Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Fall Melnitschenko: Der russische Oligarch und die Schweiz

Andrej Melnitschenko, in weissem Hemd, blick in die Kamera.
Eurochem wurde vom russischen Oligarchen Andrej Melnitschenko gegründet. Bei Kriegsausbruch hat er sich zurückgezogen und so seine Frau als wirtschaftlich Berechtigte eingesetzt. Keystone

Der russische Oligarch Andrej Melnitschenko ist weltbekannt als Besitzer der grössten Segeljacht. Weniger bekannt ist, dass er einen der grössten Düngemittelhersteller gegründet hat – mit Hauptsitz in Zug. Die Firma ist bis heute nicht sanktioniert.

Der Düngemittel-Konzern Eurochem gilt als so wichtig für die Welternährung, dass der Konzern weltweit von den Sanktionen gegen Russland ausgenommen ist. “Trotzdem wird die Firma quasi wie eine sanktionierte Firma behandelt”, klagt der Schweizer CEO von Eurochem, Samir Brikho, im Interview mit der Rundschau.

Sämtliche Schweizer Banken hätten Eurochem die Konten gekündigt. Das Trading wurde deshalb nach Dubai verlegt. Beim Besuch der Rundschau in Zug sind die Büros am Hauptsitz menschenleer. Nur gerade der CEO und zwei Assistentinnen sind im Hauptquartier des Konzerns anzutreffen. Trotzdem versichert Brikho: “Von der Schweiz aus wird der Konzern geführt.”

Externer Inhalt

Wegen “Schikanen” sei die Produktion zu Kriegsbeginn um 20 Prozent eingebrochen, erzählt Brikho. Die Fabrik in Litauen habe Eurochem wegen des politischen Drucks schliessen müssen. Eurochem – auch ohne Sanktionen – ein Opfer des Krieges?

Opfer oder Profiteur?

Für Robert Bachmann, Rohstoff-Analyst der Nichtregierungs­organisation PublicEye, ist Eurochem nicht Opfer, sondern Profiteur des Kriegs. Mit Kriegsbeginn seien die Düngerpreise regelrecht durch die Decke gegangen. Bachmann geht davon aus, dass Eurochem unter dem Strich deshalb trotz gedrosselter Produktion Rekordgewinne schreiben konnte.

Externer Inhalt

Dazu befragt, dementiert Samir Brikho. “Wir haben keinen Mehrgewinn erzielt, weil wir Volumen verloren haben.” Auf Nachfrage, verspricht uns der CEO und Verwaltungsratspräsident, dass wir die Geschäftszahlen einsehen könnten. Doch als wir das Versprechen einlösen wollen, verweigert Eurochem die Herausgabe hartnäckig.

Sanktionen verhindert

Eurochem gehört zu den weltweit grössten Düngemittel-Produzenten. Die Firma wurde vom russischen Oligarchen Andrej Melnitschenko gegründet. Bei Kriegsausbruch hat er sich zurückgezogen und so seine Frau als wirtschaftlich Berechtigte eingesetzt.

Als auch sie sanktioniert wird, wurde ein sogenanntes “ring fencing” installiert. Damit soll rechtlich sichergestellt werden, dass von Eurochem kein Geld an sanktionierte Personen fliesst. Auch darum ist die Firma bis heute in der Schweiz nicht sanktioniert.

Externer Inhalt

Das sorgt für Kritik in der Politik. Die grüne Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt kritisiert das Schweizer Vorgehen: “Ich habe Angst, dass das einen Bumerang gibt, dass uns das irgendwann um die Ohren fliegt und ich verstehe nicht, wieso Zug und die Schweiz dieses Risiko eingehen.” Zumal Eurochem in der Schweiz kaum noch präsent sei und der Schweizer Finanzplatz Eurochem wegen des Risikos meide.

Der Aussenpolitiker Franz Grüter (SVP, LU) ist anderer Meinung. Er kritisiert die Sanktionen grundsätzlich. Andrej Melnitschenko könne sich in der Schweiz nicht einmal durch Anwälte beraten lassen: “Ich glaube, wir müssen uns schon fragen, ob das noch rechtsstaatlich ist, was da zurzeit abgeht.”

Externer Inhalt

Das “ring fencing” als massgeschneiderte Lösung sei einzig für Eurochem gültig, hat der Bundesrat letztes Jahr auf eine parlamentarische Anfrage festgehalten. Anfang dieses Jahres überprüfte das Bundesamt für Wirtschaft (Seco) erstmals die Wirksamkeit durch ein unabhängiges Audit, wie Eurochem auf Anfrage mitteilt.

Über das konkrete Resultat des Audits gibt das Seco auf Anfrage keine Auskunft.

Ein Sprecher des russischen Oligarchen Andrej Melnitschenko lässt nach Publikation des Online-Artikels und des TV-Beitrags gegenüber der “Rundschau” Folgendes ausrichten:

“Früher wurde geglaubt, dass (die Segeljacht) SYA Herrn Melnitschenko gehöre. Tatsächlich ist Andrej Melnitschenko jedoch weder in Bezug auf die Eigentumsverhältnisse noch in anderer Weise mit dieser Jacht verbunden.

Andrej Melnitschenko hat seine Frau nicht als wirtschaftlich Berechtigte von Eurochem eingesetzt. Herr Melnitschenko trat als Begünstigter des Trusts zurück, der Eurochem Aktien hielt und seine Frau wurde damit automatisch die neue Begünstigte. Es fand keine Übergabe an sie statt.”

Dieser Artikel erschien zuerst SRF Externer Linkund wurde von SWI swissinfo.ch kuratiert.

“dialog” ist das Angebot der SRG, das mit Debatten Externer Linkund dem Austausch von Inhalten Brücken baut. Es will Menschen in allen Sprachregionen sowie Schweizerinnen und Schweizer im Ausland näher zusammenbringen.

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft