auch die Schweizer Bundespräsidentin Karin Keller-Suter nach Buenos Aires ein.

Die Schweiz dürfte diese Einladung gerne annehmen. Milei habe Keller-Suter versichert, dass die Gespräche zum Mercosur-Abkommen «gut vorangehen». Aller Kritik zum Trotz: Die gebeutelte argentinische Wirtschaft sucht nach Wegen, um wieder festen Boden zu finden.

Schweizer Tote im Iran

Eine seltsam tragische Geschichte spielt sich gerade zwischen der Schweiz und dem Iran ab: Kürzlich verstarb ein Schweizer Staatsbürger in iranischer Haft. Der Iran hatte ihm Spionage vorgeworfen. Der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis hat das WEF genutzt, um vom iranischen Vizepräsidenten Javad Zarif Informationen zum Fall zu verlangen.

Der Iran wird immer wieder der «Geiseldiplomatie» beschuldigt, dafür finden sich in diesem Fall bisher jedoch keine Indizien. Das Land spielt für die Schweizer Diplomatie eine wichtige Rolle: Sie hält ein Schutzmachtmandat der USA für den Iran, was ihr einen direkten Kanal sowohl nach Teheran wie auch nach Washington gibt. In der Regel werden konsularische Fälle gegenüber der Öffentlichkeit deshalb äusserst zurückhaltend kommentiert.

Zudem gab es in der Vergangenheit einen weiteren mysteriösen Todesfall: Im Mai 2021 starb in Teheran eine Schweizer Diplomatin. Der Fall wurde von den iranischen Behörden als Suizid taxiert, die Schweizer Behörden haben ursprünglich wegen eines möglichen Tötungsdelikts eine Untersuchung eingeleitet. Mittlerweile gehen sie ebenfalls von Suizid aus. Allerdings seien nicht nur die schweizerischen Ermittlungen erschwert worden – dem überführten Leichnam der Diplomatin hätten zudem wichtige Organe gefehlt.

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Wie geht es weiter mit der Ukraine?

Aufgrund ihrer Neutralität unterstützt die Schweiz die Ukraine nicht militärisch, sondern konzentriert sich auf humanitäre Hilfe und diplomatische Unterstützung – am letztjährigen WEF wurde beispielsweise die Bürgenstock-Konferenz angekündigt, die dann im Sommer in der Schweiz stattfand und das grösste solche Treffen seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine war.

Etwas ähnlich Grosses wurde heuer nicht bekanntgegeben. In Davos wurde jedoch erneut über ein mögliches Schutzmachtmandat gesprochen. Damit könnte die Schweiz zwischen der Ukraine und Russland einen diplomatischen Kanal einrichten. Die Ukraine hat darum gebeten, Russland will das bisher nicht. «Die Gespräche laufen», sagte die Bundespräsidentin knapp dazu – die Schweiz kommuniziert stets sehr zurückhaltend bei solchen Mandaten.

Mit der ukrainischen Wirtschaftsministerin Julija Swyrydenko wurde allerdings ein Memorandum unterschrieben, das die Bedeutung des Schweizer Privatsektors im Wiederaufbau der Ukraine bekräftigen soll.

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Was wurde sonst noch hinter den Kulissen diskutiert? Erfahrungsgemäss bietet der diskrete Rahmen im hermetisch abgeschotteten Bergdorf die ideale Kulisse, damit sich Politiker:innen aus der ganzen Welt kennenlernen und austauschen können. Nicht selten dauert es Monate, bis bekannt wird, was in Davos abgemacht – und auch umgesetzt – wurde.

Aber allein die Treffen von Wirtschaftsminister Guy Parmelin sprechen für sich. Nebst der Ukraine traf er sich mit Delegationen aus: Grossbritannien, Peru, Moldawien, Indonesien, Saudi-Arabien, Marokko, Ägypten, Indien, VAE, Singapur, Vietnam und China. Dessen Vizepremier Ding Xuexiang lud der Bundesrat gar auch nach Bern ein. Es geht wieder um Freihandel – die Schweiz möchte das bestehende Abkommen ausdehnen.

Editiert von Balz Rigendinger

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