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Krieg im Sudan: Wie Frauen den Friedensprozess in Genf beeinflussen wollen

Drei Frauen nehmen an einer Demonstration teil
Fabrice Coffrini / AFP

In der Schweiz finden Verhandlungen für eine Waffenruhe im kriegsgeplagten Sudan statt. Angereist sind auch fünfzehn Sudanesinnen mit der Forderung, Teil des Friedensprozesses zu sein.

Seit 16 Monaten herrscht im drittgrössten afrikanischen Land ein Krieg, der die derzeit schwerste humanitäre Katastrophe der Welt ausgelöst hat.

Am 14. August haben in Genf nun Gespräche über den Sudan begonnen. Ziel der Verhandlungen ist, dass mehr lebensnotwendige Hilfe ins Land kommt und im besten Fall sogar eine Waffenruhe ausgehandelt wird.

Die USA haben dafür Vertreter beider Konfliktparteien – der nationalen Armee (SAF) und der Miliz Rapid Support Forces (RSF) – an einen geheimen Ort in Genf eingeladen. Erschienen ist bisher jedoch nur die RSF.

+ Sudan: Alles, was Sie über die Verhandlungen wissen müssen

Es ist nicht der erste Versuch, die kriegerischen Handlungen einzudämmen. Im vergangenen Jahr hatten bereits im saudischen Dschidda Vermittlungsbemühungen der USA stattgefunden. Sie endeten aber ohne Ergebnisse.

Rabab Baldo
Rabab Baldo ist Gender- und Friedensaktivistin. Sie arbeitete als Senior Gender & Inclusivity Advisor und internationale Beraterin u.a. für das UNDP und Inclusive Peace. Sie diente auch als Sonderbeauftragte für Sudan und Südsudan bei UN Women und dem Office of the Intergovernmental Authority on Development IGAD. zVg

«Dieses Mal muss es richtig gemacht werden», sagt Rabab Baldo, sudanesische Friedens- und Genderaktivistin bei einem Treffen in Genf. Und ergänzt: «Die Frauen müssen ein Teil dieses Prozesses sein, so wie es die UNO vorschreibt.»

Die UNO-Sicherheitsratsresolution 1325 ruft dazu auf, Frauen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen, Konfliktschlichtung und den Wiederaufbau mit einzubeziehen.

Die Frauen im Sudan leben besonders gefährlich

Dafür ist Baldo zusammen mit 15 anderen sudanesischen Aktivistinnen verschiedener Generationen in die Schweiz gereist. Viele von ihnen seien seit Kriegsausbruch permanent im Einsatz, um sich um Kranke und Kinder zu kümmern, Medikamente und Essen aufzutreiben.

«Wir haben alles erlebt: Vergewaltigungen, Massaker, die Hungersnot», sagt Baldo. «Wir wissen, welchen Wert eine Waffenruhe für unser Land hat. Deswegen müssen wir an diesen Verhandlungen präsent sein.»

Tatsächlich erhöht die Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen die Wahrscheinlichkeit um 35%, dass das entsprechende Abkommen die ersten 15 Jahre überdauert, wie die Globale StudieExterner Link zur Umsetzung der UNO-Resolution 1325 ergeben hatte.

Deborah Schibler, Geschäftsleiterin der Schweizer NGO «FriedensFrauen weltweitExterner Link«, sagt: «Die Präsenz von Frauen und auch anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren führt klarer vor Augen, dass ein Krieg nicht ausschliesslich zwischen den kriegsführenden Parteien stattfindet. Wie die Gewalt von Frauen erlebt wird, muss immer auch Teil der Gespräche sein.»

Dafür haben Baldo und ihr Team in den letzten Wochen ein Friedensabkommen ausgearbeitet, das diese Perspektive berücksichtigt.

Es listet Massnahmen auf, die ihrer Ansicht nach für die Beendigung des Kriegs notwendig sind und Verpflichtungen für beide Konfliktparteien beinhaltet.

Dabei wird auch die weit verbreitete sexualisierte Gewalt gegen Frauen und die Besetzung von Spitälern durch bewaffnete Truppen angesprochen.

Das UNO-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) spricht von fast sieben Millionen Frauen und Mädchen, die im Sudan Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt wurden.

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Wie kann man auf die Kriegsparteien einwirken?

Ziel sei es, dass diese Massnahmen in ein Abkommen eingearbeitet würden. Dafür wollen Baldo und ihr Team die kommenden Tage in Genf alle Kräfte mobilisieren.

«Wir werden mit beiden Kriegsparteien getrennt Gespräche führen und versuchen, gemeinsame Ziele und rote Linien zu identifizieren.»

