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Was Sie über Pawel Durow und Telegram wissen sollten

Ein Mann
Telegram-Mitgründer Pawel Durow nach seinem Treffen mit Rudiantara, dem indonesischen Minister für Kommunikation und Information, am 1. August 2017 in Jakarta, Indonesien. AP Photo / Tatan Syuflana

Wussten Sie, dass gegen Telegram-Chef Pawel Durow in der Schweiz zwei Gerichtsverfahren laufen und dass er über 100 leibliche Kinder hat? SWI swissinfo.ch präsentiert sechs Fakten über den Gründer und Geschäftsführer des Social-Media-Kanals Telegram.

Pawel Durow, 39-jähriger Milliardär und Gründer von Telegram, wurde am 24. August 2024 am Flughafen Le Bourget bei Paris festgenommen.

Vier Tage später wurde er gegen eine Kaution von 5 Millionen Euro (4,7 Millionen Franken) freigelassen – mit der Auflage, Frankreich nicht zu verlassen und sich zweimal wöchentlich bei der Polizei zu melden.

Ihm wird organisierte Kriminalität vorgeworfenExterner Link, einschliesslich der Weigerung, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, und die Beteiligung an der Verbreitung von Drogen und Kinderpornografie.

Sein Fall könnte einen Präzedenzfall dafür schaffen, wie Social-Media-Plattformen und ihre Betreiber für die von ihnen gespeicherten oder übermittelten Daten zur Verantwortung gezogen werden können.

Menschen, die demonstrieren
Menschen mit einer stilisierten Ikone des Telegram-Gründers Pawel Durow protestieren am 1. Mai 2018 bei einer Maikundgebung in St. Petersburg gegen die Sperrung der beliebten Messaging-App in Russland. AFP / Olga Maltseva

1. Gegen Durow sind in der Schweiz zwei Klagen hängig

Am 28. August berichtete das Magazin «Forbes», dass Irina Bolgar, eine 44-jährige Anwältin, in Genf eine Klage gegen Durow eingereicht hat.

Bolgar, eine russische Staatsbürgerin aus St. Petersburg, hat mit Durow drei Kinder und lebt derzeit in der Schweiz. In der Klage behauptet sie, Durow habe körperliche Gewalt gegen eines der gemeinsamen Kinder ausgeübt.

Zuvor hatte Bolgar Durow beschuldigt, ihr monatliche Unterhaltszahlungen in Höhe von 150’000 Euro nicht zu leisten. Dies geht aus Gerichtsdokumenten hervor, die «Forbes» eingesehen hat. Das Paar habe sich laut dem US-Medienunternehmen 2012 kennengelernt und sei nie verheiratet gewesen.

Unter Berufung auf Gerichtsdokumente berichtet «Forbes», dass Durow beschuldigt wird, gegen seinen 2017 geborenen Sohn Gewalt angewendet zu haben. Die Vorfälle hätten sich zwischen 2021 und 2022 ereignet und zu Verletzungen geführt, darunter eine Gehirnerschütterung.

Im Juni 2024 reichte die Mutter der Kinder eine weitere Unterhaltsklage ein. Bolgar behauptete, Durow habe die gemeinsamen Kinder nicht mehr gesehen und seit September 2022 keinen Unterhalt mehr gezahlt.

Im April 2023 beantragte Bolgar ausserdem das alleinige Sorgerecht für die Kinder. Im Mai desselben Jahres entzog das Gericht Durow die elterlichen Rechte. Laut «Forbes» hat er diesen Entscheid nicht angefochten.

2. Telegram wurde mit russischen Geldern finanziert

Telegram wurde 2013 in Russland gegründet; bis 2017 wurde der Social-Media-Kanal von Durow selbst finanziert. Im Jahr 2018 startete er die Blockchain-Plattform Telegram Open Network (TON), welche die Kryptowährung Gram verkaufte, um Gelder für die Bezahlung seiner Server einzuwerben. Insgesamt sammelte Durow rund 1,8 Milliarden US-Dollar ein.

Zu den Investoren gehörten Unternehmen, die mit dem russischen Milliardär Roman Abramowitsch verbunden sind, Mikhail Abyzov, einer der ehemaligen Minister des russischen Präsidenten Wladimir Putin, und der russische Geschäftsmann Said Gutseriev.

