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New York, Peking, Tokio – der Bundesrat auf Handelsreise

Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin beim Treffen mit US-Finanzminister Scott Besstent
Klinkenputzen: Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Wirtschaftsminister Guy Parmelin beim Treffen mit US-Finanzminister Scott Besstent. zvg

In Bern ruht die Politik. Der Bundesrat war unterwegs: in Asien und den USA. Alles dreht sich um die Wirtschaft. Analyse.

Es sieht aus wie Zufall, aber es ist alles andere als die übliche Diplomatie. Aussenminister Ignazio Cassis besucht Japan und China, während Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Finanzministerin Karin Keller-Sutter in den USA aktiv sind.

Die Schweiz positioniert sich neu in einer Welt, in der alte Partnerschaften auf dem Prüfstand stehen. Nichts beschäftigt die Schweizer Regierung im Moment mehr.

Was ist die Mission in China und in den USA? Was sind die Herausforderungen? Und was konnte die Schweiz erreichen? Eine Analyse.

Was konnte die Schweiz in den USA erreichen?

Finanzministerin Keller-Sutter traf sich am Donnerstag mit ihrem amerikanischen Amtskollegen, Finanzminister Scott Bessent. Dieser gilt als Schlüsselfigur in der Zollfrage und war bereits im Raum mit Donald Trump, als Keller-Sutter am 9. April mit dem US-Präsidenten telefonierte. Die Schweizer Finanzministerin hatte nochmals Gelegenheit, die Schweizer Argumente vorzubringen.

Diese lauten: Die Schweiz ist der sechstgrösste Investor in den USA. Die Schweizer Pharmariesen Roche und Novartis investieren darüber hinaus nochmals 75 Mrd. Dollar in den USA.

Zudem ist das von den USA zur Errechnung der Zölle herangezogene Handelsbilanzdefizit ein Zerrbild. Zum einen trieben Goldexporte aus der Schweiz im Jahr 2024 den Handelsüberschuss nach oben. Zum anderen wurden die von der Schweiz importierten US-Dienstleistungen – etwa Software-Lizenzen – nicht berücksichtigt.

Im Anschluss an das Treffen informierte Keller-Sutter die Medien. Die USA hätten eine Gruppe von 15 Ländern definiert, mit welchen sie in der Zollfrage eine schnelle Lösung finden wollen. «Die Schweiz gehört zu dieser Gruppe», sagte sie. Die Gespräche würden fortgesetzt. Das sei ein guter und grosser Fortschritt.

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Bei diesem Gespräch und beim Treffen von Guy Parmelin mit US-Handelsminister Jamieson Greer zuvor ging es der Schweiz darum, die Themenfelder für die weiteren Zollverhandlungen abzustecken.

Parmelin traf auch die US-Bildungsministerin Linda McMahon und konnte dieser die Vorteile des dualen Schweizer Bildungssystems darlegen.

Was war die Mission in den USA?

Die USA sind nach der EU der zweitgrösste Handelspartner der Schweiz. Karin Keller-Sutter nahm an einer Tagung des Internationalen Währungsfonds teil. Das war die offizielle MissionExterner Link. Ihre Reise war schon lange so geplant.

Intendiert war auch, dass die Schweizer Bundespräsidentin die Tage nutzen würde, um erste Kontakte zu Schlüsselfiguren der Trump-Administration zu knüpfen.

Dieses inoffizielle Vorhaben erhielt dann aber höchste Priorität. Die Schweizer Regierung versuchte auf allen Ebenen, den angekündigten, aber vorerst aufgeschobenen US-Zollhammer von 31 Prozent abzuwehren.

Das zeigt sich auch daran: Drei Staatssekretärinnen und der neu ernannte Sonderbeauftragte für die USA, Gabriel Lüchinger, reisten mit in die USA. Die NZZ schrieb von einem «All-Star-Team»Externer Link.

Zudem war der USA-Aufenthalt des Wirtschaftsministers gar nicht vorgesehen. Ursprünglich hätte Guy Parmelin nach Japan fliegen sollen, an die Weltausstellung in Osaka. Dieser Japan-Termin ging kurzfristig an Aussenminister Ignazio Cassis.

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Was ist die Mission in China?

China ist der drittwichtigste Handelspartner der Schweiz, Japan der viertwichtigste. Der Besuch des Schweizer AussenministersExterner Link in China kam überraschend und war für später im Jahr geplant. Nach offiziellen Schweizer Angaben liess sich der China-Aufenthalt ideal mit der Japan-Reise des Aussenministers verbinden.

Doch auch hier dürfte der wahre Hintergrund der US-Zollhammer gewesen sein. Denn nach Trumps Auftritt mit den Zolltafeln Anfang April setzte sich in der Schweizer Regierung rasch die Überzeugung durch, dass die stark exportorientierte Schweiz ihr Aussenhandelsnetz neu stricken und breiter abstützen muss.

Dabei bietet sich China mit einem seit 2014 bestehenden Freihandelsabkommen als Alternative mit Wachstumspotenzial an – nebst Indien mit einem 2024 abgeschlossenen Freihandelsabkommen und dem Mercosur, wo ein solches geplant ist.

