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Erfinderischer Kampf gegen das wilde Campieren

Ein «wilder» Campingplatz oberhalb des Limmernsees, fotografiert durch ein Fernrohr. So präsentiert sich die Situation immer häufiger in der Nähe der Muttseehütte.
Ein wilder Campingplatz oberhalb des Limmernsees, fotografiert durch ein Fernrohr. So präsentiert sich die Situation immer häufiger in der Nähe der Muttseehütte. SRF

Immer mehr Menschen campieren wild – also abseits von offiziellen Campingplätzen. Glarus Süd ergreift jetzt Massnahmen.

Die Sonne geht gerade auf über dem Glarner Muttenchopf und der Morgentau bedeckt die grüne Wiese wie ein sanfter Glitzerteppich. Eingekuschelt im Schlafsack bietet sich ein atemberaubender Blick auf den türkisfarbenen Limmerensee, der zwischen imposanten Felswänden friedlich daliegt. Klick. Schnell ein Foto für Instagram.

Diese Schnappschüsse in den sozialen Medien haben einen Hype ausgelöst. Wildcamper und Wildcamperinnen pilgern bei schönem Wetter zu Dutzenden an den «Instagram Hotspot» und bilden so eine kleine Zeltstadt.

Plattgedrückte Wiesen und Littering

«An manchen Tagen zähle ich bis zu 30 Zelte», erzählt Claudia Freitag, die Hüttenwartin der in der Nähe gelegenen Muttseehütte. Das Wildcampen sieht sie kritisch: «Viele lassen ihren Abfall liegen.» Kaputte Ausrüstung und ganze Zelte bleiben teilweise zurück. Auch die Fäkalien seien ein Thema. «Die Leute müssen ja irgendwo ihr Geschäft erledigen.»

Ebenfalls ärgerlich für Claudia Freitag: Regelmässig muss sie Camperinnen und Camper erklären, wieso diese ihren gesammelten Abfall nicht in der Hütte abgeben können. Zudem benutzen die «wilden» Gäste ungefragt die Toiletten der Hütte. «Sie verstehen nicht, dass unsere Kläranlage auf 2400 Metern über Meer regelmässig geleert werden muss und das für uns ein Mehraufwand ist.»

Obwohl die Hüttenwartin auch schöne Begegnungen mit den Camping-Fans hat, betont sie: «Es hat ein unakzeptables Ausmass angenommen.» Auch Pflanzen und Tiere leiden unter dem Wildcampen. Eine Steinbock-Kolonie hat sich wegen des Trubels aus der Gegend um die Muttseehütte zurückgezogen.

Basecamp gegen Wildcampen

Neben dem Muttenkopf sind auch die Gebiete rund um den Oberblegisee, das Tierfehd und der Panixerpass betroffen. Das zeigt ein Bericht, den das Departement Bau und Umwelt des Kantons Glarus über die Region Glarus Süd erstellt hat. Die Region will das Problem jetzt angehen.

Auf dem Panixerpass startete Ende Juli ein Versuch mit einem Basecamp. Zur Verfügung steht dort ein grosses Aufenthaltszelt, Komposttoiletten und verschiedene kleine Zelte, die man tageweise mieten kann – wenn gewünscht auch mit Halbpension. «Alle sind begeistert und es sieht wirklich top aus», freut sich der Bergführer und Basecamp-Mitbetreiber Hans Rauner.

Seit Juli ist das Basecamp eröffnet. Den Feriengästen stehen ein Gemeinschaftszelt, WC-Anlagen und Zelte für die Übernachtung zur Verfügung.
Seit Juli ist das Basecamp eröffnet. Den Feriengästen stehen ein Gemeinschaftszelt, WC-Anlagen und Zelte für die Übernachtung zur Verfügung. Zvg / Maja Bäbler

Seit der Eröffnung des Basecamps hat Rauner die Anweisung vom Kanton erhalten, Wildcampende wegzuschicken. Das funktioniere gut, die meisten würden Verständnis zeigen, sagt er. Der Kanton habe auch Kontrollen angekündigt. Allfällige Wildcamperinnen und Wildcamper müssen dann mit einer Busse rechnen.

Ein generelles Verbot für das Wildcampen gibt es in der Schweiz nicht. Aber es gibt Einschränkungen.
Kantone können eigene Regeln aufstellen. Schlussendlich entscheidet aber die jeweilige Gemeinde, wo Gäste campen dürfen und wo nicht.

Viele Kantone gestatten einzelne Übernachtungen oberhalb der Baumgrenze oder in Wäldern. In Naturschutzgebieten ist das Wildcampen grundsätzlich verboten.

In jedem Fall ist es ratsam, sich vor dem Wildcampen bei der zuständigen Gemeinde über die geltenden Regeln zu informieren.

Finanziert wird das Basecamp durch Sponsoren und Private. Die Bewilligung vom Kanton zu bekommen, sei ein ziemlicher Kampf gewesen, erzählt Rauner. «Jetzt hoffe ich auf eine Erfolgsgeschichte, damit wir das Basecamp auch in kommenden Jahren betreiben können.»

Pilotprojekt war ein Erfolg

Letztes Jahr war das Basecamp als Pilotversuch bereits bei der Glärnischhütte im Einsatz. Der Hüttenwart Fridli Riegg weiss nur Positives zu berichten: «Das war wirklich eine coole Sache und das Camp war extrem beliebt.» Während rund viereinhalb Monaten verzeichnete Riegg 1900 Übernachtungen in den Zelten. Wildcampieren war während des Betriebs kein Thema mehr.

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