Beim Studieren das Land der Vorfahren entdecken
Rund 100 junge Auslandschweizerinnen und –schweizer erhalten von ihrem Heimatkanton ein Stipendium, um in der Schweiz zu studieren oder sich auszubilden.
Jedes Jahr behandelt der Verein AJAS, der von der Auslandschweizer-Organisation ASO unterstützt wird, Hunderte von Anfragen für Informationen und Stipendien.
«Im Libanon gibt es keine Technische Hochschule wie die EPFL in Lausanne. Deshalb bin ich in meine zweite Heimat gekommen. Ich bin äusserst zufrieden mit meiner Wahl», sagt Carl Hedari. Er ist 20 Jahre alt, kommt aus dem Libanon und studiert im 2. Jahr an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL).
Ebenso zufrieden gibt sich die 19-jährige Camila Plate aus Kolumbien: «Ich absolviere den Vorkurs an der kantonalen Kunstschule in Lausanne. Dort, wo ich herkomme, gibt es nicht viel. Hier habe ich Zugang zu den grossen europäischen Museen, was meine Erfolgschancen erhöht.»
Yasmina Guye aus Spanien hat die Übersetzer und Dolmetscherschule in Genf ausgewählt. «Die Genfer Schule ist besser als jene in Barcelona. Zudem brauchte ich finanzielle Unterstützung und beschloss, in die Schweiz zurückzukehren.»
Für die Jungen
Seit 44 Jahren erfüllt der Verein zur Förderung der Ausbildung junger Auslandschweizer (AJAS) die Bedürfnisse jener, die in der Schweiz studieren oder sich ausbilden lassen wollen.
Der grösste Teil der Studierenden aus der Fünften Schweiz (628), die sich in der Schweiz immatrikulieren, wendet sich direkt an die Universitäten. «Wer Informationen braucht, aber Sprachprobleme hat oder finanzielle Hilfe benötigt, kommt zu uns», erklärt Elisabeth Müller, Geschäftsleiterin des Vereins.
2005 erhielt AJAS rund 700 Anfragen und im laufenden Jahr rund 800 aus zahlreichen Ländern.
«Unser Team gibt Ratschläge, beantwortet Fragen, übermittelt Kontakt-Adressen und vertritt gegenüber den Behörden die Interessen der Auslandschweizerinnen und – schweizer, sagt Elisabeth Müller gegenüber swissinfo.
Gegenwärtig vergeben die Kantone rund 100 Stipendien im Gesamtbetrag von 960’000 Franken, welche durch AJAS verwaltet werden.
«Die Studierenden schätzen die Qualität des schweizerischen Systems, namentlich die ETH Lausanne und die Hotelfachschulen. Für die Berufsbildung hat es sehr wenig Ausbildungsgesuche, aber die Fachhochschulen ziehen sehr viele Leute an.»
Ökonomische Probleme
Eine von zwei Anfragen kommt aus Europa (vorwiegend aus Frankreich), vor Südamerika (stark zunehmend), während die Gesuche aus Afrika, Asien und Nordamerika abnehmen. Oft werden die Stipendiengesuche von Bekannten oder Verwandten der Studierenden in der Schweiz eingereicht.
«Rund 60% der Personen, die uns kontaktieren, erkundigen sich nach Stipendien. Im Jahr 2000 waren es nur 25%. Das zeigt, dass die finanziellen Probleme grösser werden», präzisiert Elisabeth Müller.
Sie bedauert, dass es in der Schweiz «ein bisschen eine Lotterie» sei, weil es 26 kantonale Systeme gebe. Einige Kantone geben für eine beschränkte Anzahl Begünstigter beachtliche Summen aus. In andern Kantonen werden für eine viel grössere Anzahl Stipendien bescheidene Beiträge bezahlt. Einige Stipendien werden durch zinlose Darlehen ergänzt.
«Die Beträge können bis 20’000 Franken pro Jahr erreichen, je nach Kanton», präzisiert die Geschäftsleiterin von AJAS.
