Japan übernimmt eine führende Rolle bei der Beseitigung von Landminen in der Ukraine
Im Oktober lud die Schweiz nach Lausanne zur Minenkonferenz für die Ukraine ein. Nächstes Jahr wird Japan die Nachfolgekonferenz beherbergen; das Land ist schon heute führend in der Bekämpfung von Landminen.
«Japan wird seine Bemühungen im Bereich der Minenräumung verstärken, damit die ukrainische Bevölkerung sicher in ihren Alltag zurückkehren kann», sagte der japanische Premierminister Fumio Kishida in seiner Rede während des Ukraine-Gipfels auf dem Schweizer Bürgenstock im Juni.
Er fügte an, dass Japan im nächsten Jahr Gastgeber der Ukraine Mine Action Conference (UMAC) sein werde. Die diesjährige AusgabeExterner Link fand Mitte Oktober in Lausanne statt.
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Die Schweizer Minenräumungskonferenz zur Ukraine: Das muss man wissen
Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 unterstützt Japan die Ukraine massgeblich bei der Minenräumung.
So hat die japanische Regierung dem Staatlichen Dienst für Notfallsituationen (DSNS) verschiedene Minenräumgeräte zur Verfügung gestellt, und dabei unterstützt, seine Kompetenzen im Bereich der Minenräumung auszubauen.
Im Juli lieferten die japanische Regierung und die Behörde für internationale Zusammenarbeit (JICA)Externer Link, die führende Regierungsstelle Japans für Entwicklungszusammenarbeit, vier mechanische Minenräummaschinen an die Ukraine. Sie sind Teil eines Hilfspakets in der Höhe von 91 Milliarden Yen (516 Millionen CHF), mit dem Japan den Wiederaufbau dort unterstützt.
Diese Maschinen, vom japanischen Baumaschinenhersteller Nikken, sind die ersten ihrer Art: Neben der Minenräumung können sie auch zur Beseitigung von Trümmern oder zum Beschneiden von Bäumen eingesetzt werden. Etwa zwanzig solche Geräte werden bis Ende dieses Jahres ausgeliefert.
Zudem stellt Japan der Ukraine im Jahr 2023 insgesamt fünfzig hochmoderne Minendetektoren zur Verfügung, die vom emeritierten Professor Motoyuki Sato von der Tohoku-Universität entwickelt wurden.
Die so genannten ALIS kombinieren einen Metalldetektor mit einem Bodenradar, und können damit vergrabene Landminen auf einem Bildschirm sichtbar machen.
Das System, das bereits in Kambodscha eingesetzt wurde, kann Standorte von Minen schnell und genau ermitteln, ohne dabei in den Boden graben zu müssen.
Motoyuki Sati erklärt in diesem Video, wie ALIS
funktioniert (auf Japanisch mit englischen Untertiteln):
Japan versucht aber mehrheitlich, Länder, die wie die Ukraine von Landminen betroffenen sind, dabei zu unterstützen, die nötigen Kompetenzen zur Bewältigung des Problems selbst aufzubauen.
Dafür hat die JICA mehrere Schulungen für ukrainische Mitarbeiter:innen in Japan, Kambodscha und Polen durchgeführt. Die fünfzig Teilnehmer:innen lernten dort, wie sie Minensuchgeräte und Entminungsausrüstung benutzen und warten können.
Rund 23% der ukrainischen Landfläche, schätzt die ukrainische Regierung, könnten mit Landminen und anderen nicht explodierte Kampfmittel belastet sein.
Etwa sechs Millionen Menschen leben derzeit in Hochrisikogebieten. Mehr als 900 Menschen wurden durch LandminenExterner Link getötet oder verletzt. Und selbst nach dem Ende des Krieges wird es viele Jahre dauern, alle Minen zu räumen.
«Im Gegensatz zu anderen Ländern entsenden wir nicht nur Leute aus Japan, um bei der Minenräumung zu helfen», sagt Ayako Oi, die bei JICA die Abteilung für Friedenskonsolidierung leitet.
«Unser Ziel ist es, die Kompetenzen der ukrainischen Bevölkerung zu stärken, damit sie das Aufspüren und die Beseitigung von Landminen in Zukunft selbst planen und umsetzen kann.»
25 Jahre Erfahrung bei der Minenräumung in Kambodscha
Seit 1998 hat Japan Kambodscha mit einem Betrag von über 16 Milliarden Yen (92 Millionen CHF) bei der Minenräumung unterstützt.
Kambodscha wurde durch den Vietnamkrieg und den darauffolgenden zwanzig Jahre dauernden Bürgerkrieg schwer getroffen. In jener Zeit wurden schätzungsweise zwischen vier und sechs Millionen Minen in Kambodscha vergraben.
In den frühen 1990er-Jahren wurde die internationale Gemeinschaft zunehmend auf das Problem der Landminen aufmerksam. Diese Minen, vor allem in Konfliktgebieten wie Kambodscha, Afghanistan oder Angola, fügten der Zivilbevölkerung enormen Schaden zu und behinderten die Wiederaufbau- und Entwicklungsbemühungen nach Kriegsende.
