Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Kira Peter-Hansen: die junge und erfolgreiche Schweizerin im Europaparlament

Eine junge Frau
Die dänisch-schweizerische Doppelbürgerin Kira Peter-Hansen ist Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währungen sowie der Delegation für die Beziehungen zur Schweiz. EU-Parlament

2019 schaffte die damals 21 Jahre alte Wirtschaftsstudentin überraschend den Sprung ins Europäische Parlament. Dieses Jahr holte Kira Peter-Hansen in Dänemark am meisten Stimmen. Nun möchte sich die grüne Politikerin mit Schweizer Pass für Steuergerechtigkeit und gute Beziehungen der EU zur Schweiz einsetzen.

«Ich habe mir schon mehrmals überlegt, an Schweizer Volksabstimmungen teilzunehmen“, sagt Kira Peter-Hansen. «Ich schaue mir immer das Wahlmaterial an», hält sie fest: «Dabei ist sehr spannend zu sehen, welche Themen den Schweizer Bürgerinnen und Bürgern wichtig sind.“

Zum Beispiel, als über die Frage entschieden worden sei, ob die Schweiz dem OECD-Steuerabkommen beitreten solle. «Dieses hatte ich selbst im EU-Parlament ausgehandelt“, lacht sie.

Geboren 1998 als Kind eines Schweizer Vaters aus Flühli im Kanton Luzern, hat Peter-Hansen nicht nur einen Schweizer Pass, sondern pflegt auch ein enges Verhältnis zum kleinen Nicht-EU-Mitgliedland im Zentrum Europas.

Mehr
Newsletter sobre a política externa

Mehr

Unser Newsletter zur Aussenpolitik

Die Schweiz in einer Welt, die sich bewegt. Beobachten Sie mit uns die Schweizer Aussenpolitik und ihre Entwicklungen – wir liefern die Vertiefung dazu.

Mehr Unser Newsletter zur Aussenpolitik

Dort hat sie Teile ihrer frühen Kindheit verbracht und besucht die Schweiz auch regelmässig mit ihrem Partner, der ebenfalls Familie in der Schweiz hat.

Mehr zu ihrer «Schweizer» Kindheit und Biografie möchte Kira Peter-Hansen jedoch nicht preisgeben: «Ich behalte vieles aus meinem Privatleben für mich.“ Sie verzichtet auch ganz bewusst auf die Publikation eines Lebenslaufs auf der offiziellen SeiteExterner Link des EU-Parlaments.

Das grösste transnationale Parlament der Welt

Das Europäische Parlament (EP) wird seit 1979 in direkten Wahlen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gewählt. Es hat seine Machtbefugnisse seither kontinuerlich ausgebaut.

Die dänische Abgeordnete Kira Peter-Hansen ist nicht nur ein besonders einflussreiches Mitglied im EP, sondern auch das jüngste je gewählte Mitglied.

Viel Platz für jüngere Kräfte

Politisch aktiv ist Peter-Hansen in der Schweiz bislang nicht: «Nein, ich habe mein Stimmrecht in der Schweiz noch nie genutzt. Ich glaube nicht, dass ich in der Schweiz aktiv genug bin, um die Entscheidungen zu treffen – das überlasse ich anderen.»

Ganz anders ihr Wirken in Dänemark, wo sie in der Hauptstadt Kopenhagen mit ihrer dänischen Mutter aufwuchs: Mit 17 Jahren trat Peter-Hansen dem Jugendverband der «Sozialistischen Volkspartei» bei.

Zu einem besonderen Zeitpunkt, wie sich ein ehemaliges Vorstandsmitglied in der Zeitung Information erinnertExterner Link: «Nach einer anstrengenden Regierungsbeteiligung hatte die Partei viele Mitglieder verloren. Es gab viel Platz für jüngere Kräfte.»

Eine junge Frau in einem Parlament
Kira Peter-Hansen erhält und studiert das Schweizer Abstimmungsmaterial vier Mal im Jahr, verzichtet aber bislang bewusst auf eine Stimmabgabe. EU-Parlament

«Ich bemühe mich stets, mich gründlich in meine Fälle einzuarbeiten und ehrlich zu bleiben, auch wenn es etwas gibt, was ich nicht beantworten kann“, sagt Kira Peter-Hansen zu SWI swissinfo.