Kein leichtes Unterfangen: «Waffenstillstands-Verhandlungen sind eine Männerdomäne und finden hinter verschlossenen Türen statt», weiss Baldo, die unter anderem als internationale Beraterin für das UNO-Entwicklungsprogramm UNDP arbeitet.

Deswegen sei ein stetiges Netzwerken und Lobbyieren notwendig. «Wenn die Parteien einsehen, dass die Frauen für den Friedensprozess und die Sicherheit des Landes unerlässlich sind, haben wir gute Chancen.»

Rabab Baldo spricht aus Erfahrung: Bereits in den frühen 1990er-Jahren war sie Teil des sudanesischen Friedensprozesses zum Konflikt im Ostsudan und trug entscheidend dazu bei, dass die Stimme der Frauen in das umfassende Friedensabkommen (Comprehensive Peace Agreement) eingearbeitet wurde.

Der Sudan wird seit Jahrzehnten von bewaffneten Konflikten und Bürgerkriegen heimgesucht, 2011 spaltete sich der Südsudan nach einem Referendum ab.

In der Schweiz gab es bereits einmal Verhandlungen zum Sudan: 2002 wurde auf dem Bürgenstock ein Waffenstillstand für die Nuba-Berge unterschrieben.

Wie damals finden auch die jetzigen Gespräche auf Initiative der amerikanischen Regierung statt. Die Schweiz dient gemeinsam mit Saudi-Arabien als Gastgeberin.

Dazu nehmen unter anderem die UNO, die Afrikanische Union, Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate als Beobachter teil. Sie sollen bis voraussichtlich 24. August dauern.

Zwei Monate nach der Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock ist die Schweiz damit wieder Gastgeberin wichtiger internationaler Verhandlungen.

Die Frauenbewegung im Sudan hat eine lange Tradition. Die erste weibliche Parlamentsabgeordnete Afrikas war 1965 eine Sudanesin, auch sind viele Frauen in Führungspositionen tätig. Die Revolution, die 2019 zum Sturz des Diktators Omar al-Baschir führte, wurde mehrheitlich von Frauen angeführt.

Frauen mit Sudan-Fahnen
Sudanesinnen feiern den Sturz von Omar al-Baschir im April 2019. Doch das Land kam auch danach nicht zur Ruhe. Afp Or Licensors

Noch kann das Team in Genf mit der geplanten Arbeit nicht beginnen. Bisher sind nur Vertreter des RSF angereist. Um nicht das Gefühl zu erwecken, auf einer Seite zu stehen, wollen die Aktivistinnen warten, bis auch die nationale Armee auftaucht. Es gibt die Hoffnung, dass dies in den nächsten Tagen geschehen wird.

Bis es soweit ist, stehen die Sudanesinnen in engem Austausch mit den US-Abgesandten und bieten technische Unterstützung. Die Schweiz hält sich als Gastgeberin im Hintergrund.

«Wir hoffen, auch mit der offiziellen Schweiz ins Gespräch zu kommen, und dass sie sich für die Teilhabe der Frauen an den Verhandlungen einsetzt», sagt Baldo. Immerhin seien die Visa für die Gruppe unbürokratisch und schnell erteilt worden.

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Positive Zeichen für die Gespräche?

Roman Deckert, der in Genf lebt und seit über dreissig Jahren im und zum Sudan tätig ist, wertet das als positives Zeichen. «Es zeigt, dass die Schweiz ihnen die Teilhabe ermöglichen will.» Auch sei es sicher hilfreich für die Verhandlungen, dass die Schweiz als Gastgeberin auftritt.

«Sie ist zumindest ein relativ neutrales Land inmitten dieses Kriegs, der auch von Stellvertretern ausgetragen wird», sagt er. Treibende Kraft seien diesmal die USA, er schliesse jedoch nicht aus, dass sich die Schweiz zu einem späteren Zeitpunkt aktiver diplomatisch beteiligen werde.

Mit der Hoffnung auf ein Waffenstillstands-Abkommen hält sich Deckert zurück. Auch Baldo sieht als oberste Priorität die Schaffung humanitärer Korridore über die Frontlinien hinweg, damit lebenswichtige Hilfsgüter ins Land kommen: 25 Millionen Menschen im Sudan leiden an Hunger wegen des Kriegs, das ist fast die Hälfte der Bevölkerung. Über zehn Millionen wurden vertrieben.

Baldo sieht die potenziellen Gespräche in Genf als ein Anfang eines komplexen Prozesses, der sich über Jahre hinziehen könne. Trotzdem betont sie: «Wir sind nach Genf gekommen, um einen Unterschied zu machen. Und wir werden nicht nach Hause gehen, ohne unsere Anliegen auf den Tisch gebracht zu haben.»

So engagiert sich die sudanesische Diaspora in der Schweiz:

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Editiert von Giannis Mavris

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