Carl Hedari hat im ersten Jahr 2900 Franken und im laufenden Jahr 6000 erhalten. «Das genügt zwar nicht, aber meine Eltern unterstützen mich, und ich mache kleinere Gelegenheitsjobs.»
Camila Plate hat auch Schwierigkeiten. Weil sie nicht auf familiäre Unterstützung zählen kann, werde sie versuchen, von AJAS einen finanziellen Zuschuss zu bekommen. Um solche finanziellen Löcher zu stopfen, verfügt AJAS über ein spezielles Budget.
Nur gegen Belege
Aber man muss sich ausweisen können. «Ich muss jedes Jahr wieder ein Gesuch einreichen und den Behörden meines Herkunftskantons eine Zusammenfassung meiner Resultate schicken», erklärt Yasmina Guye gegenüber swissinfo.
Die Schweizer Studierenden aus dem Ausland werden von den Sparbemühungen der Kantone und des Bundes nicht verschont.
«Der Totalbetrag der Stipendien und Darlehen sämtlicher Kantone stagniert oder nimmt seit 1993 ab. Der Bund hat seine Beiträge ebenfalls laufend gekürzt», bedauert Nils Heuberger im Jahresbericht 2005 der AJAS.
Nicht ganz unbekannt
Die meisten dieser jungen Leute haben Beziehungen in der Schweiz. «Oft haben sie eine Schweizer Schule im Ausland absolviert und sind deshalb mit ihrem Ursprungsland vertraut», meint Elisabeth Müller.
Das ist auch der Fall bei Camila Plate, die die Schweizer Schule in Bogota besucht hat. In der Schweiz hat sie Verwandte, aber es sei für sie trotzdem gewöhnungsbedürftig, dass «die Leute ein bisschen kalt sind und ich jeweils den ersten Schritt selber machen muss».
Carl Hedari will seinen Weg in der Schweiz gehen. «Im Libanon sind die Löhne zu tief und es gibt alle 5 bis 6 Jahre Konflikte. Dort kann man nichts machen. Das ist traurig aber die Wirklichkeit», meint der junge Mann.
Das gleiche gilt für Yasmina Guye: «Ich möchte ein wenig reisen und für internationale Organisationen in Genf arbeiten. Ich habe keine Lust nach Spanien zurückzukehren. Ich ziehe die Schweizer Mentalität vor».
swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler)
2003/04 haben die Schweizer Hochschulen 7567 neue Studierende aus dem Ausland aufgenommen (insgesamt 30’000).
Unter ihnen haben 628 einen Schweizer Pass.
Das sind 31% mehr als 1990/91, eine Zunahme, die sich durch die Errichtung der Fachhochschulen (FH) erklären lässt.
1990 waren 11,6% der ausländischen Studierenden an Schweizer Hochschulen Schweizer Bürger.
Seither ist ihr Anteil auf 7,6% gesunken.
Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) hat 1962 den Verein zur Förderung der Ausbildung junger Auslandschweizer (AJAS) gegründet.
Zudem bietet die ASO Ferienlager für 15- bis 35-Jährige an und betreut Rekruten, die ihren Militärdienst in der Schweiz leisten.
Ausserdem gehören zur ASO das Komitee für Schweizer Schulen im Ausland (KSA) und die Stiftung für junge Auslandschweizer (SJAS), die Ferienlager für 8- bis 14-Jährige durchführt.
Herkunft der Studiengesuche in der Schweiz im Jahr 2005:
– Europa: 381 (Frankreich, Deutschland, Spanien)
– Südamerika: 167
– Afrika: 49
– Asien: 38
– Nordamerika: 22
– Ozeanien: 6
AJAS kümmert sich zu Gunsten von rund 100 Studierenden um Stipendien in deren Herkunfts-Kantonen.
960’000 Franken werden dafür insgesamt durch die Kantone, AJAS (17’500 Franken) und Partnerstiftungen (18’000) ausgegeben.
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