Gemäss «Important Stories», einem russischen investigativen Online-Medium, zählt zu den Investoren auch Jan Marsalek, ehemaliges Vorstandsmitglied von Wirecard, der sich Berichten zufolge in Russland versteckt hält. Wirecard war ein deutscher Zahlungsabwickler und Finanzdienstleister, der in die Insolvenz geriet.

Im September 2024 enthüllte «Important Stories»Externer Link, dass auch das russische Rohstoffunternehmen Stiron B.V. im Jahr 2018 rund 10 Millionen Euro in Telegram investiert hatte. Das ist der durchschnittliche Betrag, den andere Investoren in das Projekt investiert haben.

3. Frankreich wirft Telegram zwölf Straftaten vor

Nach der Verhaftung von Durow gab die Pariser Staatsanwaltschaft am 26. August 2024 eine Pressemitteilung herausExterner Link, in der es hiess, Durow sei im Rahmen einer strafrechtlichen Untersuchung festgenommen worden, an der nicht identifizierte Personen beteiligt seien.

Ihm würden zwölf Straftaten vorgeworfen. Zu den Vorwürfen gehörten das Versäumnis, von den Behörden angeforderte Informationen bereitzustellen, sowie die Beteiligung an der Verbreitung von Pornografie, Drogen und Hackertools.

Das «Wall Street Journal» berichteteExterner Link, dass der französische Geheimdienst 2017 eine gemeinsame Operation mit dem Geheimdienst der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) durchführte, bei der das Mobiltelefon von Durow gehackt wurde.

Auslöser der Operation mit dem Namen «Purple Music» war die Befürchtung Frankreichs, dass der Islamische Staat (IS) die App nutzen könnte, um Kämpfer zu rekrutieren und Anschläge zu planen.

Ein sitzender Mann
Pawel Durow, der Chef und Gründer von Telegram, spricht am 21. September 2015 während des ersten Tags von «TechCrunch Disrupt SF 2015» auf der Bühne des Pier 70 in San Francisco, Kalifornien. Getty Images

Im vergangenen September berichtete das Online-Medium «Politico»Externer Link, dass das Verfahren gegen den Gründer von Telegram nach einer verdeckten Polizeiaktion begann, bei der ein verdeckter Ermittler unter einem Pseudonym mit einem mutmasslichen Sexualstraftäter auf Telegram kommunizierte.

Aus einem von «Politico» eingesehenen Gerichtsdokument geht hervor, dass die Ermittlungen mit dem «Office national de la protection des mineurs» (OFMIN) begannen, einer 2023 gegründeten französischen Polizeieinheit. Die Ermittelnden fanden Links zu Telegram-Gruppen, in denen über sexuelle Gewalt diskutiert wurde.

Während einer verdeckten Operation sprach ein verdeckter Ermittler mit einem Verdächtigen, der zugab, minderjährige Mädchen kontaktiert und Vergewaltigungen begangen zu haben.

Zwei Männer, die beide das gleiche T-Shirt tragen
Pawel und Nikolai Durow. DR

Da Telegram sich weigerte, die Identität des Verdächtigen preiszugeben, leitete das OFMIN am 8. Februar 2024 auf Ersuchen der Pariser Staatsanwaltschaft Vorermittlungen gegen Pawel und seinen Bruder Nikolai Durow ein.

Der ältere Bruder von Pawel Durow spielte eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Telegram. Er war der Vordenker hinter dem Konzept der eigenen Kryptowährung und Blockchain-Plattform des Messengers.

Durow wartet nun auf seinen Prozess. Ein Termin für diesen ist noch nicht festgelegt.

4. Durow hat zwei Staatsoberhäupter getroffen

Der französische Präsident Emmanuel Macron traf Durow zum ersten Mal 2018, als der Chef von Telegram die französische Staatsbürgerschaft beantragte. Das «Wall Street Journal» berichtete 2018, dass Macron damals vorschlug, den Hauptsitz von Telegram nach Paris zu verlegen. Durow lehnte ab.

Nachdem der Telegram-Boss im August in Le Bourget gelandet war, berichteten französische Medien, Durow habe behauptet, er sei nach Frankreich gereist, um Macron zu treffen. Der französische Präsident wies dies zurück.

Der russische Präsident Wladimir Putin bestätigte anlässlich der Festnahme Durows in Frankreich, dass sich dieser mit ihm «vor vielen Jahren» einmal getroffen hätte.

