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Die Schweiz bleibt Zentrum des globalen Sports – vorerst

Die fünf olympischen Ringe vor einem Gebäude
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat seit 1915 seinen Sitz in Lausanne. Keystone / Laurent Gillieron

Trotz einiger Turbulenzen im letzten Jahrzehnt ist die Schweiz nach wie vor ein Paradies für internationale Sportverbände. Vor allem Steuererleichterungen und die Schweizer Neutralität machen das Land attraktiv für sie.

Rund 60 Sportverbände, darunter das Internationale Olympische Komitee (IOC) und der Weltfussballverband Fifa, haben ihren Sitz in der Schweiz. Sie werden angezogen durch die günstige rechtliche und steuerliche Behandlung und den Ruf des Landes als neutrale Nation.

In vielerlei Hinsicht sind sie mit verschiedenen anderen Nichtregierungsorganisationen verwandt, wie zum Beispiel den Organisationen der Vereinten Nationen und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz, die mit ihrem Sitz in der Schweiz ihre eigene Neutralität demonstrieren.

Doch ihre Anwesenheit in der sauberen Schweiz ist mitunter holprig. Sowohl das IOC als auch die Fifa hatten mit Bestechungsskandalen bei der Vergabe von Grossanlässen in verschiedenen Ländern zu kämpfen.

+ Die Schweiz, der Sport und die Korruption

«Nicht nur die Integrität des Sports steht auf dem Spiel, sondern auch das Image der Schweiz als Sitz zahlreicher internationaler Sportverbände», heisst es in einem Bericht des Schweizer Sportministeriums aus dem Jahr 2012.

Die Skandale zwangen die Schweiz, ihre Gesetze zu verschärfen und hochrangige Sportfunktionärinnen und Sportfunktionäre als «politisch exponierte Personen» (PEP) einzustufen.

Die ehemaligen Chefs der Fifa und des europäischen Fussballverbands Uefa stehen noch immer in einem langwierigen Gerichtsverfahren, in dem sie der Korruption beschuldigt werden.

Das Schweizer Gerichtsverfahren zeigt, dass die Rolle des Landes als Zentrum des Weltsports auch negative Auswirkungen haben kann.

Welches sind die wichtigsten Sportorganisationen in der Schweiz?

Das IOC, das sich 1915 als erste internationale Sportorganisation in der Schweiz niederliess, sei nach all den Jahren immer noch die wichtigste Organisation, sagt Jean-Loup Chappelet, Experte für das Management von Sportorganisationen an der Swiss Graduate School of Public Administration der Universität Lausanne.

Die in Lausanne am Genfersee ansässige Hüterin des olympischen Geists hat zahlreiche andere Sportorganisationen angezogen, vom Internationalen Fechtverband über den Triathlon-Weltverband bis hin zum Schwimmverband World Aquatics.

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«Der Hauptgrund für den Umzug dieser Verbände nach Lausanne war die Nähe zum IOC, was die Chancen erhöht, als offizielle olympische Sportart anerkannt zu werden», sagt Chappelet gegenüber SWI swissinfo.ch.

Hinzu kommen unterstützende Institutionen wie das Schiedsgericht für Sport und die Internationale Testagentur, welche Anti-Doping-Programme für die Verbände durchführt.

Andere grosse Namen sind die Fussballverbände Fifa, die 1932 von Paris nach Zürich umzog, und Uefa, die ihren Sitz 1959 nach Bern verlegte, bevor sie 1995 in die Schweizer Stadt Nyon am Genfersee umzog.

Die Schweizer Behörden schufen weitere Anreize in Form von grosszügigen Steuererleichterungen und einer lockeren Handhabung des Gesetzbuchs, indem sie diese Institutionen als «private Vereine» bezeichneten, welche die Freiheit haben, unabhängig zu agieren.

Es läuft nicht immer alles rund

Die Ansiedlung in der Schweiz bringt für internationale Sportverbände aber auch einige Nachteile mit sich. So sind etwa die Personal- und Unterbringungskosten hierzulande höher als in den meisten anderen Ländern.

