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Wer profitiert von Freihandelsabkommen mit der Schweiz?

Umschlag von Schiffscontainern im Containerterminal bei Basel.
Umschlag von Schiffscontainern im Containerterminal bei Basel. Keystone / Gaetan Bally

Die Schweiz hat 35 Freihandelsabkommen mit 45 Ländern oder Staatenblöcken abgeschlossen. Einige davon profitieren mehr als andere von tiefen Zöllen.

Die Bereitschaft der Schweiz, sich an Freihandelsabkommen zu beteiligen, lässt sich bis zu den Anfängen der europäischen Integration nach dem Zweiten Weltkrieg zurückverfolgen.

Aus Frustration über die mangelnden Fortschritte innerhalb der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EWG (dem Vorläufer der Europäischen Union) gründete die Schweiz zusammen mit Grossbritannien, Norwegen, Dänemark, Österreich, Portugal und Schweden eine multilaterale Organisation mit dem Ziel, Handelshemmnisse abzubauen: die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA).

Die EFTA-Konvention wurde im November 1959 in Stockholm unterzeichnet und trat im Mai 1960 in Kraft. Den vollständigen Freihandel untereinander mit Industriegütern erreichten die EFTA-Länder 1966, ein Jahr bevor die EWG ihre eigene Zollunion vollendete.

Eine gütliche Einigung erzielten EFTA und EU 1972, als die rivalisierenden Blöcke ein Freihandelsabkommen miteinander unterzeichneten.

Seitdem hat die Schweiz 33 Freihandelsabkommen (FHA) mit 43 Ländern oder Wirtschaftsblöcken abgeschlossen. Sie schliesst neue Abkommen typischerweise im Rahmen des EFTA-Blocks ab. Sie kann aber auch den Alleingang wagen, wie mit Japan und China.

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Was hat die Schweiz von den Freihandelsabkommen?

«Aus Sicht der Schweizer Exportförderung geht es bei jedem Freihandelsabkommen in erster Linie darum, unseren Unternehmen den Zugang zu wichtigen Märkten zu erleichtern», sagt Christine Moser von Switzerland Global Enterprise, der offiziellen Schweizer Organisation für Export- und Investitionsförderung. «Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortes und damit den Wohlstand der Schweiz.»

Entgegen der landläufigen Meinung bedeuten Freihandelsabkommen nicht einen Handel ohne Einschränkungen. Ziel ist es in der Regel, den Handel durch die Senkung oder Abschaffung bestimmter Hindernisse, etwa von Einfuhrzöllen, zu fördern.

Dies erfordert Verhandlungen. Es kann viele Jahre dauern, bis eine für beide Seiten vorteilhafte Lösung gefunden ist. Moser führt das Beispiel des kürzlich abgeschlossenen Freihandelsabkommens mit Indien an, über das 17 Jahre lang verhandelt wurde. Profitieren werden vor allem Schweizer Unternehmen aus den Bereichen Maschinen, Uhren und Transport.

«In diesen Sektoren sind die Zölle besonders hoch, was die Schweizer Unternehmen bei ihrer Preispolitik in Indien unter Druck setzt», sagt Moser. «Mit dem Freihandelsabkommen erhalten die Unternehmen einen zusätzlichen Hebel für ihre Preispolitik.»

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Laut dem letzten FTA-Monitor (FTA steht für Free Trade Agreement), sparten Schweizer Unternehmen im Jahr 2022 dank aller bestehenden Freihandelsabkommen insgesamt 2,4 Milliarden Franken an Zöllen ein.

Freihandelsabkommen sind nicht nur auf Waren beschränkt. Sie umfassen auch Dienstleistungen, Investitionen und das öffentliche Beschaffungswesen.

Die Verhandlungen über FHA können daher je nach den Interessen und Stärken der Partnerländer ein Geben und Nehmen in einer breiten Palette von Fragen beinhalten.

Seit 2010 hat die Schweiz zudem in jedes FHA ein Kapitel über Handel und nachhaltige Entwicklung aufgenommen. Im Jahr 2021 überstand ein Freihandelsabkommen mit Indonesien knapp ein Referendum. Dieses war von einer Gruppe lanciert worden, die den Palmölanbau für die Zerstörung des dortigen Regenwaldes verantwortlich macht.

Profitieren die Partnerländer der Schweiz?

Länder, die ein FHA mit der Schweiz unterzeichnen, profitieren von Zollbefreiungen im realen Handel. Im Jahr 2022 waren, behogen auf den Warenwert, 77,1% der Schweizer Importe aus FHA-Partnerländern zollfrei.

Allerdings gibt es je nach Region erhebliche Unterschiede. So genossen die EU und die EFTA im Jahr 2022 mit 84,2% bzw. 93,1% einen hohen Anteil an Zollbefreiungen. China und der Golf-Kooperationsrat lagen mit 64,1% bzw. 68,5% im Mittelfeld und andere wie die Südafrikanische Zollunion und Indonesien mit 19,2% bzw. 6,7% am unteren Ende.

In den meisten Fällen steht die Schweiz besser da als ihre FHA-Partner.

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Nach Angaben des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) variiert der Anteil der zollfreien Importe und Exporte je nach Tarifstruktur, den gehandelten Produkten sowie der Inanspruchnahme von FHA-Präferenzen oder nicht.

Manchmal ist es für ausländische Unternehmen einfach zu kompliziert, den notwendigen Papierkram zu erledigen.

«Bei gewissen Produkten, die in stark fragmentierten internationalen Wertschöpfungsketten hergestellt werden, ist es für Unternehmen manchmal schwierig, die Präferenzursprungsregeln zu erfüllen», sagt Fabian Maienfisch, Sprecher des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco.

«Die Unternehmen müssen den Herstellungsprozess dokumentieren und gegebenenfalls anpassen, um den Präferenzursprung zu erreichen, und können sich deshalb gegen die Nutzung der Freihandelsabkommen entscheiden, wenn die Kosten für diese Anpassungen die potenziellen Vorteile der Zollersparnis durch die Freihandelsabkommen übersteigen.»

Editiert von Reto Gysi von Wartburg/ts, aus dem Englischen übertragen von Marc Leutenegger

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