Diese Haltung brachte die junge Frau in der eigenen Partei weiter, die seit ihrem Eintritt vor bald zehn Jahren viele neue Wähler:innen hinzugewinnen konnte und im Europäischen Parlament der grünen Fraktion angehört.

«Ich glaube, es liegt daran, dass ich und meine Partei für etwas stehen, an das die Wählerinnen und Wähler glauben. Sie wollen Politikerinnen und Politiker, die gute Lösungen haben, die aber auch kooperieren und pragmatisch arbeiten. Die sich auf Kompromisse einlassen und vielleicht nicht so laut schreien, aber hart arbeiten.»

«Fleissig, pragmatisch und kommunikativ»

Dieses Talent hat Kira Peter-Hansen auch nach ihrer Erstwahl ins EP im Jahr 2019 nicht verlernt. Hier hat sie sich als bislang jüngste Abgeordnete der Geschichte «einen Namen als fleissige, pragmatische und kommunikative Politikerin gemacht», sagt Petros Fassoulas.

Der Generalsekretär des internationalen Dachverbands der Europäischen Bewegung in Brüssel betrachtet den Wahlerfolg von Kira Peter-Hansen als «Zeichen gegen den europakritischen Rechtstrend in grossen Mitgliedstaaten wie Deutschland und Frankreich».

Ein Mann
Petros Fassoulas stammt ursprünglich aus Griechenland und leitete bis vor der Brexit-Abstimmung die Europäische Bewegung in Grossbritannien. swissinfo.ch

Bei den Wahlen im Juni holte Kira Peter-Hansen in Dänemark am meisten Stimmen – und ihre «Sozialistische Volkspartei» wurde zur grössten Partei im Land.

«Dabei fällt aber auf», so Fassoulas, «dass es nicht jene Bereiche sind, mit denen sich Peter-Hansen im Wahlkampf profilierte – wie dem Klimaschutz oder der Bekämpfung von Chemikalien –, mit denen sie sich nun im Parlament beschäftigt, sondern vor allem wirtschaftliche Themen».

So engagiert sich Peter-Hansen mit Erfolg für die so genannte «Lohntransparenzrichtlinie», die Unternehmen dazu verpflichtet, geschlechtsspezifische Lohnunterschiede offenzulegen und Massnahmen zu ergreifen, falls diese erheblich sind.

Trotz ihres jungen Alters und ihrer zurückhaltenden, bisweilen gar schüchternen Art, hat sich Kira Peter-Hansen nie davor gescheut, sich an jene Tische zu setzen, an denen wichtige Entscheide gefällt werden.

Nach nur einem Jahr im EU-Parlament kandidierte sie mit Erfolg für den Posten der Vizepräsidentin der grünen Fraktion. Sie bewarb sich ebenso erfolgreich für einen Posten im männlich dominierten Ausschuss für Wirtschaft und Währungen (ECON) und wurde dort zur parlamentarischen Chefunterhändlerin für Geldwäsche und Bankenregulierung bestimmt.

Dazu ist sie stellvertretende Vorsitzende im Unterausschuss für Steuerfragen, wo sie sich unter anderem dafür stark macht, dass internationale Techkonzerne wie Google oder Apple an ihren Standorten innerhalb der EU auch Steuern zahlen.

«Die Schweiz ist Teil meines politischen Denkens»

Diese Linie kommt nicht nur bei der Wähler:innenschaft zuhause in Dänemark gut an, sondern stärkt auch ihre Stellung im EU-Parlament: Gemäss dem Analyseinstitut MatrixExterner Link gehört Kira Peter-Hansen heute zu den 25 bedeutendsten Mitgliedern des Parlaments.

Gegenüber SWI swissinfo.ch betont sie, nicht als «dänische» oder «schweizerische» Politikerin wirken zu wollen, sondern als europäische: «Ich arbeite für die gesamte EU und lasse nationale Sonderinteressen hinter mir.»

Das bedeute aber nicht, dass sie Dänemark und die Schweiz nicht in ihr politisches Denken einbeziehe: «Wenn es zum Beispiel etwas gibt, das in einem dieser Länder gut funktioniert, dann kann man das auf die gesamte EU übertragen.»

