Bologna-Reform: Schweiz liegt auf Kurs
Die Schweiz ist bei der Umsetzung der Bologna-Hochschulreformen weit fortgeschritten. 45 europäische Staaten sind daran beteiligt.
Bis 2010 soll es an den Hochschulen zwischen Lissabon und Wladiwostok im Rahmen dieses Reformprozesses vergleichbare Ausbildungsstandards geben.
Wie Staatssekretär Charles Kleiber am Montag in Bern darlegte, zogen die europäischen Bildungsminister an der Bologna-Folgekonferenz im norwegischen Bergen letzte Woche eine positive Bilanz dieses 1999 gestarteten europäischen Hochschulreform-Prozesses.
Heute absolviert rund die Hälfte der Studierenden in den 45 Mitgliedstaaten ein Studium nach dem neuen Modell mit seinen zwei Stufen Bachelor und Master.
Vergleichbare Qualifikationen
In Bergen beschlossen die Minister, unter ihnen Bundesrat Pascal Couchepin, bis zum nächsten Treffen in London 2007 auf Länder- und auf Europa-Ebene «Qualifikationsrahmen» einzuführen.
Sie sollen festlegen, über welche Qualifikationen Studierende nach ihren Abschlüssen verfügen müssen. 38 Länder unterzeichneten ferner die «Lissabon-Konvention» über die Diplom-Anerkennung.
Ausserdem beschlossen die Minister, die Synergien zwischen Hochschulbildung und Forschung besser zu nutzen. Geplant ist ferner ein europäisches Studienregister, in dem alle Hochschulangebote erfasst und beschrieben werden sollen.
Fachhochschulen stellen im Herbst 2005 auf Bologna um
Die Schweiz zähle zu den fortschrittlichsten Ländern, erklärte der Staatssekretär für Bildung und Forschung. Über die Hälfte der Studienanfänger besucht einen Bachelor-Lehrgang, und ab diesem Herbst wird sich dieser Anteil stark erhöhen.
Der Grund: Die schweizerischen Fachhochschulen stellen im Herbst 2005 auf das Bologna-System um, indem sie Bachelor-Lehrgänge einführen; die Master-Lehrgänge sollen bis 2008 folgen, wie Eric Fumeaux, Direktor des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie, erklärte.
Bei den Fachhochschulen dürfe man im gesamten Reformprozess die Marktorientierung dieser Bildungsinstitutionen nicht aus dem Auge verlieren. Fumeaux warnte zudem vor einer gewissen «Reform-Müdigkeit» bei den Fachhochschulen, die in letzter Zeit zahlreichen Veränderungen unterworfen waren.
Ab 2006/2007 Studium nach Bologna-Regeln
2006 führt die Schweiz ferner als erstes Land das Bologna-System auch beim Medizinstudium ein. Nach den Worten von Susanne Obermayer vom Bologna-Koordinationsteam werden alle Studienanfänger in der Schweiz ab 2006/07 nach den neuen Curricula studieren.
Die Hochschule St. Gallen ist schon sehr weit auf dem Bologna-Weg fortgeschritten. Die Universitäten von Zürich und Genf gehen den Prozess langsamer an, wie Mathias Stauffacher von der Rektorenkonferenz der Universitäten (CRUS) darlegte. Der Bund unterstützt die Bologna-Reformbestrebungen mit 30 Mio. Franken.
Kritik von Seiten der Studierenden
Dass die Schweiz im Bologna-Prozess weit fortgeschritten ist, bestätigt auch Pierre-Antoine Bonvin, Co-Präsident des Verbandes der Schweizer Studierendenschaften (VSS).
«Dies allerdings, weil die Reformen von oben durchgedrückt wurden, ohne demokratische Debatte», bemängelt er gegenüber swissinfo.
«Kein einziges Parlamant hat sich zur Erklärung von Bologna geäussert, die Studenten wurden nicht informiert. Deshalb reagierten sie erst vor kurzem, als die ersten Folgen der Reformen bereits spürbar wurden», so Bonvin weiter.
«Wir sind immer noch skeptisch, obwohl wir an der Konferenz in Bergen als Delegierte beigezogen wurden.»
Ein finanzielles Problem
Die Hauptsorge des VSS ist finanzieller Natur. «Viele beenden ihr Studium nach dem Bachelor, weil sie infolge der Verschulung des Studiums mit mehr Vorlesungsstunden weniger Möglichkeiten zum Geld verdienen haben», erklärt Bonvin.
Es gebe zwar mehr Mobilität für die Studierenden, allerdings nur für jene, welche die Mittel dazu haben. Denn das Stipendien-System hinke im Moment noch hinter dem Bologna-Prozess nach, so der Co-Präsident des VSS. Und nicht alle Hochschulrektorate hätten den gleichen Willen, das System zu homogenisieren.
An der Konferenz von Bergen sei zwar beschlossen worden, von nun die sozialen Fragen im Reformprozess einzubeziehen. «Aber Bologna bleibt ein verschultes System mit weniger akademischer Freiheit», so Bonvin.
swissinfo und Agenturen
1999: Die Schaffung eines «Hochschulraumes Europa», der 15 Millionen Studenten umfasst, wird auf einer Konferenz in Bologna von 29 Staaten vereinbart.
Der Erklärung von Bologna gehören mittlerweile 45 Staaten an.
Der europäische Hochschulraum reicht von Lissabon bis Wladiwostok.
Ab 2010 sollen im gemeinsamen europäischen Hochschulraum Studienleistungen und -Abschlüsse international vergleichbar sein.
Seit den 90er-Jahren zielen internationale und namentlich europäische Reformen darauf ab, die Mobilität der Studierenden und die Zusammenarbeit zwischen Ausbildungsstätten nachhaltig zu verbessern.
Die Schweiz hat sich am 19. Juni 1999 am europäischen Bildungsministertreffen von Bologna mit 29 andern europäischen Staaten verpflichtet, bis 2010 die Ziele der Bologna–Deklaration umzusetzen.
Übergreifende Folgende Ziele bestimmen die Mehrzahl der Reformen: Modernisierung der Studienprogramme sowie Einführung eines zweistufigen Studiensystems und eines transparenten Leistungspunktesystems, um die gegenseitige Vergleichbarkeit von Abschlüssen zu erleichtern.
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