Internationale Nichtregierungsorganisationen drängten damals auf die Schaffung des Übereinkommens über das Verbot von Antipersonenminen (Ottawa-Übereinkommen), das schliesslich 1997 beschlossen wurde und 1999 in Kraft trat. Bis heute haben 164 Länder die Konvention unterzeichnet oder ratifiziert.
Das japanische Verteidigungsministerium zögerte zunächst aus Sicherheitsgründen, der Konvention beizutreten. Doch Keizo Obuchi, der damalige Aussenminister, betonte die Bedeutung des Übereinkommens und unterzeichnete es. Im Februar 2003 schloss Japan die Vernichtung seiner rund einer Million Landminen ab.
Die Tagung der Vertragsstaaten findet einmal im Jahr statt, um die Umsetzung des Übereinkommens zwischen den Vertragsparteien, den Unterzeichner:innen und internationalen Organisationen zu erörtern.
Seit 1998 unterstützt die JICA das Aktionszentrum gegen Landminen in Kambodscha (CMAC), eine kambodschanische Regierungsbehörde. Sie stellt Ausrüstung bereit, um die Minenräumung effizienter zu machen und hilft, Managementkapazitäten aufzubauen. So hilft die JICA Kambodscha, ein System eigenständiger Minenräumung zu entwickeln.
Das CMAC hat die von Minen geräumte Fläche in Kambodscha von rund zehn Quadratkilometern Mitte der 1990er-Jahre auf 282 Quadratkilometer im Jahr 2023 erhöht.
Kambodscha gehört inzwischen zu den Ländern mit der grössten Expertise im Bereich der Minenbekämpfung weltweit. Die JICA arbeitet daran, die Zusammenarbeit zwischen kambodschanischen Beamten und jenen in Ländern wie Kolumbien, Laos, Angola und Irak zu fördern, um Fachwissen auszutauschen.
Japans Aussenministerin Yoko Kamikawa kündigte vor kurzem eine gemeinsame Initiative mit Kambodscha an, um Wissen und Technologie im Bereich der Landminenbeseitigung weltweit auszutauschen.
Im Rahmen dieser Initiative unterrichteten kambodschanische Expert:innen ukrainische Mitarbeiter:innen im Umgang mit den Minensuchgeräten.
Bekämpfung von Landminen anstelle von Waffenexporten
Japan gehört weltweit zu den engagiertesten Ländern in der Bekämpfung von Landminen. Zwischen 2018 und 2022 rangierte esExterner Link durchgehend unter den fünf grössten Gebern in diesem Bereich.
Gleichzeitig verfolgt Japan eine streng regulierte Waffenexport-Politik, insbesondere in Bezug auf Waffen, die an Konfliktparteien geliefert werden.
Doch wie die Schweiz geriet auch Japan nach der russischen Invasion in der Ukraine international unter Druck, seine Waffenausfuhrgesetze zu lockern.
Im März 2022, kurz nach Beginn der Invasion, revidierte die japanische Regierung ihre operativen Leitlinien der «drei Grundsätze für den Transfer von Verteidigungsgütern und -technologien»Externer Link. Dies erlaubte es Japan, kugelsichere Westen und Helme als «ausgediente Güter» an die Ukraine zu liefern.
Ende 2023 überarbeitete die Regierung erneut ihre gesetzlichen Bestimmungen, um Verteidigungsgüter, die in Japan unter ausländischen Lizenzen hergestellt wurden, an die lizenzgebenden Länder exportieren zu können.
Kurz darauf genehmigte Japan einen Antrag der USA für eine Lieferung von Patriot-Luftabwehrraketen in die USA. Das führte zu Spekulationen, dass diese an die Ukraine geliefert werden könnten.
Trotzdem: Bei der Mehrheit der japanischen Ukraine-Hilfe handelt es sich, wie auch im Fall der Schweiz, um humanitäre und finanzielle Hilfe.
Die UMAC ist zu einem zentralen Bestandteil der japanischen Ukraine-Hilfe geworden. Dies, nachdem sich Japans Premierminister Fumio Kishida in einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski auf dem G7-Gipfel im Juni die Ausrichtung der kommenden Ausgabe 2025 sicherte.
Neben der Unterstützung für die Ukraine hoffen manche japanische Parlamentarier:innen, dass die Minenräumkonferenz auch eine Plattform bieten wird für Innovationen japanischer Unternehmen im Bereich der Minenräumung.
Neben Nikken und Komatsu, die hochmoderne Minenräumgeräte herstellen, hat etwa der IT-Gigant NEC mithilfe von künstlicher Intelligenz eine Technologie entwickelt, die vorhersagen kann, wo Landminen am ehesten vergraben sind. NEC möchte diese Technologie in Zukunft in der Ukraine einsetzen.
«Antipersonenminen zu beseitigen ist ein wesentliches Element für den Schutz der Menschen, für die Schaffung einer Gesellschaft, in der sie in Frieden leben können», so Ayako Oi, Leiterin der Abteilung Friedenskonsolidierung der JICA.
«Ich hoffe, dass die Konferenz nächstes Jahr dazu beitragen wird, dass die Staaten ihr Engagement für die Minenbekämpfung in der Ukraine weiter ausbauen.»
Editiert von Veronica DeVore, Übertragung aus dem Englischen: Meret Michel
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