Eine junge Frau vor einer EU-Flagge
Als einflussreiche EU-Parlamentarierin mit Schweizer Pass spricht sich Kira Peter-Hansen für engere Beziehungen aus. EU-Parlament

Zu den wichtigen dänischen Erfahrungen zählt Peter-Hansen die starke Stellung von Frauen in der Politik. Zu ihren frühen Vorbildern gehörte die sozialdemokratische dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt: «Sie zeigte mir, dass Frauen in hohe politische Ämter gehören.»

In der Schweiz beeindruckt sie das Engagement vieler junger Menschen in Volksinitiativen und Abstimmungen, gerade auch in den Themenbereichen Klima und Natur.

Als junge Frau in einem transnationalen Parlament punktet Kira Peter-Hansen weniger mit grossen Auftritten im Plenum als mit konstruktiven Verbesserungsvorschlägen im Gesetzgebungsprozess.

Eine Frau vor einem Haus mit einer Schweizer Flagge
Sandra Imhof koordiniert auf der Schweizer EU-Mission in Brüssel die Beziehungen zum Europäischen Parlament. swissinfo.ch

Konkret: Die Europäischen Parlamentsdienste haben für die Schweiz-Dänin nur ganz wenige Reden verzeichnet, dafür aber unbescheidene 1552 Änderungsanträge. «Ich fühle mich in Verhandlungssälen wohler als vor der Kamera“, bilanziert Peter-Hansen gegenüber SWI swissinfo.

Mitglied der Schweiz-Delegation

Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz zu den bilateralen Verträgen hofft Kira Peter-Hansen, dass die Beziehungen enger werden und die Zusammenarbeit im Umweltschutzbereich wie auch bei Steuern und Geldwäsche intensiver wird.

Als Schweizer Bürgerin wünsche sie sich zudem, dass die Schweiz «als aktive Akteurin in der Welt und in Europa» auftritt. Peter-Hansen wird in den kommenden Jahren die Möglichkeit haben, auch diesem Bereich Spuren zu hinterlassen: Vor kurzem hat das EU-Parlament die Dänin mit Schweizer Pass in die für die Beziehungen zur Schweiz zuständige Delegation (DEEA) gewählt.

Die Schweiz und das Europäische Parlament

Nirgendwo ist die gleichzeitige Nähe und Distanz der «offiziellen» Schweiz zu den zentralen Institutionen der EU so sicht- und spürbar wie am Brüsseler Pendant zum Berner Bundesplatz, der Place de Luxembourg.

Vor dem mächtigen Gebäudekomplex des Europäischen Parlaments dient der von Banken umgebene Luxembourg-Platz regelmässig als Ort grosser Kundgebungen, und es treffen sich in den zahlreichen Cafés und Restaurants Menschen, die in Europa etwas bewirken (wollen): Abgeordnete, Praktikant:innen, Beamte, NGO-Vertreter:innen, Lobbyist:innen und Diplomat:innen.

Neben zahlreichen Europasymbolen nimmt auf der Westseite des Platzes eine Schweizerflagge einen prominenten Platz ein: Kein anderes Land verfügt über eine näher am EU-Parlament gelegene «Mission», wie die «Botschaft» der Schweiz bei der EU genannt wird und die bereits seit 1959 besteht.

«Wir funktionieren hier in Brüssel wie eine kleine Bundesverwaltung. Meine Rolle ist es, gemeinsam mit meinen Kollegen aus den Fachämtern die für die Schweiz relevanten Gesetzesvorlagen zu identifizieren und eng zu begleiten“, sagt Botschaftsrätin Sandra Imhof unter der Schweizerflagge vor dem EU-Parlament.

Als Beispiel nennt Imhof das kürzlich vom EU-Parlament verabschiedete Gesetzespaket zur Konzernverantwortung oder die neuen Bestimmungen zum Katastrophenschutz

 Der inhaltlichen und räumlichen Nähe zum Trotz hält Imhof gegenüber SWI swissinfo.ch aber fest: «Die Türen sind offen, aber wir sind ein Drittstaat in Bezug auf die EU und werden auch als Drittstaat behandelt.“

Editiert von Mark Livingston

Zur Transparenz: Der Autor dieses Artikels wirkte für die grüne Partei zwischen 2010 und 2017 als Wahlleiter in der Stadt Falun (Schweden).

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft