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Handel mit China: «Die Schweiz hat keinen Plan B»

Eine Frau staubsaugt einen roten Teppich
Wer breitet hier eigentlich wem den roten Teppich aus? China und die Schweiz – zwei ungleiche Handelspartner. Peter Klaunzer / AFP

Der Westen wendet sich von China ab – die Schweiz macht das Gegenteil und vertieft die wirtschaftlichen Verflechtungen. Mit welchen Folgen?

Im Westen ist der Ton gegenüber China rauer geworden: Die EU beschliesst Strafzölle auf chinesische Elektroautos. Die USA sind dabei, einen Handelskrieg mit China anzuzetteln. Viele westliche Handelspartner versuchen, ihre Lieferketten breiter abzustützen, neue Allianzen zu schmieden. De-Risking nennt sich diese Herangehensweise und meint den Abbau kritischer Abhängigkeiten.

Die Zeiten, in denen der Profit das Verhältnis zu China bestimmt, sind vorbei. Mit einer Ausnahme: Die Schweiz. Das Land will seine Handelsbeziehungen mit China sogar intensivieren. Der Bundesrat hat im September grünes Licht für die Verhandlungen mit der Volksrepublik über eine Erweiterung des Freihandelsabkommens gegeben.

China und die Schweiz – eine alte Beziehung

Die Schweiz hatte schon immer ein besonders freundschaftliches Verhältnis zu China. Sie war eines der ersten westlichen Länder, das 1950 die Volksrepublik unter Mao Zedong anerkannte. Bald soll der 75. Geburtstag dieser Beziehung gefeiert werden.

Dabei ist die Ausgangslage bei Weitem nicht mehr so rosig wie noch vor zehn Jahren. Die chinesische Wirtschaft schwächelt. Gleichzeitig wenden sich mit der EU und den USA die wichtigsten Handelspartner der Schweiz von China ab. Nationalistische Rhetorik droht der Konflikt mit Taiwan zu eskalieren. Handelt die Schweiz blauäugig?

Nicht unbedingt, findet Wan-Hsin Liu, Expertin für China, internationalen Handel und Investitionen am Kieler Institut für Weltwirtschaft. «Für die Schweiz macht es durchaus Sinn, das bereits bestehende Abkommen nach zehn Jahren zu modernisieren.» Denn, so Liu: «Gerade vor dem Hintergrund geopolitischer Spannungen ist es denkbar, dass China irgendwann gewisse Liberalisierungsmassnahmen zurücknehmen würde. Mit einem Abkommen könnte die Schweiz besser davor geschützt werden.» Ausserdem biete es die Möglichkeit, gewisse Spielregeln einzufordern, etwa im Bereich E-Commerce und Datenschutz bei internationalem Datentransfer.

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Auch was die Menschenrechte betrifft, sieht Wan-Hsin Liu die Schweiz in einer guten Verhandlungsposition. «Das Abkommen ist für China derzeit besonders wichtig, weil es sich damit Zugang zum europäischen Markt verschaffen kann.» In einer Zeit, in der sich die USA bereits von China abgewendet haben und sich die EU zunehmend abzugrenzen versucht, sei das für China von grosser Bedeutung. «China wird alles dafür tun, diesen Zugang nicht zu verlieren», ist Liu überzeugt.

Diese Abhängigkeit könnte die Schweizer Regierung wiederum nutzen, und Forderungen zu Menschenrechten und Umweltschutz stellen. Zwar hatte die zuständige Nationalratskommission bisher verbindliche Regeln zu diesen Themen im Abkommen abgelehnt. Allerdings haben für diesen Fall bereits verschiedene Organisationen und linke Parteien ein Referendum angekündigt, um damit den nötigen Druck aufzubauen.

Grosse Abhängigkeiten bei den Unternehmen

Umgekehrt ist China für die Schweiz als kleines exportorientiertes Land allein aufgrund der Grösse ein wichtiger Markt – und der drittwichtigste Handelspartner. Im Jahr 2023 exportierten Schweizer Unternehmen nach Angaben des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) Waren für 40.6 Milliarden Franken in die Volksrepublik, die Importe beliefen sich auf gut 18.4 Milliarden. Dabei wächst das Handelsvolumen weniger stark als noch vor ein paar Jahren. Es dominiert vor allem das Gold, das jedoch von dem Freihandelsabkommen ausgenommen ist.

