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Der geheimnisvolle Schweizer Fixer hinter den Operationen der Präsidentenfamilie Aliyev aus Aserbaidschan

Ansicht einer Villa
Arbeit und Privatleben vermischen sich: der Nebeneingang zu den Büros und der teilweise offiziellen Residenz von M.O. in der Westschweiz. swissinfo.ch

Ein schweizerisch-französischer Geschäftsmann hat eine zentrale Rolle bei der Gründung von Schattenfirmen für die herrschende Elite Aserbaidschans gespielt. Wir haben versucht, ihn in der Schweiz aufzuspüren.

Hoch über dem Genfer See, hinter einer hohen Steinmauer, thront ein renoviertes Schloss aus dem 18. Jahrhundert, das einen grossen Teil eines kleinen Dorfes in der Westschweiz einnimmt. Die Briefkästen vor dem Haupteingang quellen über mit nicht abgeholter Post und Werbebroschüren.

Ein Summer an der Pforte zeigt die Namen zweier Unternehmen an, die mit einem schweizerisch-französischen Anwalt verbunden sind, der im Zentrum eines Firmengeflechts steht, das der Familie des langjährigen aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev gehört.

Der Anwalt, den wir hier in Übereinstimmung mit den Schweizer Mediengesetzen als M.O. bezeichnen, wurde auch als Finanzier und Kunstsammler beschrieben.

Er war eine zentrale Figur in den 2011 veröffentlichten Recherchen der aserbaidschanischen Journalistin Khadija Ismayilova, die später in Aserbaidschan inhaftiert wurde.

Im Jahr 2016 bestätigten die Panama Papers ihre Ergebnisse, wo er als eine entscheidende Figur beim Aufbau des riesigen Netzwerks von Offshore-Unternehmen der Präsidentenfamilie identifiziert wurde, ein Pfeiler der Wirtschaft des Landes.

Unsere Versuche, M.O. ausfindig zu machen, blieben erfolglos, und wir konnten ihn auch nicht über öffentlich verfügbare Profile und Kontaktinformationen erreichen. Dennoch ist dank öffentlich zugänglicher Dokumente viel über sein Leben und seine Verbindungen zur Schweiz bekannt.

Dazu gehören Medienrecherchen von Ismayilova über Korruption in der Familie Aliyev, jetzt zugängliche Dokumente der panamaischen Rechtsberatungsfirma Mossack Fonseca und bei französischen und Schweizer Behörden registrierte Dokumente, die online verfügbar sind. Die Informationen in diesem Artikel stammen aus diesen Quellen.

Aserbaidschan, von Transparency International als eines der korruptesten Länder der Welt eingestuft, ist Gastgeber der UNO-Klimakonferenz COP29. Das Regime des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew wird beschuldigt, die Menschenrechte und Freiheiten in Aserbaidschan zu verletzen. Seine Familie soll über ein Milliardenvermögen verfügen.

In einer E-Mail schreibt das Schweizer Aussenministerium EDA, dass «die Schweiz in Bezug auf Aserbaidschan sowohl auf multilateraler als auch auf bilateraler Ebene ihre Position zu Menschenrechtsfragen zum Ausdruck gebracht hat, insbesondere im Hinblick auf die jüngsten Verhaftungswellen».

Ende letzten Jahres sagte der Schweizer Botschafter in Aserbaidschan, Thomas Stähli, dass er «maximale Anstrengungen» unternehmen werde, um die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu stärken. Seit Anfang der 2000er-Jahre hat das Interesse der Schweiz an der Diversifizierung ihrer Energiequellen zu einer Annäherung an Aserbaidschan geführt, wobei Bern eine Schlüsselrolle bei der Förderung der Trans-Adria-Pipeline spielte, die aserbaidschanisches Gas nach Europa fördert.

In den letzten Jahren ist die Schweizer Einzelhandelskette Migros in die Kritik geraten, weil sie einen Franchisevertrag mit dem staatlichen aserbaidschanischen Energieunternehmen Socar für den Betrieb ihrer Migrolino-Tankstellen geschlossen hat. Gemäss Kritiker:innen könnten diese Geschäfte das militärische Vorgehen Aserbaidschans gegen die Armenier mitfinanziert haben. Der Einzelhandelsriese hat zuvor behauptet, dass er «die Vorschriften einhält», und auf das Fehlen von Sanktionen gegen den kaukasischen Staat verwiesen.

Lesen Sie mehr über das Migros-Geschäft und die Rolle von Socar in der Schweiz in diesem Artikel:

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M.O. ist ein «Fixer», der zum erweiterten Schweizer Finanzsektor gehört, der Anwält:innen, Buchhalter:innen und andere Berufsgruppen umfasst, die Kunden bei der Verwaltung ihres Vermögens helfen.

Bevor es 2018 abgeschafft wurde, zog das Schweizer Bankgeheimnis die Reichen – und manchmal auch die Korrupten – an, die im Alpenstaat Partner für ihre Geschäfte fanden.

Doch trotz der Abschaffung des Bankgeheimnisses und eines VorschlagsExterner Link der Schweizer Regierung, der nach der russischen Grossinvasion in die Ukraine 2022 die Rolle von Mittelsmännern regulieren sollte, unterliegen Schweizer Anwält:innen nicht den gleichen Sorgfaltspflichten wie Finanzinstitute.

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Eine Person von «besonderem Interesse»

Der im französischen Besançon geborene M.O. wurde in einer Ausgabe eines englischsprachigen MagazinsExterner Link, das vom Verlag Condé Nast (u.a. Vogue) herausgegeben und von Aliyevs ältester Tochter Leyla redigiert wird, als Anwalt und Besitzer einer Kunstgalerie in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku beschrieben (der 2009 veröffentlichte Artikel ist nicht mehr online verfügbar).

M.O. stand dem aserbaidschanischen Regime so nahe, dass das US-Aussenministerium ihn 2011 in die ListeExterner Link der «aserbaidschanischen Beamten von besonderem Interesse» aufnahm.

Die RecherchenExterner Link der Enthüllungsjournalistin Ismayilova ergaben, dass M.O.s Name häufig bei der Registrierung von Offshore-Firmen auftauchte, die Leyla Aliyeva und ihrer Schwester Arzu gehörten und Schlüsselsektoren der aserbaidschanischen Wirtschaft, wie etwa die Telekommunikationsbranche, kontrollierten.

Das Media Rights Institute in Baku teilte Ismayilova mit, dass das Kommunikationsministerium von den Mobilfunkunternehmen verlangt, die staatliche Überwachung der Kommunikation zu erleichtern.

Der 62-jährige Anwalt M.O. war auch als «senior manager» in drei weiteren in Panama registrierten Unternehmen aufgeführtExterner Link, die von den Aliyev-Schwestern mitverwaltet werden. Eine davon war Globex International, eine Strohfirma mit Sitz im Vereinigten Königreich, die zu einem Joint Venture gehört, das 70% der aserbaidschanischen Minen kontrolliert.

Im Vorfeld der UNO-Klimakonferenz COP29 in Baku warb die Regierung für den Bergbau in den «befreiten Gebieten» von Bergkarabach.

Nach der aserbaidschanischen Offensive in das lange umstrittene Gebiet leben nach Schätzungen der UNO weniger als 1000 Angehörige der ehemaligen armenischen Mehrheit in der Enklave. Der aserbaidschanische Bergbausektor war auch Gegenstand von Protesten wegen der Nichtzahlung von Gehältern an die Beschäftigten und Umweltverstössen.

Spuren verwischen

In den von Radio Free Europe/Radio Liberty veröffentlichten Berichten von Ismayilova wird ein Labyrinth von Schattenunternehmen beschrieben, die mit der Aliyev-Familie in Verbindung stehen und gegen geltende nationale Gesetze verstossen.

Politiker, darunter auch der aserbaidschanische Präsident, sind eigentlich verpflichtet, ihr Vermögen offenzulegen. Es wurden jedoch nie Informationen darüber geliefert.

Auch bei öffentlichen Ausschreibungen wurden gesetzliche Bestimmungen nicht eingehalten, wobei wichtige Dienstleistungs- und Bauaufträge an Unternehmen vergeben wurden, die von der Präsidentenfamilie kontrolliert werden.

Nach Ismayilovas Berichten verschwand M.O. weitgehend aus den öffentlichen Aufzeichnungen. Im Jahr 2018 berichteten aserbaidschanische Medien, dass er aus dem Vorstand einer der wichtigsten Holdinggesellschaften des Landes, AtaHolding, «entfernt» wurde.

«Wenn eine so auffällige Person wie [M.O.] enttarnt wird, kann die Regierung sie leicht ersetzen und ihre Verbindungen verbergen», sagt Emin Huseynov, ein aserbaidschanischer Journalist und Menschenrechtsaktivist in der Schweiz.

«Es ist möglich, Hunderte von Leuten wie ihn in der Schweiz zu finden, aber wenn er vertrauenswürdig ist, könnte er Freunde oder Kollegen finden [die bereit sind, ihn zu ersetzen].»

Aus dem Archiv: Unser Bericht über die Flucht von Emin Huseynov in die Schweiz:

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In der Schweiz gründete M.O. zwei Unternehmen, die Finanz- und andere Dienstleistungen anbieten. Die Firmen waren unter denselben Adressen in Genf registriert, bevor sie in sein Schweizer Schloss verlegt wurden.

Seine Finanz- und Rechtsberatungsfirma Crescent Lake Finance wurde 2006 gegründet, vier Jahre nach Privaxis Services, einer Vermögensverwaltungsfirma, der M.O. bis 2012 als Direktor angehörte.

Ein Mitarbeiter von Privaxis weigerte sich am Telefon Fragen zu beantworten, und erklärte, dass die Firma nur Kunden Auskunft gebe, bevor er auflegte. Auf ihrer Website gibt die Firma an, dass sie von der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma lizenziert ist.

Revidor, der Wirtschaftsprüfer von Privaxis, weigerte sich unter Verweis auf Vertraulichkeitsvereinbarungen, Fragen zu seiner Aufsicht über seinen Kunden zu beantworten.

Die Verfolgung ist schwierig

M.O. gab seine Fähigkeiten auch an andere Kunden aus der ehemaligen Sowjetunion weiter. Öffentlichen UnterlagenExterner Link zufolge war er als ManagerExterner Link von Immobilien-Investmentgesellschaften für zwei russische Kunstsammler und Bankiers, Alexej und Dmitri Ananjew, tätig, die später in Russland der Veruntreuung angeklagt wurden.

Nach Enthüllungen über die Geldwäsche anderer autoritärer Figuren in der Schweiz im Jahr 2022 forderten internationale Behörden die Aufsichtsbehörden auf, die schwarzen Schafe besser aufzuspüren. Expert:innen sagen jedoch, dass die schiere Anzahl der Anwält:innen, die möglicherweise Geld für sogenannte politisch exponierte Personen (PEPs) waschen, die Aufgabe der Strafverfolgung erschwert.

«Es gibt sehr viele Schweizer Enabler und Anwälte, die in Genf, Zürich, Lugano und anderswo arbeiten und Offshore-Firmen kontrollieren, und meistens passiert ihnen nichts», sagt ein Schweizer Geldwäscherei-Experte gegenüber SWI swissinfo.ch.

«Die Behörden verfolgen vielleicht die Leute, die in Firmen arbeiten, die in grosse Korruptionsfälle verwickelt sind. Die Enabler stehen an vierter oder fünfter Stelle, und meistens haben die Strafverfolgungsbehörden nicht die Ressourcen, um sie zu verfolgen.»

Gegen M.O. liegt in der Schweiz keine Strafanzeige vor. Es sind auch keine Strafverfahren in anderen Ländern bekannt.

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Das sind die nächsten Schritte

Dennoch spekuliert der Experte, dass einige PEP-Fixer nun möglicherweise stärker unter Druck geraten. «Seit die USA begonnen haben, eine Reihe von Schweizer Mittelsmännern auf die Sanktionsliste zu setzen, denke ich, dass sie vorsichtiger werden.

Manche haben Büros auf den Britischen Jungferninseln oder den Bahamas und ziehen vielleicht sogar nach Dubai oder an andere Orte um.»

M.O. seinerseits scheint weitergezogen zu sein.

Nachdem er eine Zeit lang eine Kunstgalerie in Baku besessen hatte, wurde er ein Mäzen des Louvre Abu Dhabi, des grössten Museums der Region, und stellte Stücke aus seiner Privatsammlung für lokale Ausstellungen zur Verfügung.

Im Juli änderte M.O. seinen Nachnamen in den Registrierungsunterlagen für ein Schloss, das er im französischen Baskenland erworben hatte und das er zusammen mit seinen fünf Kindern als Aktiengesellschaft eintragen liess.

M.O. reagierte nicht auf mehrmalige Anfragen um eine Stellungnahme.

*Die Identität des Autors wird aus Sicherheitsgründen nicht bekanntgegeben.

Editiert von Veronica De Vore/gw, Übertragung aus dem Englischen: Giannis Mavris

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