Ohnehin wird das bestehende Abkommen der Schweiz mit China derzeit auf Schweizer Wunsch hin aktualisiert. Es soll zugunsten von Pharma- und Maschinenindustrie erweitert werden.

Dringlichkeit hat die China-Reise zudem erhalten, weil die Schweiz ihre Pole-Position in Peking nicht verlieren will. Denn wenn die USA ihre Zollankündigungen umsetzen, wird China bald von vielen Ländern umworben werden – insbesondere auch von Deutschland, das mit seiner Präzisionsindustrie ebenfalls auf den chinesischen Markt schielt.

Doch noch hat die Schweiz einen wichtigen Vorsprung. Um diesen zu sichern, nutzt sie nun frühzeitig ihre guten Kontakte für Beziehungspflege.

In Peking traf sich Bundesrat Cassis mit dem chinesischen Aussenminister Wang Yi. Offiziell spricht die Schweiz von einer «Festigung der bilateralen Beziehungen» und einer «Vertiefung des politischen Dialogs». Zudem wurde das 75-jährige Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern gefeiert.

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«Historische Meilensteine haben in China einen hohen Stellenwert», erklärt Kurt Haerri, langjähriger Präsident der Handelskammer Schweiz-China.

Auch gute Beziehungen zum Gegenüber seien in China viel wichtiger als in anderen Ländern, sagt der China-Kenner.

Ignazio Cassis sagte zu SRFExterner Link: «Die Freundschaft ist wichtig – denn dann kann man auch über Unbequemes sprechen. Man bleibt einfach unterschiedlicher Meinung.»

Was war die Herausforderung in den USA?

Die Herausforderung in den USA bestand darin, dass die Schweiz ihre Anliegen bei den richtigen Personen vorbringen konnte, am besten bei Donald Trump selbst.

Dass Karin Keller-Sutter am 9. April als eine der wenigen Staatschefs 25 Minuten mit Trump telefonieren konnte, zeigt, dass die Schweiz bereits gut lobbyiert hatte. Dennoch steht die Schweiz mit einem neuen Botschafter und einer neuen Administration grundsätzlich am Anfang ihrer Beziehungen zu den USA, wie sie sich aktuell präsentieren.

Dank der bisherigen Bemühungen der Schweizer Handelsdelegationen und der bedeutenden Investitionszusagen von Roche (CHF 50 Mrd.) und Novartis (CHF 23 Mrd.), welche die Schweizer Konzerne parallel zur Handelsreise des Bundesrats kommuniziert haben, bestehen jedoch Chancen.

Aber es gibt auch eine Gefahr. Die Abneigung von Donald Trump gegenüber China könnte dazu führen, dass er von seinen Handelspartnern ideologische Gefolgschaft verlangt, dass er ein Entweder-oder zwischen China und den USA fordert. In diesem Fall stünde die Schweiz vor einer kniffligen Entscheidung.

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Was ist die Herausforderung in China?

Da es sich bei der China-Reise in erster Linie um Beziehungspflege handelt, ist die Herausforderung nicht unmittelbar. Aber wie immer bei China und der Schweiz geht es auch um die delikate Abwägung der Exportnation zwischen ihren wirtschaftlichen Interessen und ihren politischen Werten.

Denn China erwartet von seinen Handelspartnern ein Entgegenkommen. «Die gute Beziehung ist nicht in Stein gemeisselt. Die Atmosphäre kann leicht gestört werden», sagt China-Kenner Kurt Haerri.

In der Schweiz drängen insbesondere die Grünen und die Sozialdemokraten darauf, bei einer Aktualisierung des Freihandelsabkommens Punkte wie Zwangsarbeit und Nachhaltigkeit aufzunehmen.

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Für Ignazio Cassis ging es in Peking deshalb darum, das Interesse der Schweiz am chinesischen Markt zu unterstreichen – und gleichzeitig Verständnis für die Schweiz zu schaffen. Politik und Zivilbevölkerung werden auch mit einem Freihandelsabkommen nicht aufhören, China kritisch zu beobachten oder dessen Aktionen offen abzulehnen.

«Wir sind ambitioniert, denn wir müssen das Parlament und höchstwahrscheinlich auch das Schweizer Volk davon überzeugen, dem erweiterten Abkommen zuzustimmen», sagte Cassis in einer Rede in PekingExterner Link.

Was kann die Schweiz in China erreichen?

Wenn sich der Handelskrieg zwischen China und den USA verfestigt, werden in China neue Zulieferer und Produzenten benötigt – etwa für die Automobil- oder die Maschinenindustrie. Denn US-Anbieter werden sich aus dem chinesischen Markt zurückziehen müssen, die hohen Zölle machen ihre Produkte zu teuer.

So entstehen Lücken, die Schweizer Anbieter füllen könnten. Dank dem bestehenden Freihandelsabkommen wären sie vielen anderen einen Schritt voraus.

In der zweiten Hälfte dieses Jahres steht eine zweite Verhandlungsrunde zur Aktualisierung des Freihandelsabkommens mit der Schweiz an. Das Interesse der Schweiz daran ist gestiegen.

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Editiert von Samuel Jaberg und Marc Leutenegger

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