Zudem können Ausgaben in Schweizer Franken und Einnahmen in US-Dollar zu einer finanziellen Herausforderung werden, weil der Franken gegenüber dem Dollar in letzter Zeit an Wert gewonnen hat.

«Die in der Schweiz ansässigen Verbände versuchen, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, um das Geld an die Mitglieder an der Basis weitergeben zu können. Aber die Lebenshaltungskosten in der Schweiz steigen ständig», so Chappelet.

Die Korruptionsskandale beim IOC und bei der Fifa haben die Schweiz zudem gezwungen, dem Druck der Staatengruppe gegen Korruption (Greco) des Europarats nachzugeben und 2015 ihren Kodex zu verschärfen.

Sportorganisationen in der Schweiz unterliegen nun strafrechtlichen Sanktionen bei Korruption, und Spitzenfunktionärinnen und -funktionäre werden als politisch exponierte Personen eingestuft. Das verpflichtet die Banken, verdächtige Transaktionen genau zu beobachten.

Laut Chappelet sind die Bedingungen in der Schweiz im Vergleich zu anderen europäischen Ländern aber immer noch vorteilhaft.

«Das Schweizer Rechtssystem hat sich in den letzten zehn Jahren weiterentwickelt, ist aber immer noch sehr flexibel. Es gibt nur 20 Gesetzesartikel, die sich direkt auf Sport-Hauptsitze beziehen, und viele davon sind nicht obligatorisch», sagt er.

Werden die Verbände in der Schweiz bleiben?

Einige Verbände haben in den letzten Jahren den Wunsch geäussert, sich ausserhalb der Schweiz anzusiedeln.

Die Fifa hat einige ihrer Verwaltungseinheiten nach Paris, Miami und Singapur verlegt. Das führte zu Befürchtungen, dass sie Zürich ganz verlassen könnte.

Der Fussballverband bekräftigt jedoch, dass er seinen Hauptsitz in der Schweiz behalten will und argumentiert, dass die Eröffnung von Büros in verschiedenen Ländern einfach dazu beitrage, den Kontakt mit den verschiedenen Regionen der Welt zu verbessern.

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World Aquatics wird von Lausanne nach Budapest umziehen und nur ein kleines Büro in der Schweiz behalten. Verbandspräsident Husain Al-Musallam, argumentiert, die Schweiz sei für den finanziell angeschlagenen Verband zu teuer.

«Angesichts der geopolitischen Veränderungen [namentlich des wachsenden Einflusses Chinas] wird dies vielleicht nicht ewig so bleiben. Aber es ist schwer vorstellbar, dass es in den nächsten zehn Jahren eine grosse Bewegung von Sportverbänden geben wird», schätzt Experte Chappelet.

Was hat die Schweiz zu verlieren?

Der wichtigste immaterielle Gewinn für das kleine Land ist die Anziehungskraft auf internationale Verbände mit weltweitem Einfluss und grossen Budgets. Ihr Entscheid, in die Schweiz zu kommen, stärkt auch das Image des Landes als neutrale Nation.

Obwohl die Schweiz nur sehr geringe Steuern von internationalen Sportverbänden erhebt, profitiert sie auch materiell von deren Ansiedlung.

Ein Bericht der Internationalen Akademie für Sportwissenschaft und -technologie aus dem Jahr 2021 zeigt, dass das Gastgeberland dank den Verbänden zwischen 2014 und 2019 jährlich 1,68 Milliarden Schweizer Franken eingenommen hat.

Diese Einnahmen setzen sich zusammen aus den Ausgaben der Verbände und ihrer Besuchenden in der Schweiz, einigen Steuern sowie einer Zunahme des Tourismus durch Attraktionen wie das Fifa-Museum und das Olympische Museum. Am meisten davon profitierten Lausanne und der Kanton Waadt, in dem Lausanne liegt.

Editiert von Virginie Mangin/dos, Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub

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