Kreml-Kritiker Kara-Mursa: «Jeder Händedruck mit Putin ist blutgetränkt»

Der Kreml-Kritiker Wladimir Kara-Mursa hat in Russland zwei Giftanschläge und eine Gefängnisstrafe überlebt. Er warnt im Gespräch mit SWI swissinfo.ch vor Verhandlungen mit Wladimir Putin und fordert die Freilassung aller Kriegsgefangenen und entführten ukrainischen Kinder im Rahmen eines Friedensabkommens.
«Ich möchte nur, dass diejenigen, die wieder bereit sind, Putin die Hand zu schütteln, sich daran erinnern: Jedes Mal, wenn sie das tun, schütteln sie eine Hand, die mit Blut getränkt ist», sagt Wladimir Kara-Mursa.
SWI swissinfo.ch traf ihn, als er im März mit seiner Frau am 17. jährlichen Genfer Gipfel für Menschenrechte und Demokratie teilnahm.
Kara-Mursa wurde im August 2024 im Rahmen eines grossen Gefangenenaustauschs zwischen Russland und dem Westen freigelassen.
Der scharfe Kritiker von Putins Krieg gegen die Ukraine hatte in der sibirischen Stadt Omsk, rund 2700 Kilometer von Moskau entfernt, mehr als zwei Jahre in Haft verbracht, davon ein Jahr in Einzelhaft.

Seinen Sinn für Humor hat diese erschütternde Erfahrung nicht beeinträchtigt. Auf die scherzhafte Bemerkung, ihm sei seine Zeit in einem russischen Gefängnis kaum anzumerken, antwortet er: «Ich habe zugenommen – im Gefängnis habe ich keine Eiscreme bekommen, und jetzt kann ich nicht aufhören, das nachzuholen.»
Im Gespräch mit Teilnehmenden des Forums in den Gängen des Genfer Palais des Nations wechselt Kara-Mursa mühelos zwischen Englisch, Französisch, Russisch und sogar Spanisch – eine Sprache, die er nach eigenen Angaben im Gefängnis zu lernen begann, «um meinen Geist zu beschäftigen».
Kara-Mursa lebt jetzt in den Vereinigten Staaten, wieder vereint mit seiner Familie. Er befürchtet, dass die Bemühungen von US-Präsident Donald Trump, Putin direkt anzusprechen – ein Bruch mit der bisherigen Politik der USA und der EU – nach hinten losgehen könnten.
+ SWI swissinfo.ch konnte auch mit Kara-Mursa sprechen, als er noch in Russland hinter Gittern sass.
«In den letzten 25 Jahren hat der Westen Putin unterstützt, obwohl dieser die unabhängigen Medien geschlossen und Proteste unterdrückt hat», sagt Kara-Mursa und argumentiert, dass es töricht wäre, jetzt ein anderes Ergebnis zu erwarten.
«Die ganze Zeit haben westliche Führer den roten Teppich ausgerollt, ihm die Hand geschüttelt, ihm in die Augen geschaut und behauptet, sie würden ’seine Seele sehen'», fügt er hinzu. Er bezieht sich dabei auf eine Bemerkung von US-Präsident George W. Bush aus dem Jahr 2001.
Seitdem ist Putin in Georgien einmarschiert, hat die Krim annektiert und einen umfassenden Krieg gegen die Ukraine begonnen. Auf Demonstrationen in Russland wird mit brutaler Gewalt reagiert. Putins Gegner werden vergiftet oder umgebracht.
«Jedes Abkommen muss eine Klausel über die Freilassung aller russischen politischen Gefangenen enthalten», betont er. Die am schnellsten wachsende Kategorie unter den russischen politischen Gefangenen seien diejenigen, die sich wie er gegen den Krieg in der Ukraine ausgesprochen haben. «Heute gibt es in Russland 1497 politische Gefangene – mehr als in der Sowjetunion während den 1980er-Jahren.»
Ebenso fordert er die Freilassung ukrainischer Zivilpersonen, die sich in russischer Gefangenschaft befinden. Er weist darauf hin, dass Tausende von Menschen in Gefängnissen in ganz Russland oder in den besetzten Gebieten inhaftiertExterner Link seien.
Und er setzt sich für die Rückführung tausender ukrainischer Kinder ein, die nach Russland oder in die von Russland besetzten Gebiete verschleppt wurden, was die Vereinten Nationen als Kriegsverbrechen betrachten.
Es ist unklar, ob solche Fragen in den laufenden Waffenstillstandsgesprächen diskutiert wurden. Am 25. März gab das Weisse Haus bekannt, dass Washington sowohl mit Kiew als auch mit Moskau Vereinbarungen getroffen habe, um die Sicherheit der Schifffahrt im Schwarzen Meer zu gewährleisten und die Anwendung von Gewalt in der Region zu verhindern.
Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, hat die Trump-Administration kürzlich ein Programm zur Erfassung der während des Kriegs nach Russland verschleppten ukrainischen Kinder eingestellt.
Der Entscheid bedeutet, dass der Zugang zu grossen Mengen an Informationen, einschliesslich Satellitenbildern und biometrischen Daten über etwa 30’000 ukrainische Kinder, die aus der Ukraine entführt wurden, verloren geht.
«Alle diese Kinder müssen nach Hause zu ihren Familien zurückgebracht werden», sagt Kara-Mursa. «Genau wegen dieses Kriegsverbrechens hat der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Herrn Putin erlassen.»
Editiert von Virginie Mangin/ds, Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub

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