Ausländer bei Berufslehren massiv benachteiligt
Ausländische Jugendliche schneiden in der obligatorischen Schule schlecht ab. Auch bei der nachobligatorischen Ausbildung ziehen sie den Kürzeren.
Um ihre Situation zu verbessern, hat die Erziehungsdirektoren-Konferenz nun Empfehlungen ausgearbeitet.
Noch immer suchen zahlreiche Schulabgänger eine Lehrstelle, oft erfolglos. «Für ausländische Jugendliche ist es wesentlich schwieriger, eine Lehrstelle zu finden als für Schweizer und Schweizerinnen», zieht Manfred Fasel von der Berufsberatung der Stadt Zürich Bilanz. Gerade dieses Jahr laufe die Suche harzig, nicht nur für Ausländer und Ausländerinnen, neuerdings auch für Schweizer und Schweizerinnen.
Fasel hat erlebt, dass Firmen einen Lehrling abwiesen, nachdem sie gehört hatten, dass dessen Name auf -ic endet. Zahlreiche Jugendliche – so glaubt Fasel – werden dieses Jahr keine Lehrstelle finden. Schlimm sei, dass viele resignierten und nicht mehr ansprechbar seien.
In der Tat: Bei der Lehrstellensuche haben längst nicht alle die gleichen Erfolgsaussichten, wie aus der gesamtschweizerischen Erhebung «Barometer der Lehrstellen» der letzten fünf Jahre hervorgeht: Während von den im April an einer Lehrstelle Interessierten jeweils im August bei den Schweizer Jugendlichen zwischen 74 und 82% eine Lehrstelle hatten, waren es bei den Ausländern lediglich zwischen 58 und 68%.
Gleicher Schulabschluss, weniger Chancen
Gleicher Schulabschluss heisst noch keineswegs gleiche Chancen: So traten im Kanton Zürich von den Absolventen der Oberschule (tiefe Anforderungen) 67% der Schweizer Jugendlichen eine Lehrstelle an gegenüber lediglich 35% bei den Ausländern und Ausländerinnen mit demselben Abschluss.
Die Chancen eines ausländischen Sekundarschülers (hohe Anforderungen), nach Schulabschluss eine Berufsbildung oder eine weiterführende Allgemeinbildung zu machen, sind im Kanton Zürich gemäss einer Studie (2001) von Bildungswissenschaftler Romano Müller nur etwa gleich gross wie jene eines Oberschülers schweizerischer Herkunft.
Neue Empfehlungen
Ausländische Jugendliche haben nicht nur in der obligatorischen Schule schlechtere Karten – wie die PISA-Erhebung gezeigt hat -, sie sind auch bei den Berufslehren massiv benachteiligt und stark untervertreten, vor allem bei Lehren mit hohem Anspruch. Eine Mittelschule besuchen nur 10% der jungen Ausländer gegenüber 20% bei den Schweizern, und lediglich 55% machen überhaupt eine nachobligatorische Ausbildung, während es bei den Schweizern immerhin 78% sind.
Um die Integration fremdsprachiger Jugendlicher in die nachobligatorische Bildung zu fördern, hat die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) nun eine Reihe von Empfehlungen ausgearbeitet. Diese sind in der Vernehmlassung begrüsst worden, so dass sie laut EDK «voraussichtlich schon Anfang 2003» verabschiedet werden.
Im Empfehlungsentwurf werden u.a. die Betriebe eingeladen, fremdsprachige Jugendliche verstärkt zu integrieren und bei Aufnahmeverfahren den Wert an sprachlicher Kompetenz in der Erstsprache mehr zu gewichten.
Schulsprache und Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt
Als Grund für die Untervertretung ausländischer Jugendlicher bei den Berufslehren führt Romano Müller u.a. an, dass viele Betriebe Ortssprache und besuchten Schultyp als wichtigste Selektionskriterien betrachten. In beiden sind ausländische Schüler im Nachteil, zumal bereits bei der Zuteilung in einen bestimmten Schultyp die Schulsprache eine dominante Rolle spiele.
Zudem ist laut Romano Müller eine Benachteiligung ausländischer Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt «wahrscheinlich». Hinzu komme, dass die Empfehlung der Lehrer an die Lehrbetriebe zu sehr auf der Deutschleistung der Schulabgänger basiere.
Gemäss Müllers Studie «Die Situation der ausländischen Jugendlichen auf der Sekundarstufe II» machen bei den 16- bis 20jährigen Ausländern nur 38% eine Berufslehre, 45% bleiben ohne nachobligatorische Ausbildung. Bei den Schweizern entscheiden sich 52% für eine Lehre, 22% absolvieren keine weitere Ausbildung.
Besonders bedrückend ist die Situation für Jugendliche aus der Türkei und Ex-Jugoslawien: Nur 25% kommen in eine Berufslehre, meist mit tiefem Anforderungs-Niveau, 67% bleiben ohne Ausbildung.
swissinfo und Silvia Oberhänsli (InfoSüd)
74 bis 82% Schweizer Jugendliche hatten in den letzten 5 Jahren eine Lehrstelle
Bei den Ausländern lediglich 58 bis 68%
Bei Oberschulabschluss traten 67% der Schweizer Jugendlichen eine Lehrstelle an
Bei den Ausländerinnen und Ausländern bei gleichem Abschluss lediglich 35%
Nicht nur in der obligatorischen Schule schneiden ausländische Jugendliche schlecht ab. Auch bei der nachobligatorischen Ausbildung sind sie massiv benachteiligt. Dies betrifft vor allem die Berufslehren.
Bei der Lehrstellensuche haben längst nicht alle die gleichen Erfolgsaussichten. Das geht aus der gesamtschweizerischen Erhebung «Barometer der Lehrstellen» der letzten fünf Jahre hervor.
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