Unsere Analyse über die schweizerisch-chinesische Handelsbeziehungen finden Sie hier:

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Trotzdem: «Sich von China abzukoppeln wäre für die Wirtschaft aktuell nicht tragbar», sagt Daniel Kinderman, Professor für Politikwissenschaft an der University of Delaware. Es wäre jedoch auch für die Schweiz ratsam, ihre Absatzmärkte zu diversifizieren. Das habe bereits die Covid19-Pandemie gezeigt. Das abgeschwächte Wirtschaftswachstum Chinas erhöhe nun den Druck auf die Schweizer Unternehmen, sich breiter aufzustellen.

Eine UmfrageExterner Link der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich aus dem Jahr 2023 zeigt: Ein Fünftel der Schweizer Industrieunternehmen ist mittel bis stark von kritischen Vorleistungen aus China abhängig. Am grössten ist die Abhängigkeit in der Elektronikbranche, gefolgt von der Pharma- und Chemiebranche. Ein knappes Fünftel der Unternehmen kann die eigene Abhängigkeit nicht einschätzen. Insgesamt hat über die Hälfte der befragten Unternehmen keine Massnahme getroffen und ein knappes Drittel der Unternehmen hat bis zu drei Massnahmen ergriffen oder geplant, etwa mehr Vorleistung aus Europa zu beziehen.

In den USA stuft man den Schweizer-Sonderweg als pragmatisch ein: «Die Schweizer Regierung ist offenbar der Ansicht, dass ein Weiter-wie-bisher noch ein gangbarer Weg ist», sagt US-Politologe Kinderman. «Wie lange diese Strategie noch aufgehen wird, ist derzeit nicht abzusehen.» Entscheidend dafür werde auch sein, wer die Präsidentschaftswahlen in den USA im November gewinnt. «Falls es Trump wieder schafft, wird er vermutlich einen sehr harten Anti-China Kurs in der Handelspolitik fahren, und das könnte unter anderen auch die Schweiz treffen.»

Mehr Sorgen als der Politik bereitet das der Schweizer Industrie. «Die grösste Sorge für Unternehmen in bestimmten Branchen ist, ob ihre Geschäfte mit chinesischen Kunden ihr US-Geschäft beeinträchtigen könnten,» sagte Alain Graf, Senior Consultant bei Switzerland Global Enterprise in einem ArtikelExterner Link des US-Nachrichtenmagazin Bloomberg.

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Giannis Mavris

Welche Zukunft hat das Schweizer Neutralitätsmodell?

Kann es in Zeiten der Blockbildung und des geopolitischen Antagonismus überhaupt einen neutralen Weg geben?

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Eine Vorahnung, was das bedeuten kann, zeigte ein FallExterner Link im letzten Frühjahr: Die Schweizer Firma ABB beliefert in China das Staatsunternehmen Shanghai Zhenhua Heavy Industries mit einer Software für Hafenkräne. Diese Software wird in China in die Kräne eingebaut und dann in die USA ausgeliefert. Die USA befürchteten, dass die Software über eine Hintertür Daten über den Güterumschlag sammelt und an die chinesische Regierung liefert. Die ABB musste vor dem US-Kongress Stellung nehmen.

Wenn die Politik die Schraube anzieht

«Ich denke, solche Fälle werden sich künftig häufen», sagt Simona Grano, China- und Taiwan-Expertin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Zürich. Sie glaubt: «Für die Schweiz wird es mit zunehmenden handelspolitischen Spannungen immer schwieriger, mit beiden Seiten Geschäfte abzuschliessen.» Das Risiko, dass die USA und die EU ihre Handelsbeziehungen mit der Schweiz einschränken, wenn sie China weiterhin den Rücken stärkt, hält Grano für real. «Schlimmstenfalls müsste sich die Schweiz zwischen den Grossmächten entscheiden.»

Und wenn China Taiwan angreift? «Die Folgen für die Weltwirtschaft und die Schweiz wären verheerend», sagt Simona Grano. Dass genau darüber keine Diskussionen stattfinden, sei problematisch. «Die Schweiz hat aktuell keinen Plan B.» Stattdessen gehe man auf Kuschelkurs. Das zeige auch der Entscheid des Aussenministers Ignazio Cassis von diesem Sommer, auf eine Aktualisierung der China-Strategie zu verzichten: Dabei handelt es sich um ein öffentliches Dokument, das Akteuren des Bundes eine Orientierungshilfe im Umgang mit dem jeweiligen Gegenüber bietet und im Fall von China beispielsweise auch die Taiwan-Frage hätte thematisieren müssen.

«Was es jetzt braucht, ist eine klare Positionierung», sagt Grano. Dazu müsse man bereit sein, China auch mal zu verärgern. «Die Zeiten, in denen die Schweiz ihre Wirtschaft von politischen Fragen abkoppeln konnte, sind langsam aber sicher vorbei.»

Editiert von Giannis Mavris

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