Durow verliess Russland 2014, nachdem der Geheimdienst FSB, der wichtigste Nachfolger des KGB, von dem sozialen Netzwerk die Herausgabe von Daten über Nutzerinnen und Nutzer gefordert hatte, die an den Pro-Euromaidan-Protesten in der Ukraine im Jahr 2013 teilgenommen hatten.

Auslöser dieser Proteste war der Entscheid des Präsidenten, sich dem Parlament zu widersetzen und die Unterzeichnung eines Abkommens mit der Europäischen Union abzulehnen.

In einer Abschiedsbotschaft in den sozialen Medien erklärte Durow 2014, das Fehlen einer unabhängigen Justiz hindere ihn daran, nach Russland zurückzukehren. Seither blieb er Russland fern.

5. Der Fall wird sich auf die zukünftige Regulierung von Social-Media-Plattformen auswirken

Die Verhaftung von Durow ist ein Präzedenzfall dafür, wie Medienplattformen und ihre Betreiber für die auf ihren Plattformen gespeicherten Daten verantwortlich gemacht werden können.

«Social-Media-Betreibende müssen sich wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger an die geltenden Gesetze halten und allen legitimen Forderungen der Behörden nachkommen, auch gerichtlichen Anordnungen», sagt der Schweizer Anwalt Bogdan Prensilevich, der sich auf neue Technologien, Internetrecht und Kryptowährungen spezialisiert hat.

Ein Mann im Anzug
Der Schweizer Rechtsanwalt Bogdan Prensilevich, spezialisiert auf neue Technologien, Internetrecht und Kryptowährungen. zVg

Die verdeckten Ermittlungen in Frankreich seien rechtmässig. «Wenn die Strafverfolgungsbehörden ernsthafte Gründe für die Annahme haben, dass eine Straftat per Telefon geplant oder begangen wird, sind sie befugt, dem Telekommunikationsunternehmen eine Abhöranordnung zu erteilen, der das Unternehmen nachkommen muss», sagt Prensilevich.

«Weigert sich das Unternehmen, einer solchen Anordnung nachzukommen, indem es sich beispielsweise auf die Meinungsfreiheit beruft, wird es zweifellos von der Staatsanwaltschaft wegen Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften bestraft», so der Anwalt, der für die Schweizer Anwaltskanzlei Lexpro arbeitet.

Eine Frau
Kamalia Mehtiyeva ist Expertin für internationale justizielle Zusammenarbeit und Professorin für Rechtswissenschaften an der Universität Paris-Est Créteil. zVg

Für Kamalia Mehtiyeva, Spezialistin für internationale justizielle Zusammenarbeit und Rechtsprofessorin an der Universität Paris-Est Créteil, wirft der Fall zwei wichtige Fragen auf: Wie können die Vorwürfe bewiesen werden, und wie kann man belegen, dass sie einem Unternehmen oder seinem Chef zuzuschreiben sind?

«Die Antworten auf diese Fragen im Fall Durow könnten das Recht der digitalen Plattformen grundlegend verändern», sagt Mehtiyeva gegenüber SWI swissinfo.ch.

Nach Durows Verhaftung gab sein Unternehmen eine Erklärung ab, in der es betonte, Telegram halte die EU-Gesetze ein, einschliesslich des «Digital Services Act» (DSA), und seine Moderationspraktiken entsprächen den Industriestandards und würden ständig verbessert.

«Der CEO von Telegram, Pawel Durow, ist transparent und reist häufig durch Europa, was es unmöglich macht, die Plattform oder ihren Eigentümer des Missbrauchs zu beschuldigen», erklärte das Unternehmen.

6. Durow hat über 100 leibliche Kinder

Im Jahr 2014 berichteten russische Medien, dass Durow zwei Kinder habe, die 2009 und 2010 geboren wurden.

Bolgar, seine ehemalige Lebensgefährtin, forderte das US-Medienunternehmen «Forbes» auf, seine Milliardärsliste zu aktualisieren, damit die Zahl von Durows Kindern auch seine drei Kinder umfasst.

Daraufhin gab Durow über seinen Telegram-Kanal bekannt, dass er aufgrund seiner Teilnahme an einem Samenspende-Programm nun der biologische Vater von mehr als 100 Kindern sei.

Editiert von Virginie Mangin, Übertragung aus dem Englischen: Christian Raaflaub

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