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Bald wird der Mensch auf dem Mars leben

Pierre Brisson

Dank dem technologischen Fortschritt kommen wir dem Ziel immer näher. Die Komplexität des Unterfanges ist kein Grund, die Reise zum Mars abzulehnen.

Können Menschen eine Reise zum Mars bewältigen?

Reisen zum Mars sind sicherlich keine Routine. Aber zu behaupten, dass das Risiko eines Fehlschlags hoch ist, führt in die Irre. Die ältesten und jüngsten Flugversuche in die gleiche Abwägung einzubringen ist falsch. Das Gleiche gilt für Tests von denjenigen, welche die Technologie offensichtlich nicht beherrschen, und jenen die das tun, namentlich der Vereinigten Staaten. Ihre Erfolgsbilanz – seit 2001 elf Erfolge, keine Fehlschläge – sollte die Basis für die künftige Überlegungen sein.

Pierre Brisson ist Gründungsmitglied und Präsident des Schweizer Zweigs der Mars Society. Er ist ausserdem Mitglied des Exekutivausschusses der Association Planète Mars (Frankreich). Der ehemalige Banker ist ein lebenslanger Amateur-Planetenforscher.

Wenn das Raumschiff von Elon Musk zur Verfügung steht, wird die Landung weniger gefährdet sein als bei einer Robotermission, denn es werden Menschen und Treibstoffreserven an Bord sein. Diese können bei unvorhergesehenen Schwierigkeiten eingreifen, die Reserven ermöglichen falls nötig eine Verlängerung des Fluges. Der Landeplatz für die erste Mission muss natürlich sehr sorgfältig ausgewählt werden.

Die Schwerelosigkeit ist ein Problem. Es muss jedoch zwischen den allerersten Einsätzen, bei denen es kein «Begrüssungskomitee» geben wird, und den nachfolgenden unterschieden werden. Die ersten Astronauten auf dem Mars werden sich einige Tage an Bord erholen müssen, bevor sie absteigen. Immerhin ist auf dem Mars 1 Kilo immer noch 380 Gramm schwer und nicht 0 wie auf dem Schiff. Natürlich wäre es ideal, die künstliche Schwerkraft im Flug nachzubilden. Theoretisch gibt es dafür Lösungen. Wir müssen sie testen.

Der hohe Geräuschpegel der Lüftungs- und Klimaanlagen, das Fehlen eines natürlichen Tag-Nacht-Wechsels, das enge Zusammenleben, die begrenzte Menge an Wasser: Das werden Unannehmlichkeiten der Reise sein. Diese so weit wie möglich einzuschränken (aktive Geräuschkontrolle, Lichtstärkeregler), ist ein realistisches Ziel. Man kann davon ausgehen, dass bei den ersten Flügen die Passagiere durch die Aussicht auf ihre Tätigkeit auf dem Mars extrem motiviert sein werden.

Strahlung ist ein echtes Problem, mit SeP (Solar energetical Particles), d.h. Protonen, die von der Sonne abgestrahlt werden, was bei hoher Intensität zu SPE (Solar Particle Event) führt. Dagegen können wir nichts tun, ausser uns so wenig wie möglich zu exponieren (6 Monate im Weltraum sollten gehen). Zwei oder drei Rundreisen von der Erde zum Mars und zurück können jedoch ohne ernsthafte Folgen in Betracht gezogen werden.

Können Menschen einen Aufenthalt auf dem Mars überstehen?

Der Unterschied zum Mond oder zur ISS ist, dass wir auf dem Mars Zugang zu allen atmosphärischen Ressourcen des Planeten und vor allem zu Wasser haben werden. Wassereis kann aus dem Boden entnommen, in festem Zustand transportiert und in einem Gewächshaus geschmolzen werden. Bei den ersten Einsätzen wird mit der Kultivierung von Pflanzen, Spirulina-Algen und der Aufzucht von Fischen in Tanks begonnen (Pflanzen durch Hydrokultur, um die Verschwendung von importierten Nährstoffen zu vermeiden und das Risiko einer Kontamination durch Perchlorate im Boden zu vermeiden).

Aus Sicherheitsgründen werden die überlebensnotwendigen Lebensmittel für die 30 Monate der Abwesenheit komplett importiert, gefriergetrocknet oder eingefroren, mit den notwendigen Nahrungsergänzungsmitteln. Wir werden die Schutzräume nur verlassen, wenn es notwendig ist, um die Strahlendosen zu begrenzen. Diese werden auf dem Planeten (z. B. im Gale-Krater) nur halb so intensiv sein wie im tiefen Weltraum.

Das medizinische Risiko existiert unbestritten. Unter den ersten Astronauten – auch wenn es nur vier sind – werden Ärzte sein. Sie können jederzeit auf den Rat ihrer terrestrischen Kollegen zurückgreifen. Die von der Erde importierten Medikamente werden natürlich begrenzt sein. Wir werden sorgfältig auswählen müssen und hoffen, dass sie unsere Bedürfnisse abdecken. Es wird sicherlich notwendig sein, einige chirurgische Eingriffe durchzuführen, wobei zu hoffen ist, dass nichts Ernstes auftritt. Es sei darauf hingewiesen, dass vor Ort alle Arten von Instrumenten mit 3D-Druckern unter Verwendung marsianischer Ressourcen (Mineralien und Gas) hergestellt werden können.

Die Ausfahrten werden in einem Gegendruckanzug («Bio-Suit» vom MIT) durchgeführt, da Druckanzüge aufgrund ihrer Steifigkeit vermieden werden sollten. Es ist zu beachten, dass wir die Habitate mit einem reduzierten Druck lebensfähig machen sollten, um einen zu grossen Unterschied zwischen innen und aussen (und damit Belastungen für die Strukturen der Habitate) zu vermeiden, indem wir die Sauerstoffrate im Verhältnis erhöhen (42% für 0,5 bar).

Staub ist immer noch ein Problem, da es eine Atmosphäre und kein flüssiges Wasser auf der Oberfläche gibt. Allerdings sollte man es nicht übertreiben. Der herumwirbelnde Staub ist in «normalen Zeiten» nicht massiv: auf den Bildern, die Curiosity im Gale-Krater aufgenommen hat, sind die mehrere Dutzend Kilometer entfernten Kraterwände deutlich zu sehen. Der Staub wird häufig von allen den Geräten und Oberflächen abgeblasen werden müssen. Aber auf dem Mars hat es Erosion gegeben, wenn auch nur durch Wind, und die Partikel sind viel weniger aggressiv als auf dem Mond.

Die Rückkehr zur Erde erfolgt mit Treibstoffen, die auf dem Mars aus dem CO2 der Atmosphäre und lokalem Wasser durch die Sabatier-Reaktion gewonnen werden. Die Energie kann nur nuklearen Ursprungs sein (Krusty oder Megapower, wenn die Entwicklung dieses letzten Reaktors abgeschlossen sein wird). Solche Reaktoren sind nicht gefährlich, solange die Reaktion nicht ausgelöst wird.

Was ist der Sinn einer Reise zum Mars?

Die Erforschung von Lösungen für das Leben auf dem Mars wird positive Nebeneffekte für ein nachhaltigeres, effizienteres Leben auf der Erde haben. Die menschliche Präsenz auf dem Mars würde der wissenschaftlichen Forschung starken Auftrieb geben. Schliesslich werden auch die Abenteuerimpulse, die jedem Menschen innewohnen, befriedigt.

Fazit: Wenn das Projekt Mars klappt, haben wir einen Planeten B. Und damit eine neue Chance für die Menschheit und ein Konservatorium für ihre Zivilisation.

Eine ganz andere Meinung vertreten die Astrophysikerin Sylvia Ekström und der Designer Javier Nombela:

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